Bürgerdialog im Zusammenhang mit der neuen ZUE Werl: SPD lacht, Abteilungsleiter der Bezirksregierung Arnsberg verweist auf fehlende Basisdemokratie, Anwohner sind empört

Kleine Anfrage
vom 12.04.2024

Kleine Anfrage 3643

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias, AfD

Bürgerdialog im Zusammenhang mit der neuen ZUE Werl: SPD lacht, Abteilungsleiter der Bezirksregierung Arnsberg verweist auf fehlende Basisdemokratie, Anwohner sind empört

Im Rahmen der 2. Lesung zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD „Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie bei der Errichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte und des kommunalen Mitspracherechts bei der Zuweisung des Landes an die Kommunen gemäß Flüchtlingsaufnahmegesetz“ führte die Abgeordnete Seli-Zacharias (AfD) in Bezug auf die geplante ZUE Werl aus:

„Wir fordern ein Mitspracherecht der Bürger in Form von Ratsbürgerentscheiden. Dass dies nicht in die politische Agenda unter anderem von Ministerin Paul passt, zeigte sich zuletzt exemplarisch mit rücksichtslosen Vergehen in Werl. Fakt ist eines: Hier wird sich wieder einmal das beschauliche Leben der angrenzenden Wohnsiedlung überwiegend bestehend aus Einfamilienhäusern drastisch verändern, und die abendlichen Joggingrunden für junge Frauen werden, wie wir das auch aus anderen Kommunen wissen, zur Mutprobe. […] Ein Wertverlust der eigenen Immobilie, der für viele Menschen ein ganz wesentlicher Aspekt ist, wird wieder einmal völlig aus den Augen gelassen. Fakt ist eines: Sie gehen über die Sorgen und Ängste der Bürger einfach und skrupellos hinweg und verunglimpfen diese […]“

Wie aus dem Protokoll an dieser Stelle weiterhin hervorgeht, sorgten die geschilderten Sorgen und Ängste der Anwohner offenbar für Erheiterung in den Reihen der SPD: „(Lachen von der SPD)“1

Dass den Anwohnern keinesfalls zum Lachen zu Mute ist, zeigte sich nur zwei Tage später, am 22.03.2024, im Rahmen eines Bürgerdialogs. Der Umstand, dass der Abteilungsleiter der Bezirksregierung Arnsberg auf die Kritik zur späten Einbindung der Bürger erwiderte, dass die Einrichtung der ZUE keine basisdemokratische Entscheidung sei, es aber sehr wohl eine frühzeitige und enge Abstimmung mit der Stadt gegeben habe, sorgte ebenfalls nicht für eine ungeteilte Begeisterung der betroffenen Anwohner.2 Stattdessen bestätigten die Anwohner die Schilderungen der Abgeordneten Seli-Zacharias. So heißt es im Artikel des Soester Anzeigers:

„Vor allem die direkten Anwohner hatten viele Fragen […] und brachten im Petrushaus ihre Sorgen und ihren Unmut über die Pläne deutlich zum Ausdruck. […] Andere sagten schlicht „Da habe ich als Nachbar keine Lust drauf“, sprachen von „verlogener Politik“, „sozialromantischer Lyrik“ und der Angst um ihre Kinder. […] So ärgerten sich Anwohner darüber, dass sie nicht frühzeitig in den Prozess eingebunden wurden. Einige hinterfragten den Standort und die Größenordnung. Andere formulierten die Sorge vor einem Wertverlust ihrer Häuser und vor dem Verlust ihrer Nachtruhe.“3

Derlei – teils auch laut geäußerter – Protest ist bei vergleichbaren Veranstaltungen offenbar keine Seltenheit. Ähnliches zeigte sich in der Vergangenheit beispielsweise in Oeventrop und Dingden, wo der Protest der Bürger zu einem Einlenken geführt hat. Es stellt sich daher die Frage, ob die derzeitige Kommunikationsstrategie der Landesregierung in Verbindung mit dem umstrittenen 6-Punkte-Plan die optimale Lösung im Umgang mit dem Bürger darstellt. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der weiteren Planungen zum Ausbau der Unterbringungskapazitäten des Landes. Es steht wohl kaum zu erwarten, dass der Unmut der Bürger an anderen Standorten geringer ausfällt.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Inwiefern plant die Landesregierung zukünftig bei ähnlichen Projekten eine frühzeitigere Einbindung der betroffenen Anwohner, sprich: vor der abschließenden Entscheidung?
  2. Inwiefern gedenkt die Landesregierung zukünftig betroffene Anwohner mindestens in den Planungsprozess bzw. maximal den Entscheidungsprozess zu Errichtung einer neuen Unterbringungseinrichtung einzubinden?
  3. Wird die Landesregierung weiterhin die Sorgen und Ängste der betroffenen Anwohner unberücksichtigt lassen und sich dabei auf die aktuelle Rechtslage stützen, wie sie vom Vertreter der Bezirksregierung im Hinblick auf die fehlende Basisdemokratie erläutert wurde?
  4. Für betroffene Anwohner ist die lediglich nachrichtliche Information über bereits erfolgte Entscheidungen eher unbefriedigend, wenn sie derart gravierend in ihrem direkten Wohnumfeld betroffen sind. Inwiefern plant die Landesregierung im Sinne der vielen betroffenen Anwohner eine Überarbeitung des 6-Punkte-Plans?
  5. Im Artikel des Soester Anzeigers ist davon die Rede, dass auf einer Freifläche hinter dem Gebäude der neuen ZUE Werl noch eine Halle errichtet werden soll. Auf diesen zusätzlichen 500 Quadratmetern sollen Räume zur Freizeitgestaltung und eine Kantine entstehen. Welche zusätzlichen Kosten fallen im Zusammenhang mit dieser Halle voraussichtlich an?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-8821

 

1 Vgl. Plenarprotokoll 18/58; Top 5

2 Vgl. https://www.soester-anzeiger.de/lokales/werl/geplante-fluechtlingsunterkunft-in-werl-anwohner-sind-sauer-land-macht-zusicherungen-92909109.html

3 Ebd.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3643 mit Schreiben vom 28. Mai 2024 namens der Landesregierung beantwor­tet.

  1. Inwiefern plant die Landesregierung zukünftig bei ähnlichen Projekten eine früh­zeitigere Einbindung der betroffenen Anwohner, sprich: vor der abschließenden Entscheidung?
  2. Inwiefern gedenkt die Landesregierung zukünftig betroffene Anwohner mindes­tens in den Planungsprozess bzw. maximal den Entscheidungsprozess zu Errich­tung einer neuen Unterbringungseinrichtung einzubinden?
  3. Wird die Landesregierung weiterhin die Sorgen und Ängste der betroffenen An­wohner unberücksichtigt lassen und sich dabei auf die aktuelle Rechtslage stüt­zen, wie sie vom Vertreter der Bezirksregierung im Hinblick auf die fehlende Ba­sisdemokratie erläutert wurde?

Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Die Länder sind gemäß § 44 Abs. 1 AsylG verpflichtet, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten sowie entspre­chend ihrer Aufnahmequote die im Hinblick auf den monatlichen Zugang Asylbegehrender in den Aufnahmeeinrichtungen notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund und zur Umsetzung des gesetzlichen Auftrags hat das Ministerium für Kin­der, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) mit Erlass an die Be­zirksregierungen vom 20.11.2023 festgelegt, dass im Landesaufnahmesystem 41.000 Unter­bringungsplätze für Geflüchtete aktiv vorzuhalten sind. Die Bezirksregierungen betreiben entsprechend Akquise und suchen aktiv nach geeigneten Liegenschaften, die als Landesun-terkünfte für Geflüchtete hergerichtet und in Betrieb genommen werden können.

Die Landesregierung verkennt nicht, dass die Errichtung einer Landeseinrichtung für Anwoh­nerinnen und Anwohner eine Veränderung des persönlichen Lebensumfeldes nach sich ziehen kann. In Abhängigkeit vom zukünftigen Projekt- und Planungsfortschritt der einzelnen Einrich­tungen werden betroffene Bürgerinnen und Bürger und Anwohnerinnen und Anwohner umfas­send, transparent und zeitnah informiert und eingebunden. Eine frühzeitige Information bedeu­tet, dass die Bezirksregierung im Vorfeld der Eröffnung einer Einrichtung durch geeignete In-formations- und Veranstaltungsformate in den Dialog mit der Öffentlichkeit eintritt. Die Bezirks­regierung informiert dabei über den Stand der Planungen, steht für Fragen zur Verfügung und setzt sich mit den Sorgen, Ängsten und Anregungen der Anwohnerschaft auseinander und weist auf Möglichkeiten einer konstruktiven Mitwirkung, z.B. durch ehrenamtliche Tätigkeiten, hin.

  1. Für betroffene Anwohner ist die lediglich nachrichtliche Information über bereits erfolgte Entscheidungen eher unbefriedigend, wenn sie derart gravierend in ihrem direkten Wohnumfeld betroffen sind. Inwiefern plant die Landesregierung im Sinne der vielen betroffenen Anwohner eine Überarbeitung des 6-Punkte-Plans?

Das MKJFGFI prüft regelmäßig den Umsetzungsstand des Sechs-Punkte-Planes. Eine Über­arbeitung ist nicht geplant.

  1. Im Artikel des Soester Anzeigers ist davon die Rede, dass auf einer Freifläche hin­ter dem Gebäude der neuen ZUE Werl noch eine Halle errichtet werden soll. Auf diesen zusätzlichen 500 Quadratmetern sollen Räume zur Freizeitgestaltung und eine Kantine entstehen. Welche zusätzlichen Kosten fallen im Zusammenhang mit dieser Halle voraussichtlich an?

Die geplante Kantinenhalle ist Bestandteil der Anmietung der Liegenschaft. Die Mietparteien haben über den Vertragsinhalt Stillschweigen vereinbart, sodass Angaben zu den Kosten nicht preisgegeben werden können.

 

MMD18-9375