Kleine Anfrage 3986
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Aufenthaltserlaubnisse für nichterwerbstätige, aber vermögende Ausländer – Gibt es eine Lücke im Aufenthaltsgesetz?
Der Hauptbeschuldigte Rechtsanwalt im Schleuserskandal B. soll bei Vernehmungen über den Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) ausgesagt haben, dass es dessen „Credo“ gewesen sei, sich nicht „gegen Wohlstandsmigration“ sperren zu können.1 Spelthahns Rechtsanwalt präzisierte gegenüber der Dürener Zeitung: „Der Kreis hat im Jahr 2022 ein Welcome-Center eingerichtet, in dem unter anderem Aufenthaltserlaubnisse für Forschungs- und Arbeitszwecke erteilt werden. Das deutsche Aufenthaltsrecht sieht keine Aufenthaltserlaubnis für vermögende Menschen vor, sondern nur gebunden für eine Berufstätigkeit/Forschungstätigkeit. Auch Personen, die Firmen gründen, müssen dort relevant mitarbeiten, sonst ist eine Einreise nicht möglich. Eine „Wohlstandsmigration“ gibt es daher gar nicht.“2
Hier ergibt sich die Frage, inwiefern diese Vorgaben im Aufenthaltsgesetz rechtswidrig bewusst umgangen wurden. Von Seiten des Rechtsanwalts heißt es weiter: „Spelthahn ist nur grundsätzlich bekannt, dass seit 2015 gut 5.000 Menschen aus China zu den Forschungseinrichtungen und Firmen in den Kreis Düren gekommen sind.“
Obige Annahme einer „Lücke“ im Aufenthaltsgesetz ist nur bedingt korrekt, da es den Ausländerbehörden im Rahmen einer Einzelfallprüfung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG durchaus möglich ist, für nichterwerbstätige und vermögende Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Grundsätzlich handelt es sich hierbei zwar um eine befristete Aufenthaltserlaubnis, nach einer erneuten Überprüfung der Ausländerbehörde besteht aber die Möglichkeit einer Verlängerung.3
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Möglichkeiten zur Erlangung eines temporären bzw. permanenten Aufenthaltstitels bestehen nach Ansicht der Landesregierung für nichterwerbstätige, aber vermögende Drittstaatsangehörige?
- Wie oft wurde nach Kenntnis der Landesregierung die Ausnahmeregelung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG seit 2015 in NRW in Anspruch genommen? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl und Herkunftsland listen)
- Mit welchen Maßnahmen wird derzeit die Rechtmäßigkeit im Rahmen der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für Forschungs- und Arbeitszwecke überprüft?
- Mit welchen zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen möchte die Landesregierung zukünftig dem jetzt bekanntgewordenen Missbrauch in diesem Bereich begegnen?
- Inwiefern werden im Zuge der Ermittlungen entsprechende bereits erteilte Aufenthaltserlaubnisse, insbesondere im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden Düren und Solingen, auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft?
Enxhi Seli-Zacharias
2 Ebd.
3 Vgl. https://se-legal.de/aufenthaltserlaubnis-in-deutschland-fur-wohlhabende-nichterwerbstatige/
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3986 mit Schreiben vom 24. Juli 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Welche Möglichkeiten zur Erlangung eines temporären bzw. permanenten Aufenthaltstitels bestehen nach Ansicht der Landesregierung für nichterwerbstätige, aber vermögende Drittstaatsangehörige?
Eine Aufenthaltserlaubnis kann gemäß § 7 Absatz 1 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich nur zu den im Aufenthaltsgesetz genannten Aufenthaltszwecken (Ausbildung, Erwerbstätigkeit, völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe, familiäre Gründen, u.a.) erteilt werden.
In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden.
Ob ein begründeter Fall vorliegt, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.
- Wie oft wurde nach Kenntnis der Landesregierung die Ausnahmeregelung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG seit 2015 in NRW in Anspruch genommen? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl und Herkunftsland listen)
Das Ausländerzentralregister (AZR) ist eine stichtagsbezogene Statistik, sodass keine Aussage über einen konkreten Zeitraum gemacht werden kann.
Laut AZR Statistik waren zum Stichtag 31.12.2015 2190 Personen in Nordrhein-Westfalen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes.
Zum Stichtag 31.05.2024 waren laut der AZR Statistik 1470 Personen in Nordrhein-Westfalen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes.
- Mit welchen Maßnahmen wird derzeit die Rechtmäßigkeit im Rahmen der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für Forschungs- und Arbeitszwecke überprüft?
Die Rechtmäßigkeit der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für Forschungs- und Arbeitszwecke wird anhand der – für die Erfüllung der jeweils notwendigen Tatbestandsmerkmale der im Einzelfall einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Norm – vorgelegten Unterlagen beurteilt. Abhängig von der einschlägigen Rechtsgrundlage findet auch eine Beteiligung anderer Behörden statt, so z.B. durch die Einholung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG.
- Mit welchen zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen möchte die Landesregierung zukünftig dem jetzt bekanntgewordenen Missbrauch in diesem Bereich begegnen?
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung am 27.02.2024 wurde durch Anpassungen in § 96 AufenthG bereits die Strafbarkeit des Einschleusens ausgeweitet. Zudem wurde u.a. der Strafrahmen für das Einschleusen auf 6 Monate bis zu 10 Jahre (§ 96 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) und der Strafrahmen bei gewerbs- und bandenmäßigem Einschleusen auf nicht unter 3 Jahre (§ 97 Abs. 2 AufenthG) angehoben.
Im Gesetzgebungsverfahren hat die Landesregierung den Entwurf des Bundes zu der vorgenannten Verschärfung ausdrücklich unterstützt.
- Inwiefern werden im Zuge der Ermittlungen entsprechende bereits erteilte Aufenthaltserlaubnisse, insbesondere im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden Düren und Solingen, auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft?
Die entsprechenden Prüfungen dauern noch an.