Auswirkungen der 9-Euro-Tickets auf den öffentlichen Personennahverkehr in NRW

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 267
der Abgeordneten Klaus Esser und Dr. Christian Blex vom 03.08.2022

 

Auswirkungen der 9-Euro-Tickets auf den öffentlichen Personennahverkehr in NRW

Der VRR hatte schon 1,5 Millionen 9-Euro-Tickets im Vorfeld der NRW-Sommerferien verkauft (Stand 24. Juni). Die DB prognostizierte auch deshalb eine hohe Auslastung und sehr volle Nahverkehrszüge – und das nicht nur zu Beginn der Ferien, sondern während des ganzen Gültigkeitszeitraums der sogenannten 9-Euro-Tickets mit starken Auswirkungen etwa auf die Regionalzugstrecken von Hamm über Dortmund, Düsseldorf nach Köln und Bonn sowie die Verbindungen nach Koblenz, nach Mainz, in die Eifel und das Münsterland.

Schon an den Juni-Wochenenden waren auf der Rheinschiene viele Züge so voll, dass laut Rheinischer Post keine Menschen mehr einsteigen konnten. Reisenden wurde geraten, keine Fahrräder mitzunehmen bzw. an bestimmten Tagen zu reisen (Dienstag/Mittwoch)1.

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert den Öffentlichen Personennahverkehr und dabei insbesondere den Schienenpersonennahverkehr mit rund 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro jährlich.2 Neben der lokalen und regionalen Erreichbarkeit soll so insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes gestärkt werden.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Schon im Mai 2022 hatten im Vorfeld der Einführung des 9-Euro-Tickets der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) sowie der Verband der Verkehrsunternehmen Deutschlands (VDV) vor allem zum Wochenende große Probleme prognostiziert.3 Wurde ein Monitoring des Öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere des Öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs, durchgeführt bzw. erfolgt eine gesonderte Fahrgastzählung im Rahmen der Einführung des 9-Euro-Tickets während der Sommermonate 2022?
  2. Das 9-Euro-Ticket ist Teil eines Entlastungspakets der Bundesregierung als Reaktion auf die gestiegenen Kraftstoff- und Energiepreise. Welche finanziellen Belastungen infolge der Senkung der mit dem 9-Euro-Ticket einhergehenden ÖPNV-Preise haben Verkehrsunternehmen/-verbünde in NRW voraussichtlich bis zum 31.08.2022 zu tragen?
  3. Wurde Beschwerden wegen bspw. verpassten Zugverbindungen oder verweigerter Mitnahme in NRW aufgrund von Überfüllung nachgegangen?
  4. Wie erfolgte eine Erfassung und Nachverfolgung von Beschwerden abseits der gängigen Beschwerdemöglichkeiten in den NRW Verkehrsverbünden und bei der DB?
  5. Gab es einen regelmäßigen Austausch zwischen DB, den Verkehrsverbänden und Fahrgastorganisationen?

Klaus Esser
Christian Blex

 

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1 https://rp-online.de/wirtschaft/9-euro-ticket-deutsche-bahn-fuerchtet-zum-ferienstart-in-nrw-volle-zuege_aid-71797093

2 https://www.vm.nrw.de/verkehr/Oeffentlicher-Personennahverkehr/index.php

3 https://www.derwesten.de/region/deutsche-bahn-nrw-news-9-euro-ticket-fahrplan-preis-id235192533.html


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 267 mit Schreiben vom 26. August 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Schon im Mai 2022 hatten im Vorfeld der Einführung des 9-Euro-Tickets der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) sowie der Verband der Verkehrsunternehmen Deutschlands (VDV) vor allem zum Wochenende große Probleme prognostiziert. Wurde ein Monitoring des Öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere des Öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs, durchgeführt bzw. erfolgt eine gesonderte Fahrgastzählung im Rahmen der Einführung des 9-Euro-Tickets während der Sommermonate 2022?

Nach dem Gesetz über den Öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) obliegen die Planung, Organisation und Ausgestaltung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) den kommunalen SPNV-Aufgabenträgern, d. h. dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR (VRR AöR), dem Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) sowie dem Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL). Dazu schließen die Aufgabenträger mit den Verkehrsunternehmen des SPNV Verkehrsverträge ab. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Weiteren – Busse und Straßenbahn – ist ebenfalls kommunal verantwortet.

Auch die Erhebung von Fahrgastzahlen liegt daher im Bereich der kommunalen Aufgabenträgerschaft. Dem Land liegen diese für den kommunalen ÖPNV nicht vor. Gleiches gilt für die gesamthaften Fahrgastzahlen im Bereich des SPNV. Hintergrund ist das Erfordernis umfänglicher automatischer Fahrgastzählsysteme als Voraussetzung einer Monitoring-tauglichen Erfassung; derartige Systeme sind in der aktuellen Fahrzeugausstattung jedoch nur teilweise vorhanden.

