Aufruf zur Demoteilnahme an Schulen – Wie sehr werden Schüler beeinflusst?

Kleine Anfrage
vom 15.02.2024

Kleine Anfrage 3321

des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD

Aufruf zur Demoteilnahme an Schulen Wie sehr werden Schüler beeinflusst?

Die AfD-Fraktion erreichen seit einigen Wochen etliche Hinweise auf Schulen, an denen Lehrkräften zur Teilnahme an Demonstrationen und Versammlungen aufrufen1 oder zumindest geschickt darauf hindeuten. Auch schon bei der „Fridays for Future“-Bewegung wurden ähnliche Vorfälle gemeldet, es kam vielerorts sogar zu Unterrichtsausfällen im Zuge von Schulstreikts und Freitagsdemos. Da das Schulschwänzen eine Ordnungswidrigkeit darstellt,2 wurde einige Male bereits von Beurlaubungen von Schülern berichtet.3

Hinsichtlich des Überwältigungsverbotes im Kontext des Beutelsbacher Konsens stellt sich die Frage, inwiefern Schüler durch die Aufforderung, vermeintlich neutralen Demonstrationen beizuwohnen, nicht tatsächlich in eine konkrete politische Richtung gelenkt werden, da sich das teilnehmende Klientel solcher Versammlungen oft aus sehr eindeutigen politischen Gruppen und Parteien zusammensetzt, die vor Ort und gegenüber der Presse für sich werben.4 Auch der indirekte Druck, der bereits durch die reine Empfehlung, sich für Demokratie einzusetzen und eine solche Demo zu besuchen, seitens einer Autoritätsperson, etwa eines Schulrektors oder Klassenlehrers ausgeübt wird, befindet sich nach Auffassung der AfD-Fraktion in einer rechtlichen und moralischen Grauzone.

Nicht selten wird die AfD im schulischen Kontext von Veranstaltungen wie etwa Podiumsdiskussionen aus- bzw. gar nicht erst eingeladen, in Schulwahl-Spielen nicht gelistet oder in der anschließenden Auszählung einfach gestrichen. Massive Kritik schlägt dann denen entgegen, die sich doch für eine demokratische Beteiligung der AfD einsetzen.5

Um einen fairen pluralistischen Diskurs zu ermöglichen sowie Chancengleichheit und demokratisches Denken zu fördern, müssen Lehrkräfte für das Thema sensibilisiert werden. Jüngst verschickte das Bildungsministerium eine Schulmail, um über die rechtlichen Verhältnisse bei der Behandlung des Themas der Demonstrationen zu informieren. Deshalb ist eine Aufklärung der Sachlage und eine Beleuchtung der bisher angewandten Verfahrensweisen fundamental.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Aufruf oder die Hinweisgabe zur Teilnahme an Demonstrationen durch Lehrkräfte gegenüber Schülern seit dem 01.01.2024?
  2. Kam es aufgrund von Demonstrationsteilnahmen zu Konsequenzen für Lehrer bzw. Schüler? (Bitte aufschlüsseln nach Unterrichtsausfällen, Beurlaubungen oder Freistellungen)
  3. Liegen der Landesregierung Meldungen über Verstöße gegen das Überwältigungsverbot in Bildungseinrichtungen seit dem 01.01.2024 vor?
  4. In wie vielen Fällen ergriff die Landesregierung Maßnahmen gegen Lehrkräfte, die widerrechtlich zur Teilnahme an Demonstrationen oder anderen politischen Versammlungen aufgerufen haben? (Bitte aufschlüsseln nach Art des Vorfalls, Teilnahmeaufruf und folgenden Maßnahmen)
  5. Differenziert die Landesregierung Demonstrationen und andere politische Versammlungen bzw. kategorisiert diese in unterstützenswerte und abzulehnende Fälle?

Dr. Christian Blex

 

MMD18-8029

 

1 https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/taro-schule-schueler-pflicht-demo-fridays-for-future-100.html

2 https://www.bussgeldkatalog.org/bussgeld-fridays-for-future/

3 https://weltwoche.ch/daily/linke-indoktrination-deutsche-lehrer-beurlauben-schueler-fuer-die-teilnahme-an-anti-afd-demos-und-verteilen-dafuer-gute-noten-die-eltern-sind-alarmiert-doch-der-grosse-aufschrei-bleibt-aus/

4 https://www.nius.de/medien/die-januar-bilanz-von-ard-und-zdf-98-unfassbare-faelle-bei-denen-zufaellig-jemand-interviewt-wurde-der/8f7c6100-2c27-4bc6-8087-328249e7782b

5 https://www.fr.de/politik/landtagswahl-hessen-ere855992/an-frankfurter-schule-grosser-aerger-ueber-afd-einladung-92555213.html


Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3321 mit Schreiben vom 20. März 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Lehrerinnen und Lehrer genießen – wie alle Bürgerinnen und Bürger – das Recht auf Mei­nungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz. Dazu gehört selbstverständlich auch das Recht, an Demonstrationen teilzunehmen. Als Staatsdienerinnen und Staatsdiener unterliegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes einem Gebot von Mäßigung und Zurückhaltung. Dar­über hinaus verpflichtet § 2 Absatz 8 Schulgesetz NRW Lehrerinnen und Lehrer zu politischer Neutralität gegenüber den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Politische Äuße­rungen von Lehrkräften sind selbstverständlich nicht ausgeschlossen, unterliegen jedoch ei­nem Gebot von ausgewogener Darstellung und Zurückhaltung.

