Bekleidungsvorschriften beim Schwimmunterricht an Schulen

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 430
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Carlo Clemens vom 12.09.2022

 

Bekleidungsvorschriften beim Schwimmunterricht an Schulen

Wie aus der Zuschrift eines Bürgers aus Königswinter vom 09.08.2022 hervorgeht, gibt es beim Schul-Schwimmunterricht besondere Verhaltens- und Bekleidungsvorschriften. Darüber wurden die Eltern und Erziehungsberechtigten im Rahmen eines Rundschreibens informiert.

So muss eine schriftliche Entschuldigung vorgelegt werden, wenn die Teilnahme am Schwimmunterricht beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist.

Schüler, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen können, werden zum Tragen „leichter Freizeitbekleidung“ angehalten (kurze Shorts und T-Shirt sowie Badelatschen).

Als eigentliche Badebekleidung sind vorgesehen:

Bei Mädchen: Badeanzug oder Burkini (aber ausdrücklich kein Bikini)
Bei Jungen: Badehose (aber ausdrücklich keine Schwimmshorts)

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. In welchem Umfang gibt es landesweit einheitliche Bekleidungsvorschriften bzw. Richtlinien für das Schulschwimmen in NRW?
  2. Welche Entschuldigungsgründe (zur Nichtteilnahme am Schwimmunterricht) müssen von Seiten der jeweiligen Schule akzeptiert werden? (Bitte insbesondere für den Bereich der Entschuldigungsgründe aus religiösen Gründen ausführen)
  3. Wie bewertet die Landesregierung die Bekleidungsvorschrift beim Schwimmunterricht in Königswinter, wonach Burkinis erlaubt, Bikinis aber verboten sind?
  4. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, mit Burkini am Schwimmunterricht teilnehmen zu können, insbesondere vor dem Hintergrund vielfach geäußerter Bedenken hinsichtlich der Hygiene und der Sicherheit?
  5. Inwiefern kann – nach Ansicht der Landesregierung – das Tragen von Burkinis zur Desintegration der Schülerinnen beitragen?

Enxhi Seli-Zacharias
Carlo Clemens

 

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Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 430 mit Schreiben vom 6. Ok­tober 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Erlernen des Schwimmens ist ein wichtiges Ziel des schulischen Bildungs- und Erzie­hungsauftrags, das nach Möglichkeit von allen Schülerinnen und Schülern erreicht werden soll. Die Beherrschung des sicheren Schwimmens ist nicht nur Kultur- und Überlebenstechnik, sondern auch ein zentrales Mittel zur Herstellung gesellschaftlicher Teilhabe.

Alle Hinweise zur Sicherheit im Schulsport u.a. auch im Fach Schwimmen finden sich in den „Rechtlichen Regelungen zur Sicherheitsförderung im Schulsport“ (Heft 1033)1. Darin wird u.a. ausgeführt, dass die Schulen im Rahmen der allgemeinen Vorgaben und ihrer eigenverant­wortlichen Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit unter Berücksichtigung lokaler Vorgaben (z.B. seitens der Badbetreiber) vor Ort spezifische Regelungen hinsichtlich einer geeigneten Schwimmkleidung treffen.

  1. In welchem Umfang gibt es landesweit einheitliche Bekleidungsvorschriften bzw. Richtlinien für das Schulschwimmen in NRW?

Die Durchführung des Schwimmunterrichts in der Schule unterliegt den Rahmenvorgaben für den Schulsport, den schulformspezifischen Lehrplänen für das Fach Sport sowie den Vorga­ben zur Sicherheitsförderung im Schulsport. Darin heißt es: „Grundsätzlich müssen alle Schü­lerinnen und Schüler, die die Schwimmstätte aufsuchen, geeignete Schwimmkleidung tragen. Für passive Schülerinnen und Schüler genügt leichte Sportbekleidung.“

(htt ps:// www. schulsport-nrw .de / fileadmin/user_upload/1033_Inhalt .pdf, S.24).

Gegebenenfalls sind etwaige weitergehende Vorgaben seitens des Badbetreibers zu beach­ten.

  1. Welche Entschuldigungsgründe (zur Nichtteilnahme am Schwimmunterricht) müssen von Seiten der jeweiligen Schule akzeptiert werden? (Bitte insbesondere für den Bereich der Entschuldigungsgründe aus religiösen Gründen ausführen)

Die Regelungen zur Teilnahme am Unterricht und an sonstigen Schulveranstaltungen finden sich in § 43 Schulgesetz und werden durch den Erlass „Teilnahme am Unterricht und an sons­tigen Schulveranstaltungen“ (BASS 12 – 52 Nr.1.) konkretisiert. Der Erlass „Freistellung im Schulsport“ (BASS 12 – 52 Nr.32) präzisiert die Voraussetzungen für eine Freistellung vom Schulsport aus gesundheitlichen Gründen. Danach können verletzte und spezifisch erkrankte Schülerinnen und Schüler, die am Unterrichtsbetrieb außerhalb des Sportunterrichts teilneh­men, zeitweise von der aktiven Teilnahme am Sportunterricht befreit werden, wenn ihnen die gesundheitlichen Voraussetzungen zur Teilnahme an der aktuellen Unterrichtsthematik im Sportunterricht fehlen.

Aufgrund religiöser Verhaltensgebote kann nur in Ausnahmefällen die Befreiung von einer Un­terrichtsveranstaltung verlangt werden. Einer Schülerin muslimischen Glaubens ist die Teil­nahme am koedukativen Schwimmunterricht in einer Badebekleidung zumutbar, die muslimi­schen Bekleidungsvorschriften entspricht (BVerwG, Urteil vom 11. September 2013 – 6 C 25/12).

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Bekleidungsvorschrift beim Schwimmun­terricht in Königswinter, wonach Burkinis erlaubt, Bikinis aber verboten sind?
  2. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, mit Burkini am Schwimmunter­richt teilnehmen zu können, insbesondere vor dem Hintergrund vielfach geäußer­ter Bedenken hinsichtlich der Hygiene und der Sicherheit?

Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Auf die Vorbemerkung der Landesregierung und die Antwort auf Frage 2 wird verwiesen. Die Landesregierung sieht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes im Tragen des Burkinis eine geeignete Möglichkeit, das Grundrecht auf Glaubensfreiheit sowie das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen miteinander in Einklang zu bringen. Eine Landesregelung zum Verbot der Badebekleidung Bikini während des Schwimmunterrichts be­steht nicht.

Bereits im Jahr 2014 erstellte die Universität Konstanz ein Gutachten zum Thema „Baden mit Burkini in öffentlichen Bädern“. Darin wird der Burkini als hygienisch unbedenklich eingestuft. Kleidungsstücke, die aus religiösen Gründen getragen werden (z.B. Kopfbedeckungen, Ganz-körper-Schwimmbekleidungen, weite Sportanzüge), dürfen die Sicherheit nicht beeinträchti­gen. Die Lehrkraft stellt sicher, dass die Sicherheitsanforderungen erfüllt sind.

  1. Inwiefern kann nach Ansicht der Landesregierung das Tragen von Burkinis zur Desintegration der Schülerinnen beitragen?

Das Tragen eines Burkinis erlaubt es muslimischen Mädchen, am Schwimmunterricht teilzu­nehmen und die Kulturtechnik des Schwimmens zu erlernen (siehe Antwort auf Frage 4). Das sichere Schwimmen eröffnet Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies wiederum fördert die gesellschaftliche Integration.

 

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