Beihilfe zum illegalen Aufenthalt per Kirchenasyl – Gibt es auch in NRW bereits Wartelisten?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1742

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Dr. Hartmut Beucker, AfD

Beihilfe zum illegalen Aufenthalt per Kirchenasyl Gibt es auch in NRW bereits Wartelisten?

Laut Medienberichten gibt es mittlerweile lange Wartelisten beim sogenannten „Kirchenasyl“.1 „Unsere Wartelisten sind voll, wir müssen viele Menschen abweisen“, erklärte die ökumenische Arbeitsgemeinschaft Kirchenasyl dazu auf Anfrage von FOCUS online.

Deutschlandweit seien mittlerweile 511 aktive Asylbegehren mit 786 Betroffenen, davon 154 Kinder, anhängig, erklärte die „Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V.“ (BAG).

„Die Kirchen sind voll, inzwischen müssen wir viele Menschen abweisen und haben lange Wartelisten“, sagte eine Sprecherin der Hauptgeschäftsstelle in Berlin.

Wie weiterhin berichtet wird, handelt es sich bei 487 der 511 Asylfälle um „Dublin-Fälle“ oder, anders ausgedrückt um das Absitzen von Rücküberstellungsfristen in das gem. Dublin-III-Verordnung zuständige EU-Ersteinreiseland.

Die evangelischen und katholischen Kirchen maßen sich folglich an, Rücküberstellungen zu verhindern, wenn nach ihrer Sicht „begründete Zweifel an einer gefahrlosen Rückkehr bestehen“. So heißt es auf der BAG-Homepage: „Für diese Menschen sind die Kirchen die einzige Möglichkeit, die sie vor einer Abschiebung schützt“, so die Sprecherin der BAG.2

Weiterhin wird berichtet, dass immer mehr Gotteshäuser inzwischen ihre Kapazitätsgrenzen erreicht hätten, weil die Betroffenen bis zu sechs Monate in den Kirchen blieben. In der Folge müsse man Hilfesuchende anweisen, es gebe gar lange Wartelisten.

Mit ihrem eigenmächtigen Vorgehen tragen die Kirchen dazu bei, dass 9 von 10 Abschiebungen scheitern. Wie die Bundesregierung eingestehen musste, sind im Jahr 2022 insgesamt 23.377 Abschiebungen vor oder nach Übergabe der Personen an die Bundespolizei nicht vollzogen worden. Bezogen auf NRW handelte es sich um 3.139 Fälle vor der Übergabe an die Bundespolizei und 200 Fälle nach der Übergabe an die Bundespolizei.3

Betrachtet man nur die gescheiterten Dublin-Rücküberstellungen, scheiterten diese im Jahr 2022 in 1.409 von 18.598 Fällen am Kirchenasyl.4

Das OLG München hat mit Urteil vom 03.05.18 (Az.: 4 OLG 13 Ss 54/18) die fehlende Rechtsgrundlage für die Gewährung von Kirchenasyl und die grundsätzliche Strafbarkeit eines Ausländers im Kirchenasyl wegen unerlaubten Aufenthalts bestätigt. Zur Rechtmäßigkeit des Kirchenasyls generell hat das OLG München eindeutig Stellung bezogen. Im Urteil heißt es:

„Kirchenasyl ist kein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Recht. Die Grundrechte werden durch den Staat garantiert. Zu diesen gehört die Gewährung staatlichen Asyls in seiner gesetzlich geregelten praktischen Anwendung. Niemand, auch nicht die Kirche oder sonstige gesellschaftliche Interessengruppen, kann hier oder in anderen Bereichen außerhalb dieser Ordnung Sonderrechte für sich beanspruchen und etwa Asyl gewähren, oder sonst Allgemeinverbindlichkeit für das beanspruchen, was er jeweils gerade für richtig oder falsch hält, noch kann er bestimmen, was erlaubt ist und was nicht. Würde man anderes zulassen, wäre eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung die Folge und ein Klima fehlender Rechtstreue geschaffen, Grundrechtsschranken würden ignoriert. Das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit und damit die öffentliche Ordnung als Grundlage des geordneten Zusammenlebens der Bürger in Freiheit würde beschädigt, die durch das Grundrecht aus Art. 2 GG garantiert ist. Demzufolge besteht Kirchenasyl im historischem Sinne als gegenüber staatlichen Institutionen geltendes und zu beachtendes Recht nicht. […]