Der Einsatz für die Demokratie steht im Einklang mit dem schulischen Bildungs- und Erzie­hungsauftrag, wie er in § 2 des Schulgesetzes formuliert ist. So heißt es in § 2 Absatz 6 Num­mern 5 und 6 explizit:

„Die Schülerinnen und Schüler sollen insbesondere lernen Menschen unterschiedlicher Her­kunft vorurteilsfrei zu begegnen, die Werte der unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen und zu reflektieren sowie für ein friedliches und diskriminierungsfreies Zusammenleben einzu­stehen sowie die grundlegenden Normen des Grundgesetzes und der Landesverfassung zu verstehen und für die Demokratie einzutreten.“

Der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag gestattet und verlangt ein aktives Einstehen für unsere verfassungsmäßigen Grundwerte.

Als Orte der gesellschaftlich-politischen Bildung, Erziehung und Wertevermittlung ist es wich­tig, dass sich Schulen verstärkt der politischen Bildung und Demokratieerziehung widmen und sich aktiv dafür einsetzen. Grundsätzlich gilt: Alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Beamtinnen und Beamten müssen für deren Erhaltung eintreten.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Aufruf oder die Hinweisgabe zur Teilnahme an Demonstrationen durch Lehrkräfte gegenüber Schülern seit dem 01.01.2024?

Es ist zwischen der Teilnahme an Demonstrationen im Rahmen einer Schulveranstaltung und der privaten Teilnahme an Demonstrationen zu unterscheiden.

Die Teilnahme an Demonstrationen im Rahmen einer Schulveranstaltung stellt Unterricht in anderer Form dar. Die Teilnahme ist zulässig, wenn damit Bildungs- und Erziehungsziele des § 2 Schulgesetz NRW verwirklicht werden und der Demonstrationszweck mit diesen vereinbar ist. Die Teilnahme an Veranstaltungen, deren Gegenstand die Grundwerte gesellschaftlichen Zusammenlebens sind, ist daher im Rahmen einer Schulveranstaltung möglich. Der Grundsatz der Freiwilligkeit ist zu beachten.

Von einer Demonstrationsteilnahme im Rahmen einer Schulveranstaltung ist der Fall abzu­grenzen, wenn Lehrkräfte oder Schulleitung die Schülerinnen und Schüler über eine geplante Demonstration und ihre eigene Teilnahme informieren. In diesem Fall nehmen Lehrkräfte so­wie Schülerinnen und Schüler als Privatpersonen an der Veranstaltung teil. Wirbt die Schule für die Teilnahme an einer solchen außerschulischen Veranstaltung, muss sie dabei ebenfalls den Grundsatz der Unparteilichkeit wahren. Die Veranstaltung muss vom Bildungs- und Erzie­hungsauftrag des § 2 Schulgesetz NRW umfasst sein. Ebenso ist der Grundsatz der Freiwil­ligkeit zu beachten.

  1. Kam es aufgrund von Demonstrationsteilnahmen zu Konsequenzen für Lehrer bzw. Schüler? (Bitte aufschlüsseln nach Unterrichtsausfällen, Beurlaubungen o­der Freistellungen)

Der Landesregierung liegen keine entsprechenden Informationen vor.

Nach Informationen der Landesregierung finden die Demonstrationen in der Regel außerhalb der allgemeinen Unterrichtszeit statt.

  1. Liegen der Landesregierung Meldungen über Verstöße gegen das Überwälti-gungsverbot in Bildungseinrichtungen seit dem 01.01.2024 vor?

Landesweit sind bisher drei Verdachtsfälle bei den zuständigen Dienststellen bekannt gewor­den, bei denen geprüft wird, ob gegen die Neutralitätspflichten durch Lehrkräfte verstoßen wurde. Die Sachverhaltsermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

  1. In wie vielen Fällen ergriff die Landesregierung Maßnahmen gegen Lehrkräfte, die widerrechtlich zur Teilnahme an Demonstrationen oder anderen politischen Ver­sammlungen aufgerufen haben? (Bitte aufschlüsseln nach Art des Vorfalls, Teil­nahmeaufruf und folgenden Maßnahmen)

Vor dem Hintergrund der noch nicht abgeschlossenen Sachverhaltsermittlungen kann hierzu keine Auskunft erteilt werden. Darüber hinaus ist angesichts des Gebotes des Personaldaten­schutzes und der äußerst geringen Anzahl von Verdachtsfällen auch nach vollständiger Sach­verhaltsermittlung keine Auskunft möglich. Bei Erteilung der gewünschten Auskünfte wären Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich.

  1. Differenziert die Landesregierung Demonstrationen und andere politische Ver­sammlungen bzw. kategorisiert diese in unterstützenswerte und abzulehnende Fälle?

Versammlungen stehen unter dem Schutz des Artikel 8 des Grundgesetzes. Der Landesre­gierung kommt es im Hinblick auf das staatliche Neutralitätsgebot nicht zu, Versammlungen und andere politische Veranstaltungen unter dem Aspekt der inhaltlichen Unterstützungswür­digkeit zu differenzieren. Anlass zu einem behördlichen Einschreiten besteht allerdings dann, wenn inhaltliche Positionen die Grenze zur Strafbarkeit überschreiten.

Für die Teilnahme an Demonstrationen im Rahmen einer Schulveranstaltung gelten im Übri­gen die unter Frage 1 dargestellten Grundsätze.

 

MMD18-8562