Beauftragter des Integrationsministeriums in Fragen des muslimischen Engagements beteiligt sich an Kampagne eines Netzwerks mit islamistischen Bezügen

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 361
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 24.08.2022

 

Beauftragter des Integrationsministeriums in Fragen des muslimischen Engagements beteiligt sich an Kampagne eines Netzwerks mit islamistischen Bezügen

Am 24.06.2020 postete das Integrationsministerium (MKFFI) auf Facebook die Unterstützung einer Aktionswoche des CLAIM-Netzwerks mit dem Thema „antimuslimischer Rassismus“. In dem Post waren auf einem Bild die damalige Staatssekretärin Serap Güler (CDU) und der damalige Integrationsminister Dr. Joachim Stamp (FDP) zu sehen, ausgestattet mit einem Schild, das die Aufschrift „Heute wieder“ trug. So machten sie in ihrer Funktion als Staatssekretärin bzw. Integrationsminister Werbung für die Aktionswoche von CLAIM.1

Wie aus den Antworten der Landesregierung auf mehrere Kleine Anfragen hervorgeht, weisen mindestens drei Mitglieder des CLAIM-Netzwerks Bezüge zu vom Verfassungsschutz beobachteten Personenzusammenschlüssen auf. Aus einem Artikel bei Tichys Einblick geht hervor, um welche Mitglieder es sich dabei handeln könnte.2

Über das CLAIM-Mitglied „Muslimische Jugend in Deutschland (MJD)“ soll es Verbindungen zur Muslimbruderschaft geben, da sie als Jugendorganisation der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) gilt.3 Die IGD änderte im Jahre 2018 zum dritten Mal ihren Namen zu Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG)4 und gehörte bis zum 23. Januar 2022 zum Zentralrat der Muslime (ZMD).

Inssan e.V., Mitglied im Delegiertenkreis von CLAIM, soll ebenfalls Bezüge zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) und somit zur Muslimbruderschaft aufweisen.5 Im CLAIM-Expertengremium sitzt ein ehemaliger Funktionär von Milli Görüș (IGMG).6 Auch ein österrei­chischer Politikwissenschaftler, dem eine Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt wird,7 hat bereits im Rahmen der Projekts „I Report“ mit CLAIM zusammengearbeitet.8 Unter Beteiligung von u. a. Helge Lindh (MdB, SPD), Christine Buchholz (ehemalige MdB, Die Linke), einer Vertreterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZim) und der Organisation FAIR International wurde dabei an einer Arbeitsdefinition von „antimuslimischem Rassismus“ gearbeitet. Aktuell wird ein Tool zu einer „einheitlichen Datenerhebung mit den ausgearbeiteten Indikatoren“ entwickelt. Gearbeitet wird zudem an einer Datenbank, in die Daten zu „antimuslimische[n] Diskriminierungen und Straftaten aus Deutschland und Österreich“ fließen sollen.9 Es handelt sich quasi um eine weitere nicht­staatliche Meldestelle, gefördert u. a. von der Stiftung Mercator (Sitz in Essen) und aus Mitteln der EU.10 Beratend mitgewirkt an dem Projekt hat auch Inssan e.V. Meldewürdige Vorfälle werden dabei wie folgt definiert:

„Antimuslimischer Rassismus kann auf vielfältige Weise in Erscheinung treten: durch eine Handlung, Beleidigung, eine Geste bis hin zur körperlichen Gewalt. Gemeldet werden kann jeder Fall, den Sie als antimuslimisch wahrnehmen. Mit Ihrer Meldung helfen Sie, antimuslimischen Rassismus besser beleuchten zu können.“

Die subjektive, persönliche Wahrnehmung, nicht aber die Strafwürdigkeit eines Vorfalls dient somit als Kriterium. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage nach einer möglicherweise erfolgten oder beabsichtigten Zusammenarbeit mit der Landesregierung im Rahmen der neuen Meldestelle „Antimuslimischer Rassismus“ auf. Es ist in diesem Zusammenhang auch erstaunlich, wie sehr sich die Landesregierung durch den Begriff „antimuslimischer Rassismus“ in die Irre führen lässt.11

CLAIM arbeitet auch mit dem European Network Against Racism (ENAR) zusammen.12 Der Direktor dieses Netzwerks13 soll neun Jahre Mitglied der Muslimbruderschaft gewesen sein. Bei ENAR war er seit Januar 2006. Im August 2012 verkündete er seinen „Austritt“ – aus der Muslimbruderschaft.14

