Kleine Anfrage 1513
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Christian Loose vom 13.03.2023
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei Windkraft
Gemäß Bundesnaturschutzgesetz müssen unvermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaft durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom Verursacher immer ausgeglichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder in sonstiger Weise kompensiert werden (Ersatzmaßnahmen).
Da mit der Errichtung und dem Betrieb von Windkraftanlagen auch immer Eingriffe in Natur und Landschaft einhergehen − betroffen sind in der Regel Landschaftsbild und Boden sowie der Naturhaushalt – muss ein entsprechender Ausgleich oder Ersatz erfolgen.
Entweder wird die beeinträchtigte Funktion des Naturhaushaltes und der notwendige Ersatz am selben Ort zeitnah durch eine andere Maßnahme verbessert, beispielsweise durch Rückbau einer bestehenden Anlage oder die Kompensation erfolgt durch in der Regel nichtfunktionale, aber „gleichwertige“ Maßnahmen im räumlichen Zusammenhang. Der Ausgleich muss dabei in einem sachlich-funktionellen Zusammenhang mit dem Eingriff stehen und die beeinträchtigten Funktionen müssen gleichartig wiederhergestellt werden.
Ein Ersatz in sonstiger Weise setzt dagegen voraus, dass die beeinträchtigten Funktionen in gleichwertiger Weise ersetzt werden – also das ökologische Niveau erreicht wird, das auch ein Ausgleich bewirkt hätte. Demnach muss auch beim Ersatz ein sachlich-funktioneller Zusammenhang zum Eingriff gegeben sein, doch genügt die Herstellung ähnlicher und nicht wie beim Ausgleich identischer Funktionen.
Nur in schwierigen Fällen darf die Kompensation nicht im räumlichen Zusammenhang erfolgen, sondern Natur und Landschaft werden an anderer Stelle verbessert oder eine andere Funktion wird in der Nähe aufgewertet. Grundsätzlich sollen Ersatzmaßnahmen mit der einschlägigen Landschaftsplanung übereinstimmen. Der Ausgleich geht dem Ersatz dabei immer vor.
In NRW werden insbesondere im Rahmen der Eingriffsregelung nach dem Landschaftsgesetz Bewertungsverfahren angewandt, die auf eine verbal – argumentative qualitative Bewältigung der Eingriffe in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild sowie der Kompensation abstellen, um dem jeweiligen Einzelfall gerecht zu werden. Darüber hinaus beinhalten sie zur Ermittlung der Lebensraumfunktion formalisierte, numerische Wertverfahren, die dem quantitativen, rechnerischen Nachweis der Kompensation dienen. Bei ähnlichen Eingriffssachverhalten sollen diese Verfahren zu vergleichbaren Kompensationsumfängen führen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir:
- Wie groß war in den letzten 10 Jahren die Fläche, die als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme für Windkraftanlagen in NRW genutzt wurde? (bitte aufschlüsseln nach Jahren, Kreis und Fläche pro Windkraftanlage)
- Wie groß war in den letzten 10 Jahren der Anteil an Flächen für Ausgleichsmaßnahmen, die nicht im räumlichen Zusammenhang mit den Windkraftanlagen standen?
- Welcher Art waren die jeweiligen Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen? (bitte aufschlüsseln nach Maßnahme, numerische Bewertung der Biotoptypen, Windkraftanlage und Kreis)
- Wie viele der Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen wurden über ein „Öko-Konto“ bzw. einen Flächenpool geregelt? (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Maßnahme und Kreis)
- Welchen Zielbiotoptyp hatten die Flächen, welche als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen für Windkraftanlagen in den letzten 10 Jahren geschaffen wurden?
Zacharias Schalley
Christian Loose
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 1513 mit Schreiben vom 11. April 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz beantwortet.
