Berlin stiehlt sich aus der Verantwortung und schließt das Abschiebeterminal am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) – Kann NRW am Standort Düsseldorf aushelfen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1254

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 03.02.2023

Berlin stiehlt sich aus der Verantwortung und schließt das Abschiebeterminal am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) Kann NRW am Standort Düsseldorf aushelfen?

Wie die WELT berichtet, soll im April das Terminal 5 am Flughafen BER dichtgemacht werden. Dieses Terminal wird momentan für Sammelabschiebungen genutzt. Das Bundesinnenministerium bestätigt entsprechende Recherchen gegenüber WELT AM SONNTAG: „Der Mietvertrag zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH für das derzeit für Rückführungsmaßnahmen genutzte Terminal 5 am BER endet am 31. März 2023.“

Mit der „Inbetriebnahme“ einer Nachfolgeeinrichtung wird erst „Ende 2025“ gerechnet. Vor dem Hintergrund der Historie rund um den Bau des BER sind folglich mindestens für 21/2 Jahre keine größeren Sammelabschiebungen ab Berlin möglich.

Die vier wichtigsten Standorte für Sammelabschiebungen waren – neben Berlin – bisher Frankfurt, München und Düsseldorf.

Deutliche Kritik kam von Seiten der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Gewerkschaftschef Heiko Teggatz sagte gegenüber WELT AM SONNTAG, dass „größere Rückführungen illegaler Migranten aus Berlin künftig nur noch mittels enorm personalintensiver Verbringung nach Leipzig, Frankfurt oder auf andere Flughäfen stattfinden“. Ein am BER regelmäßig für Abschiebungen eingesetzter sogenannter Personenbegleiter Luft sagte: „Das gibt eine Katastrophe.“1

Manuel Ostermann (32), Vize-Chef der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft, sprach gegenüber der B.Z. von einer formvollendeten Katastrophe. „Wenn die Bundesregierung sich weigert, Grenzkontrollen einzuführen, eine europäische Lösung nicht ersichtlich ist und Kontingente der Sammelabschiebungen minimiert werden, dann wird uns die Migrationskrise zwangsläufig um die Ohren fliegen. Probleme nicht anzupacken, schafft nur mehr Probleme.“2

Im Zusammenhang mit der Schließung des Abschiebeterminals am BER stellt sich die Frage, inwiefern NRW unterstützend tätig werden kann, insbesondere über die Abwicklung zusätzlicher Sammelabschiebungen über den Flughafen Düsseldorf.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2017 bis 2022 über den Flughafen Düsseldorf abgeschoben? (Bitte differenziert nach Jahr, Sammelabschiebung und Einzelabschiebung listen)
  2. Welche Probleme treten im Zusammenhang mit der räumlichen Distanz des Flughafens Düsseldorf zur Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren auf?
  3. Wie ist der aktuelle Sachstand in Bezug auf den Bau und Betrieb des Abschiebegefängnisses am Standort Düsseldorf?
  4. Inwiefern gibt es mit den vorhandenen Einrichtungen und dem vorhandenen Personal sowie bei voller Inbetriebnahme des Abschiebegefängnisses am Standort Düsseldorf mindestens temporär die Möglichkeit, für den Flughafen BER geplante Sammelabschiebungen über den Flughafen Düsseldorf abzuwickeln?
  5. Inwiefern gab es mit dem Berliner Senat bereits Gespräche – im Rahmen der Amtshilfe – bis zur Inbetriebnahme des neuen Terminals am BER einen Teil der Sammelabschiebungen über den Flughafen Düsseldorf durchzuführen?

Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 Vgl. h t t p s :/ / w w w . w e l t . d e /p o l i tik/deutschland/plus243476703/Flughafen-BER-Berlin-macht-sein-Abschiebungsterminal-dicht.html

2 Vgl. h t t ps : / / w w w . b z -b e r l i n . d e/ b e r lin/flughafen-ber-macht-abschiebe-terminal-dicht


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1254 mit Schreiben vom 15. März 2023 namens der Landesregierung im Ein­vernehmen mit dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

  1. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2017 bis 2022 über den Flughafen Düsseldorf abgeschoben? (Bitte differenziert nach Jahr, Sammelabschiebung und Ein­zelabschiebung listen)

Hierzu liegen der Landesregierung keine eigenen Zahlen im Sinne der Fragestellung vor. Im Übrigen wird auf die folgenden Bundestagsdrucksachen verwiesen:

19/800 „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/485 – Abschiebungen und Ausreisen im Jahr 2017“,

19/8021 „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7395 –Abschiebungen und Ausreisen im Jahr 2018“,

19/18201 „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 19/17096 – Abschiebungen und Ausreisen 2019“,

19/27007 „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 19/26156 –

Abschiebungen und Ausreisen 2020“ und

20/890 „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Bünger, Nicole Gohlke, Anke Domscheit-Berg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 20/583 – Abschiebungen und Ausreisen im Jahr 2021“.

Des Weiteren ist aktuell eine weitere Kleine Anfrage „Abschiebungen und Ausreisen 2022“ der Abgeordneten Clara Bünger, Nicole Gohlke, Anke Domscheit-Berg, Ates Gürpinar, Dr. André Hahn, Susanne Hennig-Wellsow, Ina Latendorf, Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Petra Pau, Sören Pellmann, Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag anhängig.

  1. Welche Probleme treten im Zusammenhang mit der räumlichen Distanz des Flug­hafens Düsseldorf zur Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren auf?

Abschiebungen der nordrhein-westfälischen Ausländerbehörden werden nicht nur über die nordrhein-westfälischen Flughäfen, sondern auch über andere Flughäfen im Bundesgebiet vollzogen. Jede geplante Abschiebung ist dabei mit einem hohen organisatorischen, insbeson­dere personellen und logistischen Aufwand verbunden.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand in Bezug auf den Bau und Betrieb des Abschiebegefängnisses am Standort Düsseldorf?

Der Wunsch zur Errichtung einer zusätzlichen Unterbringungseinrichtung für ausreisepflichtige Personen in unmittelbarer Flughafennähe oder im Umfeld des Flughafens wurde seitens der kommunalen Ausländerbehörden an das MKJFGFI herangetragen. Angesichts der Auslastungssituation der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren wird derzeit geprüft, ob eine weitere Unterbringungseinrichtung für ausreisepflichtige Personen sinnvoll ist.

  1. Inwiefern gibt es mit den vorhandenen Einrichtungen und dem vorhandenen Per­sonal sowie bei voller Inbetriebnahme des Abschiebegefängnisses am Standort Düsseldorf mindestens temporär die Möglichkeit, für den Flughafen BER geplante Sammelabschiebungen über den Flughafen Düsseldorf abzuwickeln?
  2. Inwiefern gab es mit dem Berliner Senat bereits Gespräche im Rahmen der Amts­hilfe bis zur Inbetriebnahme des neuen Terminals am BER einen Teil der Sam­melabschiebungen über den Flughafen Düsseldorf durchzuführen?

Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

In unmittelbarer Nähe zum Flughafen Berlin befindet sich keine reguläre Abschiebungshaftan-stalt. Geplante Sammelabschiebungen für den Flughafen Berlin sind somit durch andere Fak­toren als durch eine naheliegende Abschiebungshaftanstalt beeinflusst und stehen in keiner Abhängigkeit zu einer bestehenden oder möglichen Abschiebungshafteinrichtung in Nord­rhein-Westfalen.

Gespräche im Sinne der Fragestellung gab es darüber hinaus nicht.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

 

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