Aushänge und Bekanntmachungen in Amtsgerichten

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 754
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias, Klaus Esser und Dr. Hartmut Beucker vom 11.11.2022

Aushänge und Bekanntmachungen in Amtsgerichten

In den Amtsgerichten Nordrhein-Westfalens war es bisher gängige Praxis, dass in den Aushängen und Bekanntmachungen der täglichen Gerichtstermine sowohl die Justiz- und Strafsachennummer als auch Kläger und Beklagte benannt wurden.

Dieses Vorgehen diente interessierten Bürgern, die den oftmals öffentlichen Prozessen beiwohnen wollten.

Aus dem Amtsgericht Gelsenkirchen wird berichtet, dass die interessierte Öffentlichkeit den Weg zur Verhandlung momentan nicht mehr finden kann, da die Gerichte und Justizbehörden Dritten – mit Ausnahme von Journalisten oder Personen mit einem „berechtigtem Interesse“ – keine Auskünfte mehr darüber erteilen, wann und wo welcher Prozess stattfindet.

Auch auf der Homepage des Amtsgerichts Gelsenkirchen gibt es keine Angaben zur Identität der Kläger und Beklagten.1

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Auf Basis welcher Rechtsgrundlage wird über Form und Inhalt der Aushänge und Bekanntmachungen in den Amtsgerichten entschieden?
  2. Welche Regelungen bzw. Rechtsgrundlagen gibt es in Bezug auf die namentliche Nennung von Klägern und Beklagten in öffentlichen Prozessen? (Bitte aufführen, wann die jeweiligen Regelungen bzw. Rechtsgrundlagen in Kraft getreten sind)
  3. Auf welcher Grundlage kam es hierbei zu einer Änderung zur bisher gängigen Praxis?
  4. Inwiefern wird – nach Ansicht der Landesregierung – durch die fehlende namentliche Benennung der Kläger und der Beklagten der Grundsatz der Beteiligung der Öffentlichkeit und hierbei insbesondere auch das berechtigte Interesse der Presse behindert?
  5. Mit welchen Maßnahmen plant die Landesregierung dafür Sorge zu tragen, dass generell zur bisher gängigen Praxis zurückgekehrt wird, wonach die Namen der Kläger und Beklagten veröffentlicht werden?

Enxhi Seli-Zacharias
Klaus Esser
Dr. Hartmut Beucker

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. htt p s : / /www. A g – g e l s e n k i r c h e n.nrw.de/behoerde/sitzungstermine/ i n d e x. p h p Datum des Originals: 11.11.2022/Ausgegeben: 15.11.2022


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 754 mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Auf Basis welcher Rechtsgrundlage wird über Form und Inhalt der Aushänge und Bekanntmachungen in den Amtsgerichten entschieden?

Grundlage für das an dem Eingang zum Sitzungszimmer und ggf. an der zentralen Informati­onstafel auszuhängende bzw. anzuzeigende Terminsverzeichnis ist § 6 Absatz 4 der Anwei­sungen für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte und Staats­anwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen (AktO).

Zur Steigerung der Aktualität und Attraktivität der Websites der Gerichte und als Information für die an dem jeweiligen Termin Beteiligten (z. B. Zeuge, Anwalt), wurde den Gerichten mit Erlass vom 12. November 2011 die Möglichkeit eröffnet, die gerichtseigenen Sitzungstermine auf der Website anzeigen zu lassen.

  1. Welche Regelungen bzw. Rechtsgrundlagen gibt es in Bezug auf die namentliche Nennung von Klägern und Beklagten in öffentlichen Prozessen? (Bitte aufführen, wann die jeweiligen Regelungen bzw. Rechtsgrundlagen in Kraft getreten sind)

Nach § 6 Absatz 4 Satz 2 der Anweisungen für die Verwaltung des Schriftguts bei den Ge­schäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen (AktO), AV d. JM vom 27. April 1967 (1454 – I B. 49) – JMBl. NW S. 109 -, zuletzt geändert durch AV d. JM vom 16. Dezember 2019 (1454 – I. 410) – JMBl. NRW S. 3 – sind in das aus­zuhängende Terminsverzeichnis für alle öffentlichen Sitzungen u.a. die Namen der Verfah­rensbeteiligten (ggf. Kurzbezeichnung) aufzunehmen.

Im Internet werden ausschließlich für eine Veröffentlichung unbedenkliche Daten (Beginn, Art des Termins und Verfahrens, Saal, Aktenzeichen) veröffentlicht. Das Aktenzeichen wird dabei – falls vom Gericht gewünscht – aus Datenschutzgründen um die Abteilungsnummer gekürzt. Die Möglichkeit wurde den Gerichten mit Erlass vom 12. November 2011 eröffnet.

Das Öffentlichkeitsgebot ist in § 169 Absatz 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) normiert. Die Regelung findet sich bereits in der Fassung vom 9. Mai 1975.

Nach § 4 Absatz 1 Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW) vom 24. Mai 1966 in der ab dem 18. Mai 2021 geltenden Fassung sind die Behörden des Landes verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Auch die Gerichte sind Behörden im Sinne der Norm. Auch die Mitteilung von Namen Verfahrensbeteiligter fällt grundsätzlich unter diesen Auskunftsan­spruch, wobei insoweit jedoch ein möglicher Ausschluss des Auskunftsanspruches nach § 4 Absatz 2 Landespressegesetz NRW in Betracht kommt. Die Norm ist seit Erlass des Landespressegesetzes NRW unverändert.

Ein entsprechendes Auskunftsrecht für Rundfunkveranstalter findet sich in § 5 Absatz 1 Medi­enstaatsvertrag (MStV) in der Fassung des zweiten Staatsvertrags zur Änderung medienrecht­licher Staatsverträge (Zweiter Medienänderungsstaatsvertrag) vom 22. Dezember 2021, in Kraft seit 30. Juni 2022. Diese Norm war in gleicher Form bereits im Medienstaatsvertrag vom 28. April 2020 und in ähnlicher Form in den Vorgängerregelungen seit dem 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der am 1. März 2007 in Kraft getreten ist, enthalten. Davor galten aufgrund von § 26 Absatz 1 Landespressegesetz NRW die vorstehend für die Presse dargestellten in­haltlich gleichlautenden Regelungen für den Rundfunk entsprechend.

Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelung sieht § 6 Absatz 3 der Richtlinien für die Zusammenarbeit mit den Medien („Presserichtlinien“ gem. AV d. JM vom 12. November 2007 (1271 – II. 2) – JMBl. NRW 2008 S. 2 – in der Fassung vom 28. Juli 2015 – JMBl. NRW S. 329) vor, dass bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang Auskunft erteilt wird, das Schutz­interesse der Betroffenen und das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in je­dem Einzelfall umfassend miteinander abzuwägen ist, wobei bei der Namensnennung von Verfahrensbeteiligten und sonstigen von einer Berichterstattung Betroffenen Zurückhaltung geboten ist. Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird in Strafverfahren umso mehr Gewicht beizumessen sein, je gravierender der Tatvorwurf ist. In Strafverfahren gegen Ju­gendliche und Heranwachsende wird eine Namensnennung nur bei Kapitalverbrechen in Be­tracht gezogen werden können.

  1. Auf welcher Grundlage kam es hierbei zu einer Änderung zur bisher gängigen Pra­xis?

Die bisher gängige Praxis nach § 6 Absatz 4 AktO ist nicht abgeändert worden. Nach der voraussichtlich zum 1. Januar 2023 in Kraft tretenden Neufassung der AktO ist in das Terminsverzeichnis nach § 6 Absatz 4 Satz 2 Nummer 8 für alle öffentlichen Sitzungen die Angelegen­heit, zum Beispiel durch die Bezeichnung der Parteien, gegebenenfalls als Kurzbezeichnung, zu nennen. An der Veröffentlichungspraxis auf den Websites der Gerichte hat sich ebenfalls nichts geändert.

  1. Inwiefern wird nach Ansicht der Landesregierung durch die fehlende nament­liche Benennung der Kläger und der Beklagten der Grundsatz der Beteiligung der Öffentlichkeit und hierbei insbesondere auch das berechtigte Interesse der Presse behindert?

Gemäß § 169 Absatz 1 Satz 1 GVG muss die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich erfolgen. Verhandlungen, die dem Öffentlichkeitsgebot unterliegen, müssen prinzipiell so bekanntgemacht werden, dass das interessierte Publikum ohne besondere Anstrengung oder Schwierigkeiten von Verhand­lungstermin und -ort Kenntnis erlangen kann. Die Form der Informationsmöglichkeit ist nicht zwingend vorgeschrieben. Regelmäßig ist ein Aushang des Sitzungszettels am Sitzungssaal erforderlich und zumutbar, aber auch ausreichend (vgl. Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2022, § 169 Rn. 67, 68). Die Regelungen des § 6 Absatz 4 AktO genügen damit dem Grundsatz der Öffentlichkeit gemäß § 169 Absatz 1 Satz 1 GVG.

  1. Mit welchen Maßnahmen plant die Landesregierung dafür Sorge zu tragen, dass generell zur bisher gängigen Praxis zurückgekehrt wird, wonach die Namen der Kläger und Beklagten veröffentlicht werden?

Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

 

Antwort als PDF