Aufkauf von Tierklinken durch Großkonzerne

Kleine Anfrage
vom 25.07.2023

Kleine Anfrage 2172

der Abgeordneten Zacharias Schalley, Andreas Keith und Enxhi Seli-Zacharias AfD

Aufkauf von Tierklinken durch Großkonzerne

Wie der Presseberichterstattung zu entnehmen ist, kaufen die Lebensmittelhersteller Nestlé und Mars seit dem Jahr 2022 gezielt Tierkliniken und Tierarztpraxen in Deutschland auf. Dabei agieren die Konzerne über die Tochterfirmen bzw. Beteiligungen Anicura und Evidensia, um dutzende Tierkliniken zu erwerben. Nach Auskunft des Bundeskartellamts aus dem September 2022 besaßen Anicura und Evidensia zu diesem Zeitpunkt bereits jeweils mehr als 60 Tierkliniken und Praxen. Insgesamt beträgt die Zahl der Tierkliniken in Deutschland rund 250.1

Das Bundeskartellamt hat bisher keine kartellrechtlichen Bedenken geäußert.2 Als bevölkerungsreichstes Bundesland verfügt Nordrhein-Westfalen über mehrere Millionen Haustiere und laut offizieller Statistik für das Jahr 2022 über mehr als 2.000 niedergelassene Tierärzte.3 Entsprechend groß ist gerade in unserem Bundesland das Potenzial für den Aufkauf von weiteren Praxen und Kliniken durch Großkonzerne.

Die Ursache für den Aufkauf ist zum Teil hausgemacht. Das Studium der Tiermedizin verzeichnet in Deutschland immer weiter sinkende Absolventenzahlen. Hinzu kommt, dass der Studiengang weitgehend von Frauen belegt wird (2021 mehr als 85 Prozent).4 Diese bevorzugen erwiesenermaßen Arbeitsmodelle in Teilzeit und übernehmen außerdem weniger häufig Großtierpraxen in ländlichen Regionen.5

Noch offen sind die Folgen des geplanten Aufkaufs zahlreicher Kliniken und Praxen. So führt dieser nicht selten dazu, dass Kliniken nicht geschlossen, sondern weitergeführt werden, da es sonst keinen Nachfolger gäbe. Auch ermöglichen die Investoren den Angestellten flexible Modelle, wie das Arbeiten in Teilzeit. Diesen positiven Auswirkungen stehen jedoch negative Folgen wie die zunehmende Verdichtung auf dem Markt sowie mögliche negative Auswirkungen auf die Qualität entgegen. Auch liegt der Verdacht nahe, dass gerade Nestlé und Mars, die zu den größten Produzenten von Tiernahrung weltweit zählen, die Kliniken und Praxen nicht zuletzt als Absatzorte etablieren wollen, wo aus einer Hand Gesundheit und Ernährung von Tieren angeboten wird.6

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Tierkliniken und Tierarztpraxen gibt es derzeit in NRW? (Bitte aufschlüsseln nach Groß- und Kleintierklinik sowie Groß- und Kleintierpraxis)
  2. Wie viele Tierkliniken und Tierarztpraxen befinden sich in Nordrhein-Westfalen im Besitz von Privatunternehmen? (Bitte aufschlüsseln nach Kliniken und Praxen, Konzern, Anzahl der gehaltenen Kliniken und Praxen)
  3. Wie gestaltet sich die Besitzstruktur bei den übrigen Tierkliniken und Tierarztpraxen in NRW? (Bitte aufschlüsseln nach Eigentümer, Anzahl der Kliniken und Praxen)
  4. Erfolgte bisher eine Prüfung der Geschäftsaktivitäten von Nestlé und Mars beim Kauf von Tierkliniken und Tierarztpraxen durch die Landeskartellbehörde NRW?
  5. Erfolgten in den Jahren 2013 bis 2022 Kaufaktivitäten im Bereich von Tierkliniken und Tierarztpraxen in Nordrhein-Westfalen, die die gesetzliche Aufgreifschwelle überstiegen haben?

Zacharias Schalley

Andreas Keith

Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 https:// www .tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/tierkliniken-investoren-101.html; https:// www .wa.de/deutschland-welt/tierarzt-nestle-mars-tierarztpraxis-konzerne-futter-halter-hund-katze-anicura-evidensia-zr-91507746.html.

2 https:// www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2022/27_06_2022_Evidensia_Tier klinik.html.