Des Weiteren besteht eine Verbindung zwischen CLAIM und dem „Collectif Contre l’Islamophobie en Belgique“ (CCIB). Hierbei soll es sich um einen Ableger von CCIF handeln, das in Frankreich durch Selbstauflösung einem Verbot zuvorkam.15 Angeblich würden enge Beziehungen zur Muslimbruderschaft sowie Terrorverdacht bestehen.16

In einer Immobilie in Köln-Holweide ist mit „FAIR international – Federation against Injustice and Racism e. V.“ zudem mindestens eine Mitgliedsorganisation aus dem CLAIM-Netzwerk am Standort der Europazentrale der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüș (IGMG)17 beheimatet.18

Obwohl die islamistischen Bezüge des CLAIM-Netzwerks auch der Landesregierung bekannt sein sollten, beteiligte sich in Person des Beauftragten des Integrationsministeriums in Fragen des muslimischen Engagements, Herrn Prof. Dr. Aladin El Mafaalani19, erneut ein Vertreter der Landesregierung an einer CLAIM-Kampagne, wie seinerzeit schon Dr. Joachim Stamp und Serap Güler.20 Auch auf El-Mafaalanis Twitter-Seite wurde ein entsprechender CLAIM-Beitrag retweetet, ohne nähere Beleuchtung der islamistischen Kontakte des Netzwerks. Das ist umso erstaunlicher, als es von Seiten des Verfassungsschutzes schon seit längerer Zeit eindringliche Warnungen vor dem Einfluss des legalistischen Islam gibt.21 Dabei werden insbesondere auch die Muslimbruderschaft sowie Milli Görüș erwähnt.

Des Weiteren zeigten sowohl die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration und Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, Reem Alabali-Radovan (SPD), als Schirmherrin, MdB Helge Lindh (SPD) in Form eines Unterstützervideos als auch die Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth – die unlängst im Rahmen der Documenta im Focus stand22 – keinerlei Berührungsängste mit dem CLAIM-Netzwerk.

CLAIM wird nach wie vor vom Bundesfamilienministerium im Rahmen des Projekts „Demokratie Leben!“ gefördert. Eine mögliche Nähe zur Muslimbruderschaft wird dabei folglich auch von der Bundesregierung ignoriert. So unterstützte auch die Bundesfamilienministerin, Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), persönlich die aktuelle Kampagne von CLAIM.23

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche weitergehenden Informationen bezüglich islamistischer Bezüge des CLAIM-Netzwerks konnte das Innenministerium bzw. das Landesamt für Verfassungsschutz seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage 4095 vom 14. Juli 2020 gewinnen?
  2. Inwiefern sind die oben aufgeführten islamistischen Bezüge der Landesregierung bekannt?
  3. Wie rechtfertigt die Landesregierung die Teilnahme des Beauftragten des Integrationsministeriums in Fragen des muslimischen Engagements, Herrn Prof. Dr. Aladin El Mafaalani, an einer Kampagne des CLAIM-Netzwerks trotz der bekannten islamistischen Bezüge?
  4. Wie an der neuen Meldestelle „anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ hat sich das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZim) auch am Projekt „I Report“ Hier wurde u. a. die Arbeitsdefinition von „antimuslimischem Rassismus“ entwickelt. Inwiefern floss bzw. fließt die Arbeit der am Projekt „I Reportbeteiligten Organisationen und Einzelpersonen in die Arbeit der Landesregierung und hierbei speziell in den Aufbau der neuen Meldestellen ein?
  5. Mit welchen der aktuell 47 Organisationen des CLAIM-Netzwerks arbeitet die Landesregierung aktuell zusammen? (Bitte Art und Umfang der jeweiligen Zusammenarbeit benennen)

Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 Vgl. Lt.-Drucksachen 17/10672, 17/11593, 17/12708 und 17/13596

2 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/wie-seehofer-islamisten-auf-den-leim-geht-und-foerdert/

3 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/meinungen/muslimbruderschaft-eu-kommission-einfluss/

4 Vgl. Verfassungsschutzbericht NRW 2021; S. 242 ff.; Muslimbruderschaft

5 Vgl. https://mena-studies.org/de/dubiose-stiftung-der-muslimbruderschaft-aus-grossbritannien-in-deutschland-aktiv/

6 Vgl.

https://www.researchgate.net/publication/327285568_Neue_islamische_Akteure_Umbruch_an_der_B  asis

7 Vgl. https://www.derstandard.at/story/2000135098116/farid-hafez-streitbarer-politologe-unter-verdacht

8 Vgl. https://www.claim-allianz.de/aktuelles/news/projektupdate-i-report/

9 Vgl. https://www.claim-allianz.de/aktuelles/news/projektupdate-i-report/

10 Vgl. https://www.i-report.eu/

11 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/wie-seehofer-islamisten-auf-den-leim-geht-und-foerdert/ und https://www.audiatur-online.ch/2020/09/28/begriff-antimuslimischer-rassismus-ein-islamistisches-pferd/