Unabhängig hiervon findet eine Begleitung der betrieblichen Situation im Schienenpersonennahverkehr zum 9-Euro-Ticket im Rahmen eines mindestens wöchentlichen Austauschs zwischen den Akteuren des ÖPNV statt; hierzu wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen.

Zudem ist der Durchführungszeitraum des 9-Euro-Tickets durch eine bundesweite Marktforschung flankiert, die durch den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn im Auftrag von Bund und Ländern durchgeführt wird. Gemäß den Zwischenergebnissen der genannten Marktforschung waren 73 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer des 9-Euro-Tickets mit dem Platzangebot bei der letzten durchgeführten Fahrt mindestens zufrieden. Die Gesamtzufriedenheit mit der Fahrt selber lag bei 88 Prozent.

  1. Das 9-Euro-Ticket ist Teil eines Entlastungspakets der Bundesregierung als Reaktion auf die gestiegenen Kraftstoff- und Energiepreise. Welche finanziellen Belastungen infolge der Senkung der mit dem 9-Euro-Ticket einhergehenden ÖPNV-Preise haben Verkehrsunternehmen/-verbünde in NRW voraussichtlich bis zum 31.08.2022 zu tragen?

Die Fahrgeldverluste aus der Einführung des 9-Euro-Tickets werden den Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen aus Bundesmitteln in voller Höhe ausgeglichen. Der Bund hat dafür über eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes (RegG) den Ländern insgesamt 2,5 Milliarden Euro zur Finanzierung der aus dem 9-Euro-Ticket resultierenden Mehrbelastungen insbesondere aus Fahrgeldverlusten bereitgestellt. Nordrhein-Westfalen erhält hiervon nach § 8 Absatz 3 RegG einen Anteil in Höhe von 468,1 Millionen Euro. Die Länderverteilung dieser Mittel wird nach § 8 Absatz 4 RegG zwischen den Ländern angepasst, wenn die tatsächliche Verteilung der Fahrgeldausfälle in den Ländern von der ursprünglichen Mittelverteilung abweicht. Der Ausgleich der Mehrbelastung erfolgt vorläufig auf der Grundlage von Prognosen der Verbünde, die derzeit erstellt werden. Die Landesregierung kann erst nach Prüfung der zum 30.09.2022 zu stellenden Anträge auf den Ausgleich der Mehrbelastung Aussagen über die konkrete Höhe der geschätzten Fahrgeldausfälle treffen.

  1. Wurde Beschwerden wegen bspw. verpassten Zugverbindungen oder verweigerter Mitnahme in NRW aufgrund von Überfüllung nachgegangen?

Die im Ministerium eingehenden Beschwerden werden zunächst an das zuständige Referat weitergeleitet. Dieses bearbeitet jede einzelne Beschwerde sorgfältig; der jeweilige Sachverhalt wird fachlich und – soweit erforderlich – rechtlich bewertet. Dabei werden je nach Erfordernis die für die Ausgestaltung des SPNV gemäß ÖPNVG NRW verantwortlichen SPNV-Aufgabenträger in ihrer jeweiligen Zuständigkeit einbezogen. Damit ist zugleich sichergestellt, dass ggf. vorhandenen Mängeln spezifisch nachgegangen wird und diese beseitigt werden oder an Lösungsmöglichkeiten gearbeitet wird. Sobald im Ministerium alle erforderlichen Informationen vorliegen, wird ein individuelles und ausführliches Antwortschreiben erstellt, das der beschwerdeführenden Person zur Verfügung gestellt wird.

  1. Wie erfolgte eine Erfassung und Nachverfolgung von Beschwerden abseits der gängigen Beschwerdemöglichkeiten in den NRW Verkehrsverbünden und bei der DB?

Im Regelfall wenden sich die Fahrgäste bei Beschwerden direkt an das jeweilige Eisenbahnverkehrsunternehmen. Darüber hinaus können sie ihre Beschwerden auch an den entsprechenden Verkehrsverbund richten. Die zuständige Stelle in der jeweiligen Organisation bearbeitet im Folgenden die Beschwerden.

Abseits dieser Beschwerdemöglichkeit können sich die Fahrgäste ebenfalls mit ihren Beschwerden an das Ministerium wenden, wo diese vom zuständigen Referat in geeigneter Weise erfasst und anschließend bearbeitet werden (siehe hierzu Antwort zu Frage 3).

  1. Gab es einen regelmäßigen Austausch zwischen DB, den Verkehrsverbänden und Fahrgastorganisationen?

Seit mehr als zwei Jahren findet – angestoßen durch die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen auf den Öffentlichen Personennahverkehr – mindestens einmal in der Woche ein digitaler Austausch zwischen folgenden Akteuren im Öffentlichen Personennahverkehr statt: das für Verkehr zuständige Ministerium, Verkehrsverbünde / SPNV-Aufgabenträger (NVR, NWL, VRR), NRW-Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), Deutsche Bahn (DB) Netz, DB Station & Service, Bundespolizei, Kompetenzcenter Marketing und Sicherheit.

Anlassbezogen nehmen weitere Organisationen an dem Austausch teil, insbesondere der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Kommunale Spitzenverbände und Kommunen.

 

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