CDU-Stadtverband Hamminkeln bezeichnet Anwohnerproteste bei der Neuerrichtung von (Flüchtlings-)Unterkünften als „unerwünschte gesellschaftliche Entwicklung“ – Ist eine WhatsApp-Gruppe im Zusammenhang mit der geplanten ZUE Dingden gemeint?

Kleine Anfrage
vom 03.11.2023

Kleine Anfrage 2819

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

CDU-Stadtverband Hamminkeln bezeichnet Anwohnerproteste bei der Neuerrichtung von (Flüchtlings-)Unterkünften als „unerwünschte gesellschaftliche Entwicklung“ – Ist eine WhatsApp-Gruppe im Zusammenhang mit der geplanten ZUE Dingden gemeint?

Am 28. Oktober fand in Hürth der 45. Landesparteitag der CDU NRW statt. Im Antragsbuch1 findet sich der Programmantrag C16 mit dem Titel „Unsere Kommunen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise besser unterstützen“. Als Antragsteller werden angegeben: KV Wesel, GV Alpen, SV Hamminkeln, GV Schermbeck und SV Voerde im KV Wesel.

Auf der Facebookseite des CDU-Stadtverbands Hamminkeln heißt es am 29.10. bezugnehmend auf den Antrag: „Besonderes Augenmerk richteten die Weseler Delegierten auf den Antrag zur Unterstützung der Kommunen in der Flüchtlingskrise, den der CDU-Stadtverband Hamminkeln eingebracht hatte. […] Der Landesvorstand hat die zahlreichen Signale und Hilferufe aus dem Land aufgenommen und in einen Leitantrag gegossen. „Unsere Stimme wurde gehört und unterstützt“, freute sich CDU Stadt Hamminkeln CDU-Vorsitzender […], der den Antrag formuliert und initiiert hatte. Der Leitantrag, der vom Parteitag mit breiter Mehrheit angenommen wurde, nimmt die Anregungen auf.“2

Im Antrag heißt es:

„Gerade im Hinblick auf unerwünschte gesellschaftliche Entwicklungen, wie wir sie derzeit bundesweit leider erleben – sei es durch Anwohnerproteste bei Neuerrichtung von Unterkünften oder durch Verlautbarungen übel gelaunter Denunzianten sowie politisch außerhalb des demokratischen Spektrums verorteter Parteien –, muss es uns gemeinsam gelingen, diese Aufgabe zu erfüllen.“

Völlig legitime „Anwohnerproteste bei der Neuerrichtung von Unterkünften“ werden somit als „unerwünschte gesellschaftliche Entwicklung“ eingestuft. Das ist pikant vor dem Hintergrund, dass im Hamminkler Ortsteil Dingden aktuell eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für 450 Personen geplant ist.

Hierzu hat sich eine WhatsApp-Gruppe mit aktuell ca. 900 Mitgliedern gebildet. Nicht nur hier, sondern auch auf einer Infoveranstaltung der CDU hat sich gezeigt, dass die Akzeptanz für diese Planungen bei der Dingdener Bevölkerung eher nicht vorhanden ist.

