Antrag der Fraktion der AfD vom 17.4.2018
I. Ausgangslage
Homöopathische Präparate gelten für viele als medizinische Größe auf dem Arzneimittelmarkt. Als Grund hierfür lässt sich vor allem die Beliebtheit und steigende Akzeptanz von Homöopathika in der Bevölkerung nennen. So gaben bei einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2009 53% der befragten Deutschen über 16 Jahren an, schon mal homöopathische Mittel verwendet zu haben. Auffallend war jedoch, dass 70% (Zahlen bezogen auf Westdeutschland) derer, denen Homöopathika ein Begriff waren, diese als allgemeine Naturheilmittel oder Präparate aus Pflanzen verstanden. Gerade mal 17% kannten das homöopathische Grundprinzip der Verdünnung und das Ähnlichkeitsprinzip. So ist vielen Anwendern gar nicht bewusst, was sie da eigentlich zu sich nehmen und dass es sich dabei in erster Linie eben nicht um Naturheilmittel aus seit Jahrhunderten bekannten Heilpflanzen handelt.
Die von dessen Erfinder Hahnemann bevorzugte, gängigste Verdünnung von Homöopathika und für die Arzneimittelprüfungen empfohlene Potenz ist C30, deren Verdünnungsverhältnis 1:1060 (10 hoch 60) beträgt. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit, ein Molekül der Urtinktur wiederzufinden, in etwa bei 1:1036(10 hoch 36). Zum Vergleich, die Wahrscheinlichkeit mit einem einzelnen Feld im Lotto 6 Richtige aus 49 mit Superzahl zu tippen wäre höher – und das fünf Mal in Folge.
Diese extreme Verdünnung erlaubt es, Substanzen wie Dreck, Kot, Gift oder Metalle zu verwenden, ohne dass ihre Konsumenten Schaden nehmen. Viele Patienten wissen jedoch auch gar nicht, was sie zu sich nehmen, da die Inhaltsstoffe nicht auf Deutsch, sondern auf Lateinisch deklariert sind. Dies wird insbesondere problematisch, wenn in homöopathischen Präparaten Inhaltsstoffe verarbeitet werden, welche ihren Ursprung in den vergangenen Jahren hatten, da somit bei der Übersetzung ins Lateinische Wortneuschöpfungen entstehen, welche es dem Verbraucher letztlich unmöglich machen herauszufinden, um welche Substanzen es sich handelt. So formulierte bereits die Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU Fraktion in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen im Dezember 2017: „Nur wer versteht, was in einem Mittel drin ist, kann sich auch damit auseinandersetzen.“ Die Notwendigkeit der Transparenz ist infolgedessen dringend geboten.
Die Verdünnung, bzw. Potenzierung führt in der Regel dazu, dass den Homöopathika keinerlei pharmakologische Wirksamkeit mehr nachgewiesen werden kann, das therapeutische Potenzial lässt sich also einzig auf den Placebo Effekt zurückführen. Dies ist jedoch nicht negativ zu werten, sofern es zu einem gewünschten medizinischen Effekt führt. Jedoch bestehen ethische und rechtliche Probleme , da der Patient in seinem Selbstbestimmungsrecht verletzt wird, wenn sich der Placebo-Charakter wie bei der klassischen Placebo-Behandlung verbirgt. Bei einer von vornherein offenbarten Placebo- Behandlung bestehen diese Probleme nicht. So hat jüngst die Federal Trade Commission (FTC) in den USA angeordnet, dass Umverpackungen für Homöopathika im Verkauf einen entsprechenden Hinweis tragen sollen, wenn die Wirksamkeit des betreffenden Homöopathikums nicht wissenschaftlich belegt ist. Als Begründung teilte die FTC mit, dass andernfalls ein Großteil der Verbraucher irregeführt würde. Zwar ist im Falle einer Verordnung durch den Arzt oder sonstigen Heilbehandler eine Aufklärung über die Tatsache, dass die Präparate aus schulmedizinischer Sicht pharmakologisch wirkungslos sind, rechtlich im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung gemäß §630e BGB zwingend erforderlich, jedoch werden ein Großteil der Präparate ohne vorherige Rücksprache mit dem Arzt erworben.
Im Zeitalter der „Online-Apotheke“ wird nicht einmal mehr der Apotheker konsultiert. Hier bedarf es staatlicher Aufklärung gegenüber dem Bürger, da bereits die Apothekenpflicht suggeriert, es würde sich um ein Arzneimittel handeln. Tatsächlich jedoch sind die geltenden Zulassungsverfahren für Homöopathika in keiner Weise mit denen für traditionelle Arzneimittel zu vergleichen. Während § 22 Abs. 2 Arzneimittelgesetz drei Phasen von Arzneimittelstudien zur Prüfung der Wirksamkeit (Klinische Prüfungen), zur Unbedenklichkeit (pharmakologisch-toxikologische Prüfungen) und einen Qualitätsnachweis (analytische Prüfungen) verlangt, werden homöopathische Präparate im Zuge eines Registrierungsverfahrens gemäß § 38 AMG ohne pharmakologischen Wirksamkeitsnachweis in den Verkehr gebracht. Eine Irreführung des schutzbedürftigen Patienten findet insofern statt, als dass § 25 Absatz 2 Nr. 4 AMG suggeriert, die therapeutische Wirksamkeit sei gegeben, da dem objektiven Empfängerhorizont die Unterscheidung zwischen zugelassenen und registrierten Arzneimitteln nicht zugemutet werden kann.
Auch unter finanziellem Aspekt unterschieden sich die Zulassungen von klassischen Heilmitteln und Homöopathika. Die fehlende Notwendigkeit, aufwendige medizinische Studien in Auftrag zu geben, steigert die finanzielle Attraktivität ebenso, wie die Vermarktung eines Produktes, dessen Inhaltsstoffe wenig bis gar keinen Wert haben. So stellt sich die Homöopathie gerne als Alternative zur Pharmaindustrie dar, tatsächlich ist sie jedoch längst ein lukrativer Teilbereich der Pharmaindustrie, welcher sich mit einem geschätzten Jahresumsatz von 528 Millionen Euro im Jahr 2014 als nicht unerheblich darstellt.
Homöopathische Präparate müssen das Gewand des Arzneimittels ablegen: Der ausschließliche Vertrieb in Apotheken muss abgeschafft werden, damit der Verbraucher diese Präparate auch auf anderem Wege käuflich erwerben kann, wie es auch bei orthomolekularen Präparaten der Fall ist.
Die homöopathische Lehre ist ein in sich geschlossenes pseudowissenschaftliches System, das seine Ergebnisse infolgedessen nicht nachweisen kann. Hier gilt es gesetzliche Regelungen zu schaffen, um größtmögliche Transparenz für den Bürger zu erreichen und der Irreführung von Verbrauchern Einhalt zu gebieten.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zu starten mit dem Ziel Rechtsgrundlagen zu schaffen, auf deren Grundlage das Bundesinstitut für Arzneimittel:
- entsprechende Verpflichtungen zur Deklarierung der Inhaltsstoffe in der Amtssprache im Wege einer behördlichen Anordnung aussprechen kann,
- entsprechende Verpflichtungen für Hinweise, bezogen auf die fehlende pharmakologische Wirksamkeit, auf Umverpackungen im Wege einer behördlichen Anordnung aussprechen kann,
- eine entsprechende Verordnung erlässt, welche eine Differenzierung homöopathischer Präparate ermöglicht und die Apothekenpflicht für solche dieser Präparate aufhebt, bei denen keine pharmakologische Wirksamkeit nachgewiesen werden kann.
Dr. Martin Vincentz
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion