Bessere Bleiberechte für „gut integrierte Geduldete“ im Berichtsjahr 2021

Kleine Anfrage
vom 07.01.2022

Kleine Anfrage 6309der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Christian Loose vom 07.01.2022

 

Bessere Bleiberechte für „gut integrierte Geduldete“ im Berichtsjahr 2021

Am 12. März 2021 informierte das MKFFI letztmalig über die Anzahl der erteilten Aufenthaltstitel gem. § 25b AufenthG.1

Danach besaßen zum Stichtag 28. Februar 2019 nur 660 Personen einen entsprechenden Titel nach § 25b Abs. 1 AufenthG. Ein Jahr später, am 28. Februar 2020, waren 1.067 Personen erfasst. Bis zum Stichtag 31. Januar 2021 erhöhte sich die Zahl weiter auf 1.332 Personen.

Integrationsminister Dr. Joachim Stamp begrüßte diese Steigerung seinerzeit mit dem Verweis auf eine Steigerungsrate von 100 Prozent zwischen dem 28. Februar 2019 und dem 31. Januar 2021. Zwar hat sich der Wert rein rechnerisch um 100 Prozent erhöht, allerdings startete er auf einem extrem niedrigen Niveau, so dass es sich lediglich um eine Steigerung von nur 1 % auf 2 % der geduldet Ausreisepflichtigen in NRW handelte. Mit Stand vom 30. September 2021 leben in NRW 64.701 Personen mit einer Duldung.2

Hinzu kamen am 31. Januar 2021 noch die Personen, die ein abgeleitetes Recht aus § 25b Abs. 4 AufenthG innehaben (Ehegatten/Lebenspartner einer stammberechtigten Person bzw. minderjährige Kinder). Das betraf seinerzeit 740 Fälle, weshalb zum 31. Januar 2021 insgesamt 2.072 Personen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG besaßen.

Die aktualisierten Anwendungshinweise des Landes NRW zu § 25b AufenthG wurden am 19. März 2021 veröffentlicht.3 Die Überarbeitung war von Seiten der Landesregierung mit der Erwartung verbunden, dass die Anwendungshinweise „in geeigneten Fällen aktiv genutzt werden, um vorhandene Spielräume konsequent zu identifizieren und auszuschöpfen“.

So kann beispielsweise von den vorgesehenen Voraufenthaltszeiten bei „besonderen Integrationsleistungen“ um bis zu zwei Jahre abgewichen werden. Eine „besondere berufliche Integration“ liegt dabei bereits dann vor, wenn ein Ausländer über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr kontinuierlich gute handwerkliche, technische oder andere berufliche Fertigkeiten im Rahmen seiner erlaubten beruflichen, gelernten Tätigkeit oder im Rahmen seiner erlaubten qualifizierten Berufsausbildung eingebracht hat. Die Voraufenthaltszeiten können ebenso bei guten mündlichen und schriftlichen Deutschkenntnissen auf Höhe des Sprachniveaus B2 um zwei Jahre reduziert werden.4

Am geringsten sind die Hürden zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25b AufenthG bei der erforderlichen überwiegenden Lebensunterhaltssicherung. Diese muss lediglich „überwiegend“ durch Erwerbstätigkeit gesichert sein. Eine überwiegende Lebensunterhaltssicherung der Bedarfsgemeinschaft liegt allerdings bereits vor, wenn durch die bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit ein Einkommen von mehr als 50 Prozent der zu berücksichtigenden Regelsätze des § 20 SGB II plus Miete dauerhaft erwirtschaftet werden. Wenn noch keine Erwerbstätigkeit vorliegt, sind die Voraussetzungen sogar erfüllt, wenn „bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation eine Lebensunterhaltssicherung im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG künftig zu erwarten“ ist“.5

Selbst ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 AufenthG führt nicht zu einem generellen Ausschluss zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 25b AufenthG.

So besteht ein Versagungsgrund erst bei einer Straffälligkeit von einigem Gewicht, mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe bzw. – im Fall der Verurteilung zu einer Jugendstrafe – mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe, ohne dass bei letzterer die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.6

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. In wie vielen Fällen wurde, im Jahre 2021 in NRW eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25b Abs. 1 AufenthG erteilt?
  2. In wie vielen Fällen wurde, im Jahre 2021 in NRW eine abgeleitete Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 4 AufenthG für Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige ledige Kinder, die mit einem Begünstigten nach Abs. 1 (Stammberechtigter) in familiärer Lebensgemeinschaft leben erteilt?
  3. In wie vielen Fällen wurde, im Jahre 2021 in NRW eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 AufenthG für Inhaber einer Beschäftigungsduldung, deren Ehegatten, Lebenspartner und in familiärer Gemeinschaft lebende minderjährige Kinder erteilt?
  4. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag muss sich der Ausländer im Bundesgebiet regelmäßig grundsätzlich ununterbrochen sechs Jahre (mit Kindern) oder ansonsten acht Jahre aufhalten. Wie viele der in NRW aktuell geduldeten Personen erfüllen diese Voraussetzung?
  5. Bei wie vielen der im in den Jahren 2019 bis 2021 erteilten Aufenthaltstitel gem. § 25b AufenthG konnten die Personen die Lebensunterhaltssicherung der Bedarfsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels voll, aus eigenem Einkommen – also ohne staatliche Zuschüsse – erwirtschaften?

Gabriele Walger-Demolsky
Christian Loose

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-4840.pdf

2 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-6144.pdf

3 Vgl.

https://www.mkffi.nrw/sites/default/files/asset/document/210319_ueberarbeitete_anwendungshinweise_ss_25b_ aufenthg.pdf

4 Ebenda

5 Ebenda

6 Ebenda


Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 6309 mit Schreiben vom 15. Februar 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesregierung ist seit Regierungsbeginn einen Weg einer verbindlichen Integrationspo­litik einerseits und einer konsequenten Rückführung andererseits gegangen. Vor diesem Hin­tergrund wird einerseits ausländischen Personen mit sichtbaren Integrationsleistungen eine Bleibeperspektive eröffnet, andererseits werden Straftäter und Gefährder konsequent zurück­geführt. Die Anwendungshinweise des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und In­tegration vom 19.03.2021 zu § 25b AufenthG folgen diesem Grundsatz. Soweit von den Fra­gestellern der Eindruck vermittelt wird, die bundesgesetzliche Norm des § 25b AufenthG werde in Nordrhein-Westfalen genutzt, um Straftätern ein Bleiberecht zu verschaffen, ist dies unzu­treffend.

  1. In wie vielen Fällen wurde, im Jahre 2021 in NRW eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25b Abs. 1 AufenthG erteilt?
  2. In wie vielen Fällen wurde, im Jahre 2021 in NRW eine abgeleitete Aufenthaltser­laubnis nach § 25b Abs. 4 AufenthG für Ehegatten, Lebenspartner und minderjäh­rige ledige Kinder, die mit einem Begünstigten nach Abs. 1 (Stammberechtigter) in familiärer Lebensgemeinschaft leben erteilt?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.

Maßgebliche Datenbank für die Beantwortung der Fragen 1-2 ist das Ausländerzentralregister (AZR). Dem AZR sind lediglich stichtagsbezogene Bestandszahlen zu entnehmen. Zum Stich­tag 31.12.2021 sind im AZR für Nordrhein-Westfalen 2.204 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25b Abs. 1 AufenthG und 1.476 abgeleitete Aufenthaltserlaubnisse nach § 25b Abs. 4 AufenthG (davon 321 Aufenthaltserlaubnisse für Ehegatten/Lebenspartnerinnen und Lebenspartner so­wie 1.155 Aufenthaltserlaubnisse für minderjährige Kinder) registriert.

  1. In wie vielen Fällen wurde, im Jahre 2021 in NRW eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 AufenthG für Inhaber einer Beschäftigungsduldung, de­ren Ehegatten, Lebenspartner und in familiärer Gemeinschaft lebende minderjäh­rige Kinder erteilt?

Die Regelungen zur Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG) wurden erst mit dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung zum 01.01.2020 in das Aufenthaltsgesetz eingeführt. Anspruchsberechtigte erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Beschäfti­gungsduldung nach § 60d Abs. 1 AufenthG für 30 Monate. Die ersten Erteilungen von Aufent­haltserlaubnissen nach § 25b Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 AufenthG können frühestens im zweiten Halbjahr 2022 erfolgen.

  1. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag muss sich der Ausländer im Bundesgebiet regelmäßig grundsätzlich ununterbrochen sechs Jahre (mit Kin­dern) oder ansonsten acht Jahre aufhalten. Wie viele der in NRW aktuell gedulde­ten Personen erfüllen diese Voraussetzung?

Das AZR als maßgebliche Datenquelle für die Beantwortung der Frage 4 bildet diese Daten nicht ab. Entsprechend liegen der Landesregierung hierzu keine Angaben vor.

  1. Bei wie vielen der im in den Jahren 2019 bis 2021 erteilten Aufenthaltstitel gem. § 25b AufenthG konnten die Personen die Lebensunterhaltssicherung der Bedarfs­gemeinschaft zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels voll, aus eigenem Einkommen also ohne staatliche Zuschüsse erwirtschaften?

Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.

 

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