- Wie groß war in den letzten 10 Jahren die Fläche, die als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme für Windkraftanlagen in NRW genutzt wurde? (bitte aufschlüsseln nach Jahren, Kreis und Fläche pro Windkraftanlage)
- Wie groß war in den letzten 10 Jahren der Anteil an Flächen für Ausgleichsmaßnahmen, die nicht im räumlichen Zusammenhang mit den Windkraftanlagen standen?
- Welcher Art waren die jeweiligen Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen? (bitte aufschlüsseln nach Maßnahme, numerische Bewertung der Biotoptypen, Windkraftanlage und Kreis)
- Wie viele der Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen wurden über ein „Öko-Konto“ bzw. einen Flächenpool geregelt? (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Maßnahme und Kreis)
- Welchen Zielbiotoptyp hatten die Flächen, welche als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen für Windkraftanlagen in den letzten 10 Jahren geschaffen wurden?
Die Fragen 1 bis 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach den §§ 15 bis 17 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und den §§ 30 bis 33 Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) NRW ist im Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen abzuarbeiten. Die Eingriffsregelung hat den Zweck, erhebliche Beeinträchtigungen ihrer Schutzgüter Naturhaushalt und Landschaftsbild zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten. Daher sind Windenergieanlagen so zu planen und zu errichten, dass vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft unterlassen werden. Wird eine Anlage genehmigt, ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung hinsichtlich der Kompensationsverpflichtungen (Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, Ersatzzahlung) zu beachten. Grundsätzlich ist zwischen der Kompensation von Eingriffen in den Naturhaushalt und in das Landschaftsbild zu unterscheiden.
Die Errichtung von Windenergieanlagen stellt angesichts der aktuell gängigen Bauhöhen insbesondere eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar. Gemäß § 31 Abs. 5 LNatSchG NRW sind diese aufgrund der Höhe der Anlagen (über 20 Meter) in der Regel nicht ausgleichbar oder ersetzbar im Sinne des § 15 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG. Eine landschaftsgerechte Wiederherstellung oder Neugestaltung der Landschaft im Sinne von § 15 Abs. 2 BNatSchG, so dass die Anlage von der unvoreingenommenen Beobachterin und dem unvoreingenommenen Beobachter nicht mehr als Fremdkörper in der Landschaft wahrgenommen wird, ist bei vertikalen Strukturen mit der Höhe moderner Windenergieanlagen nicht möglich. Daher ist nach § 31 Abs. 5 LNatSchG NRW, wenn eine solche Anlage zugelassen wird, für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ein Ersatz in Geld zu leisten.
Der Windenergie-Erlass („Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung“ – SMBl. 2310), in der Fassung vom 08.05.2018, macht unter anderem landesweit einheitliche Vorgaben zur Landschaftsbildbe-wertung und Ersatzgeld-Ermittlung bei Eingriffen in das Landschaftsbild durch den Bau von Windenergieanlagen. Die Festsetzung des Ersatzgeldes erfolgt regelmäßig in der immissions-schutzrechtlichen Genehmigung im Rahmen einer Nebenbestimmung.
In der Regel dient ein landschaftspflegerischer Begleitplan der Abarbeitung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. In ihm hat der Vorhabenträger die für die Beurteilung des Eingriffs erforderlichen Angaben zu machen, insbesondere über Ort, Art, Umfang und zeitlichen Ablauf des Eingriffs sowie über die vorgesehenen Maßnahmen zur Vermeidung und zur Kompensation der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft.
Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die dafür in Anspruch genommenen Flächen sowie das Ersatzgeld werden in einem Kompensationsverzeichnis erfasst (§ 17 Abs. 6 BNatSchG). Hierzu übermitteln die nach § 17 Abs. 1 und 3 BNatSchG zuständigen Behörden der für die Führung des Kompensationsverzeichnisses zuständigen Stelle die erforderlichen Angaben. Derzeit bieten die Kompensationsverzeichnisse in der Regel nicht die Möglichkeit, erfasste Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einer bestimmten Eingriffsart zuzuordnen.