Wird durch die Gewährung oder Inanspruchnahme von Kirchenasyl gegen geltende Gesetze verstoßen, so handelt es sich tatbestandsmäßig also um eine bewusste und gewollte, mindestens billigend in Kauf genommene Gesetzesverletzung, also um Unrecht. Der Staat ist folglich durch das Kirchenasyl an sich weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung durchzuführen, Kirchenasyl verbietet dem Staat kein Handeln und zwingt ihn auch nicht zum Dulden. Er verzichtet lediglich bewusst darauf, das Recht durchzusetzen, solange ein Ausreiseverpflichteter sich in kirchlichen Räumlichkeiten im Kirchenasyl aufhält. Es existiert somit kein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das Kirchenasyl gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen und hierzu gegebenenfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden. Der Umstand, dass die für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörden davor zurückschrecken oder aus Respekt vor christlich-humanitären Traditionen und wegen der gegenüber profanen Räumlichkeiten gesteigerten Friedensfunktion von Kirchenräumen davon absehen, die ihnen zur Verfügung stehenden Rechte und Möglichkeiten bei Personen im Kirchenasyl auszuschöpfen, also insbesondere auch unmittelbaren Zwang in kirchlichen Räumen anzuwenden, macht die Überstellung nicht unmöglich.“5

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Abschiebungen scheiterten zwischen 2015 und 2022 in NRW am Kirchenasyl? (Bitte nach Jahr, Anzahl, Staatsangehörigkeit und Zielland der Abschiebung differenziert listen)
  2. Wie viele Dublin-Rücküberstellungen scheiterten zwischen 2015 und 2022 in NRW am Kirchenasyl, insbesondere durch das Ablaufen von Rücküberstellungsfristen? (Bitte nach Jahr, Anzahl, Staatsangehörigkeit und Zielland der Dublin-Rücküberstellung differenziert listen)
  3. Zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2022 befanden sich in NRW 558 Personen im Kirchenasyl.6 Das war ein dramatischer Anstieg gegenüber den Zahlen der Vorjahre.7 Wie viele Kirchenasyl-Fälle gab es im ersten Quartal 2023 in NRW? (Bitte differenziert nach den katholischen bzw. evangelischen Kirchen listen)
  4. Wie bewertet die Landesregierung die Duldung der Kirchen beim Kirchenasyl vor dem Hintergrund juristisch abgeschlossener Asylverfahren und der bestehenden Möglichkeit zur Anrufung der Härtefallkommission bzw. des Petitionsausschusses?
  5. Welche Anstrengungen wird die Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode auf Bundesebene zur Aufkündigung der Kirchenasyl-Vereinbarung der katholischen und der evangelischen Kirche mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unternehmen?

Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Hartmut Beucker

 

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1 Vgl. https:// www .focus.de/politik/deutschland/kirchen-voll-mit-fluechtlingen-vor-allem-dublin-faelle-retten-sich-in-gotteshaeuser_id_190994304.html

2 Ebd.

3 Vgl. Drucksache Deutscher Bundestag 20/5859

4 Ebd.

5 Vgl. Lt.-Drucksache 17/3799

6 Vgl. Drucksache Deutscher Bundestag 20/5516

7 Vgl. Drucksache Deutscher Bundestag 20/362


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1742 mit Schreiben vom 6. Juni 2023 namens der Landesregierung beantwor­tet.

  1. Wie viele Abschiebungen scheiterten zwischen 2015 und 2022 in NRW am Kirchen­asyl? (Bitte nach Jahr, Anzahl, Staatsangehörigkeit und Zielland der Abschiebung differenziert listen)

Daten im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor.

  1. Wie viele Dublin-Rücküberstellungen scheiterten zwischen 2015 und 2022 in NRW am Kirchenasyl, insbesondere durch das Ablaufen von Rücküberstellungsfristen? (Bitte nach Jahr, Anzahl, Staatsangehörigkeit und Zielland der Dublin-Rücküber-stellung differenziert listen)

Daten im Sinne der Fragestellung liegen hier nicht vor.

  1. Zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2022 befanden sich in NRW 558 Personen im Kirchenasyl. Das war ein dramatischer Anstieg gegenüber den Zah­len der Vorjahre. Wie viele Kirchenasyl-Fälle gab es im ersten Quartal 2023 in NRW? (Bitte differenziert nach den katholischen bzw. evangelischen Kirchen lis­ten)

Im ersten Quartal 2023 wurden der Landesregierung 48 Kirchenasyl-Fälle angezeigt.

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Duldung der Kirchen beim Kirchenasyl vor dem Hintergrund juristisch abgeschlossener Asylverfahren und der bestehenden Möglichkeit zur Anrufung der Härtefallkommission bzw. des Petitionsausschus­ses?

Diese Landesregierung bewertet das Vorgehen der Kirchen beim Kirchenasyl nicht.

  1. Welche Anstrengungen wird die Landesregierung in der laufenden Legislaturperi­ode auf Bundesebene zur Aufkündigung der Kirchenasyl-Vereinbarung der katho­lischen und der evangelischen Kirche mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unternehmen?

Es wird auf die Beantwortung zur Frage 4 verwiesen.

 

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