Anwohnerproteste sind zudem keine „unerwünschte gesellschaftliche Entwicklung“, sondern – wie auch in diesem Fall – völlig legitim. Auch die Bezeichnung „Verlautbarungen übel gelaunter Denunzianten“ zeugt nicht von einem ausgeprägten Demokratieverständnis. Aufschlussreich ist – neben der Tatsache, dass auf dem Gebiet des antragstellenden Stadtverbands eine ZUE entstehen soll – daher auch die wohl allgemeine Zustimmung auf dem CDU-Parteitag zu diesem Antrag.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Inwiefern sieht auch die Landesregierung in den Anwohnerprotesten rund um geplante neue Flüchtlingsunterkünfte eine „unerwünschte gesellschaftliche Entwicklung“?
  2. Speziell in Hamminkeln-Dingen haben sich im Zusammenhang mit der geplanten ZUE ca. 900 Bürger in einer WhatsApp-Gruppe zusammengefunden. Inwiefern sieht die Landesregierung hierin eine „unerwünschte gesellschaftliche Entwicklung“?
  3. Inwiefern würde auch die Landesregierung im Zusammenhang mit der
    Informationsweitergabe an die Bürger durch Insider von „Verlautbarungen übel gelaunter Denunzianten“ bzw. einer „unerwünschten gesellschaftlichen Entwicklung“ sprechen?
  4. Inwiefern erachtet die Landesregierung eine derartige Einstufung von betroffenen Anwohnern, die sich in einer Interessenvertretung zusammenschließen, für vereinbar mit der Zielsetzung des eigenen 6-Punkte-Plans?
  5. Inwiefern ist die Landesregierung im Fall der geplanten ZUE Dingden (7.100 Einwohner/450 untergebrachte Personen) bereit, Verständnis für die betroffenen Anwohner zu zeigen und diese in den Entscheidungsprozess einzubinden – sie also nicht nur über bereits vorgefasste Beschlüsse zu „informieren“?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-6644

 

1 Vgl. https://www.cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-

nrw.de/files/antragssammlung_zum_45._lpt_mit_empfehlungen_der_antragskommission.pdf S. 55-57

2 Vgl. https://www.facebook.com/cdu.hamminkeln 29.10.2023 (Text im Original übernommen)


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2819 mit Schreiben vom 7. Dezember 2023 namens der Landesregierung be­antwortet.

  1. Inwiefern sieht auch die Landesregierung in den Anwohnerprotesten rund um ge­plante neue Flüchtlingsunterkünfte eine „unerwünschte gesellschaftliche Ent­wicklung“?
  2. Speziell in Hamminkeln-Dingen haben sich im Zusammenhang mit der geplanten ZUE ca. 900 Bürger in einer WhatsApp-Gruppe zusammengefunden. Inwiefern sieht die Landesregierung hierin eine „unerwünschte gesellschaftliche Entwick­lung“?
  3. Inwiefern würde auch die Landesregierung im Zusammenhang mit der Informati­onsweitergabe an die Bürger durch Insider von „Verlautbarungen übel gelaunter Denunzianten“ bzw. einer „unerwünschten gesellschaftlichen Entwicklung“ spre­chen?
  4. Inwiefern erachtet die Landesregierung eine derartige Einstufung von betroffenen Anwohnern, die sich in einer Interessenvertretung zusammenschließen, für ver­einbar mit der Zielsetzung des eigenen 6-Punkte-Plans?
  5. Inwiefern ist die Landesregierung im Fall der geplanten ZUE Dingden (7.100 Ein-wohner/450 untergebrachte Personen) bereit, Verständnis für die betroffenen An­wohner zu zeigen und diese in den Entscheidungsprozess einzubinden – sie also nicht nur über bereits vorgefasste Beschlüsse zu „informieren“?

Die Fragen 1 bis 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, Äußerungen von Parteien und ihren Funktionsträ­gern, die in sozialen Netzwerken getätigt werden, zu bewerten. Im Übrigen wird auf die Beant­wortung der Kleinen Anfrage 2598 verwiesen:

„Die Landesregierung verkennt nicht, dass die Errichtung einer Landeseinrichtung für Anwoh­nerinnen und Anwohner eine große Veränderung des persönlichen Lebensumfeldes nach sich zieht. Es ist daher wichtig, sich mit den Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner sachge­recht auseinanderzusetzen, Beschwerden aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen. Hierbei setzt das Land in Umsetzung des sog. Sechs-Punkte-Plans (https://www.mkjfgfi.nrw/sechs-punkte-plan-zurstabilisierung-des-landesaufnahmesystems) auch auf eine umfassende Information und einen sachorientierten Dialog mit den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern.

In Abhängigkeit vom zukünftigen Projekt- und Planungsfortschritt der ZUE Hamminkeln werden betroffene Bürgerinnen und Bürger und Anwohnerinnen und Anwohner umfassend, transparent und zeitnah informiert und eingebunden werden.“

 

MMD18-7278