Ausstieg aus der Rohstoffgewinnung und geplante Einführung einer „Rohstoffabgabe“ – Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen auf die Umwelt und die rohstoffgewinnenden Unternehmen ein?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1591

des Abgeordneten Christian Loose vom 23.03.2023

Ausstieg aus der Rohstoffgewinnung und geplante Einführung einer „Rohstoffabgabe“ – Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen auf die Umwelt und die rohstoffgewinnenden Unternehmen ein?

Hinsichtlich der Verwendung von Kiesen und Sanden, beides nahezu unverzichtbare Materialien bei fast jeglichem Bauvorhaben, hat sich die Landesregierung ein Ziel gegeben:

„Durch ein konsequentes, wissenschaftlich fundiertes Rohstoffmonitoring („Rohstoffbarometer“) soll der Verbrauch von Kiesen und Sanden transparent gemacht und auf den notwendigen Bedarf zurückgeführt werden.“1

Die Rückführung auf einen „notwendigen Bedarf“ wird dann hinsichtlich einer Mengenkomponente nicht erklärt. Stattdessen wird ohne Umschweife ein Markteingriff angekündigt. Dabei lässt die Formulierung erwarten, dass unabhängig von ihrer Notwendigkeit zur Nutzung bei bspw. einer Brückenreparatur oder Errichtung eines Betonfundamentes für eine Windindustrieanlage bereits die erste Schaufel Kies oder Sand mit einer Abgabe belegt werden soll: „Umweltlenkungsabgaben können als marktwirtschaftliches Instrument umweltschädlichen Ressourcenverbrauch wirtschaftlich unattraktiv machen und Finanzmittel zur Sanierung und Entwicklung umweltfreundlicher Alternativen generieren. Deshalb werden wir eine Rohstoffabgabe spätestens zum 1. Januar 2024 einführen und diese auf Kies und Sand beschränken.“2

Von der Landesregierung wird zudem der Eindruck erweckt, Sande und Kiese seien mehr oder weniger beliebig substituierbar: „Gemeinsam mit unseren Bemühungen um die Förderung des Einsatzes alternativer Baustoffe ermöglichen wir so einen verbindlichen Degressionspfad und perspektivisch einen Ausstieg aus der Kies- und Kiessandgewinnung in den besonders betroffenen Regionen.“3

Gedanklich verfolgt die Landesregierung hier offenbar denselben Weg wie bei der von ihr betriebenen „Energiewende“. Während dort bestehende sichere und grundlastfähige Kapazitäten abgeschaltet werden, bevor beispielsweise Speichermedien oder Netze in ausreichendem Umfang geschaffen sind, soll hier erst eine Sondersteuer auf Kiese und Sande eingeführt werden – die das Bauen weiter verteuern wird –, während noch völlig unklar ist, mit welchen Baustoffen diese Kiese und Sande ersetzt werden sollen.

Offenbar ist der Landesregierung noch nicht bewusst, dass Kiese und Sande wie auch Splitte in der Bauindustrie ähnlich unverzichtbar sind wie bspw. Quarzsande für die Glas- und Computerindustrie oder Kalk für die Stahlproduktion und dass ohne erhebliche Mengen an Kiesen und Sanden weder gesteckte Wohnungsbauziele noch umfangreiche Sanierungen von Straßen und Brücken realisierbar sein werden.

Deshalb frage ich die Landesregierung:

  1. Auf welchem Wege beabsichtigt die Landesregierung die von ihr geplante Rohstoffabgabe verfassungskonform einzuführen, wiewohl für eine solche Sondersteuer oder -abgabe die Zuständigkeit des Landes nicht gegeben ist?
  2. Wie begründet die Landesregierung, die beabsichtigte Rohstoffabgabe nur für den Abbau von Kiesen und Sanden, aber bspw. nicht für den Abbau von Natursteinen oder Ton einzuführen?
  3. Wie definiert die Landesregierung den Umfang des „notwendigen Bedarfes“?
  4. Wie beurteilt die Landesregierung die Beeinträchtigung ihrer Klimaziele durch die Beiholung von Kiesen und Sanden von weiter entfernt liegenden, ggfs. ausländischen Lagerstätten, wenn die in NRW befindlichen Lagerstätten aufgrund von ihr politisch initiierten Mengenbeschränkungen nicht mehr in Anspruch genommen werden können bzw. deren Nutzung aufgrund der länderspezifischen, geplanten Rohstoffabgabe wirtschaftlich unrentabel wird?
  5. Inwieweit wird aufgrund der – speziell in NRW – geplanten Einführung der Rohstoffabgabe eine Abwanderung von rohstoffgewinnenden Unternehmen und damit von in der Werkschöpfungskette verbundenen Unternehmen erwartet?