12 Vgl. https://www.claim-allianz.de/aktuelles/news/enar-formuliert-handlungsempfehlungen-um-islam-und-muslimfeindlichkeit-auf-der-politischen-agenda-zu-halten/

13 Vgl. https://www.gwi-boell.de/de/person/michael-privot

14 Vgl. https://www.mena-watch.com/ngo-die-mit-muslimbruderschaft-verbandelt-ist-veroeffentlicht-eu-finanzierten-bericht-zur-terrorismusbekaempfung/

15 Vgl. https://www.claim-allianz.de/content/uploads/2021/09/agenda_combatting-islamophobia_official.pdf?x38273

16 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nach-mord-an-lehrer-frankreich-loest-islam istischen-verband-auf-17024230.html

17 Vgl. Verfassungsschutzbericht NRW 2021; S. 248 ff.;

https://www.im.nrw/system/files/media/document/file/vs_bericht_nrw_2021.pdf

18 Vgl. Lt.-Drucksache 17/13826

19 Vgl. https://www.mkffi.nrw/system/files/media/document/file/220809-orgaplan_0.pdf

20 Vgl. https://www.claim-allianz.de/aktuelles/news/germanyisformany-aktionswoche-mobilisierte-bundesweit-gegen-antimuslimischen-rassism us/

21 Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article222507968/Innere-Sicherheit-Verfassungsschuetzer-warnen-vor-Islamisten-im-Schafspelz.html

22 Vgl. Lt.-Drucksache 18/484

23 Ebenda


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 361 mit Schreiben vom 29. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregie­rung beantwortet.

  1. Welche weitergehenden Informationen bezüglich islamistischer Bezüge des CLAIM-Netzwerks konnte das Innenministerium bzw. das Landesamt für Verfas­sungsschutz seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage 4095 vom 14. Juli 2020 gewinnen?
  2. Inwiefern sind die oben aufgeführten islamistischen Bezüge der Landesregierung bekannt?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Der Landesregierung ist bekannt, dass drei Mitglieder des CLAIM-Netzwerks geringfügige Be­züge in den Islamismus und Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen aufweisen. Diese Bezüge ha­ben sich seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage 4095 im August 2020 nicht intensiviert und sind vereinzelt sogar schwächer geworden. Dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen liegen weiterhin keine Erkenntnisse vor, dass das CLAIM-Netzwerk islamistisch beeinflusst wird.

  1. Wie rechtfertigt die Landesregierung die Teilnahme des Beauftragten des Integra­tionsministeriums in Fragen des muslimischen Engagements, Herrn Prof. Dr. Ala-din El Mafaalani, an einer Kampagne des CLAIM-Netzwerks trotz der bekannten islamistischen Bezüge?

Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen.

  1. Wie an der neuen Meldestelle „anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus“ hat sich das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrations-forschung (DeZim) auch am Projekt „I Report“ beteiligt. Hier wurde u. a. die Ar­beitsdefinition von „antimuslimischem Rassismus“ entwickelt. Inwiefern floss bzw. fließt die Arbeit der am Projekt „I Report“ beteiligten Organisationen und Ein­zelpersonen in die Arbeit der Landesregierung und hierbei speziell in den Aufbau der neuen Meldestellen ein?

Die Beantwortung dieser Frage ist Teil der aktuell laufenden konzeptionellen Aufbauarbeiten für die künftigen Meldestellen. Zum Inhalt der Aufbauarbeiten wird auf die Antwort zur KA 156, Lt-Drs.18/688, verwiesen.

  1. Mit welchen der aktuell 47 Organisationen des CLAIM-Netzwerks arbeitet die Lan­desregierung aktuell zusammen? (Bitte Art und Umfang der jeweiligen Zusam­menarbeit benennen)

Die Landesregierung unterscheidet hinsichtlich ihrer Bezüge zu einigen der Mitgliedsorgani­sationen des CLAIM-Netzwerks zwischen Dialogbeziehungen, u.a. zu Engagierten im Arbeits­bereich der Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement (KME NRW), Förderungen mit Landesmitteln und sonstigen Kooperationen wie z.B. der Zusammenarbeit beim Islamischen Religionsunterricht oder beim Präventionsprogramm Wegweiser. Siehe Anlage 1. Bei den aufgeführten Organisationen handelt es sich zum überwiegenden Teil um langjährige Träger der Integrations-, Kinder-, Jugend- sowie Familien- und Weiterbildungsarbeit in Nord­rhein-Westfalen.

 

Antwort samt Anlage als PDF