3 https:// www .bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/.

4 https:// de .statista.com/statistik/daten/studie/200764/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-veterinaermedizinstudenten/.

5 https:// www .vetline.de/befragung-angestellter-tieraerztinnen-in-deutschland-teil-1-arbeitsbedingungen.

6 https:// www .handelszeitung.ch/bilanz/nestle-das-geschaft-mit-tierfutter-wachst-uberdurchschnittlich-599099.


Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2172 mit Schreiben vom 21. August 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Mi­nisterin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie beantwortet.

  1. Wie viele Tierkliniken und Tierarztpraxen gibt es derzeit in NRW? (Bitte aufschlüs­seln nach Groß- und Kleintierklinik sowie Groß- und Kleintierpraxis)

Die Informationen hält die Bundestierärztekammer e. V. (BTK) in ihrer jährlichen Statistik be­reit. Das Datenmaterial, Stand 31. Dezember 2022, ist über die BTK-Homepage abrufbar (www.bundestieraerztekammer.de/btk/statistik/), dort unter „Tab. 4: Zahl der tierärztlichen Pra­xen und Kliniken in Deutschland […]“. Die Statistik wurde im Deutschen Tierärzteblatt, Aus­gabe Juli 2023, Seite 858 ff. veröffentlicht.

  1. Wie viele Tierkliniken und Tierarztpraxen befinden sich in Nordrhein-Westfalen im Besitz von Privatunternehmen? (Bitte aufschlüsseln nach Kliniken und Praxen, Konzern, Anzahl der gehaltenen Kliniken und Praxen)

Sofern mit dem Begriff „Privatunternehmen“ Investoren gemeint sind, welche in Nordrhein-Westfalen tierärztliche Kliniken bzw. Tierarztpraxen betreiben, stellt sich die Verteilung mit Stand 31. Dezember 2022 wie folgt dar:

Investor 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Klinik/Praxis K P K P K P K P K P K P K P K P K P
Tierärztekam­mer

Nordrhein

0 3 3 11 1 5 0 5 0 0 0 0 1 0 0 9 0 1
Tierärztekam­mer Westfalen- Lippe 1 2 1 6 0 6 0 1 0 1 0 1 1 2 0 8 0 2
Summe 1 5 4 17 1 11 0 6 0 1 0 1 2 2 0 17 0 3

Legende: „K“ = tierärztliche Klinik. „P“ = tierärztliche Praxis.

Zusammengefasst werden in Nordrhein-Westfalen 8 tierärztliche Kliniken und 63 tierärztliche Praxen von Investoren betrieben.

  1. Wie gestaltet sich die Besitzstruktur bei den übrigen Tierkliniken und Tierarztpra­xen in NRW? (Bitte aufschlüsseln nach Eigentümer, Anzahl der Kliniken und Pra­xen)

Die übrigen tierärztlichen Kliniken und Tierarztpraxen in Nordrhein-Westfalen sind im Eigen­tum von Tierärztinnen und Tierärzten, überwiegend in Form von klassischen Niederlassungen, Gemeinschaftspraxen oder teilweise in der Rechtsform einer juristischen Person des Privat­rechts, was nach dem Berufsrecht der Tierärztekammern in Nordrhein-Westfalen zulässig sein kann.

  1. Erfolgte bisher eine Prüfung der Geschäftsaktivitäten von Nestlé und Mars beim Kauf von Tierkliniken und Tierarztpraxen durch die Landeskartellbehörde NRW?
  2. Erfolgten in den Jahren 2013 bis 2022 Kaufaktivitäten im Bereich von Tierkliniken und Tierarztpraxen in Nordrhein-Westfalen, die die gesetzliche Aufgreifschwelle überstiegen haben?

Die Fragen 4 und 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Vor dem Hintergrund, dass sich die Aktivitäten der genannten Unternehmen auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken, läge die Zuständigkeit für den Fall, dass ein kartellrechtliches Auf­greifen angezeigt erscheinen würde, gemäß § 48 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbs­beschränkungen (GWB) beim Bundeskartellamt. Das Bundeskartellamt ist zudem ausschließ­lich für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nach §§ 35 ff. GWB zuständig.

Die Landeskartellbehörde NRW führt daher insbesondere auch keine statistischen Erhebun­gen zu möglichen Überschreitungen fusionskontrollrechtlicher Schwellenwerte durch.

 

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