Christian Loose

 

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1 Vgl. https:// www .cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/zukunftsvertrag_cdu-grune.pdf, Seite 45, abgerufen am 16.03.2023.

2 Vgl. ebenda.

3 Vgl. ebenda.


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 1591 mit Schrei­ben vom 26. April 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie beantwortet.

  1. Auf welchem Wege beabsichtigt die Landesregierung die von ihr geplante Roh­stoffabgabe verfassungskonform einzuführen, wiewohl für eine solche Sonder­steuer oder -abgabe die Zuständigkeit des Landes nicht gegeben ist?

Für die Einführung der Abgabe ist derjenige Abgabetyp zu wählen, für den dem Landesge-setzgeber die Gesetzgebungskompetenz zusteht.

  1. Wie begründet die Landesregierung, die beabsichtigte Rohstoffabgabe nur für den Abbau von Kiesen und Sanden, aber bspw. nicht für den Abbau von Natursteinen oder Ton einzuführen?

Kies und Sand werden im Vergleich zu den Ton- oder Natursteinvorkommen in sehr viel grö­ßerer Menge gewonnen und haben ein Vielfaches an Flächenbedarf. Eine Abgabe auf Kies und Sand als Massenrohstoffe hätte damit eine größere Lenkungswirkung.

  1. Wie definiert die Landesregierung den Umfang des „notwendigen Bedarfes?

Der Begriff des notwendigen Bedarfs besagt einerseits, dass noch langfristig Kiese und Sande durch unsere im Transformationsprozess befindliche Wirtschaft und Bevölkerung gebraucht werden, weshalb die entsprechenden Rohstoffvorkommen und Lagerstätten entsprechend den Zielen der Landesregierung auch nachhaltig und langfristig bewirtschaftet werden sollen. Andererseits verdeutlicht der Begriff des notwendigen Bedarfs, dass Potentiale vorhanden sind, Sand und Kies als primär gewonnene Rohstoffe durch Recycling- und Sekundärbaustoffe zu substituieren.

  1. Wie beurteilt die Landesregierung die Beeinträchtigung ihrer Klimaziele durch die Beiholung von Kiesen und Sanden von weiter entfernt liegenden, ggfs. Ausländi­schen Lagerstätten, wenn die in NRW befindlichen Lagerstätten aufgrund von ihr politisch initiierten Mengenbeschränkungen nicht mehr in Anspruch genommen werden können bzw. deren Nutzung aufgrund der länderspezifischen, geplanten Rohstoffabgabe wirtschaftlich unrentabel wird?

Die Landesregierung geht davon aus, dass der Bedarf der heimischen Wirtschaft und Bevöl­kerung an Sand und Kies auch künftig weitestgehend aus heimischen Lagerstätten gedeckt wird, insbesondere weil diese Massenrohstoffe transportsensibel sind bzw. Transporte über längere Strecken sich stärker auf den Endpreis auswirken.

  1. Inwieweit wird aufgrund der speziell in NRW geplanten Einführung der Roh­stoffabgabe eine Abwanderung von rohstoffgewinnenden Unternehmen und da­mit von in der Wertschöpfungskette verbundenen Unternehmen erwartet?

Der Landesregierung ist es wichtig, im Rahmen des Transformationsprozesses zu einer nach­haltigen und umweltschonenden Rohstoffgewinnung und –nutzung alle an der Wertschöp-fungskette beteiligten Akteure einzubinden. Dies beinhaltet auch das Ziel, wirtschaftliche Al­ternativen für alle von diesem Prozess betroffenen Unternehmen zu generieren und auf diese Weise die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen zu erhalten

 

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Beteiligte:
Christian Loose