Das geplante Gifttiergesetz – Schafft die Landesregierung bewusst Rechtsunsicherheiten?

Kleine Anfrage
vom 09.12.2019

Kleine Anfrage 3225des Abgeordneten Dr. Christian Blex vom 09.12.2019

 

Das geplante Gifttiergesetz – Schafft die Landesregierung bewusst Rechtsunsicherheiten?

Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hat am 26. November 2019 verkündet, dass das Kabinett am selbigen Tag den Entwurf für ein Gifttiergesetz verabschiedet hat. Der Gesetzentwurf vom Stand 22. November 2019 ist den Mitgliedern des Landtages in der Vorlage 17/2759 übermittelt worden.

Nach einer ersten Sichtung ergeben sich jedoch schwerwiegende Rechtsunsicherheiten bei der Ausgestaltung des strafbewehrten Haltungsverbots sehr giftiger Tiere. Die Rechtsfolgen sollten sich bei Vorliegen der Voraussetzungen eindeutig aus dem Gesetzestext ergeben. Dies scheint in drei zentralen Fragen nicht gegeben zu sein.

Erstens: Die Übergangsvorschriften zu Bestandshaltungen (§ 4) regeln die Zeit zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes und der Angabe über die Haltung sehr giftiger Tiere. Nach derzeitiger Lesart ist die Dauer der Bestandshaltung sehr giftiger Tiere für Haltungspersonen, welche die Haltung fortsetzen wollen, unter § 4 Absatz 2 unbegrenzt. Es stellt sich hier die Frage, ob die unbegrenzte Bestandshaltung ein ausdrücklicher Wunsch der Landesregierung ist.

Zweitens: Unter der in § 8 aufgeführten Strafvorschrift wird die Haltung sehr giftiger Tiere mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Straftat, und ein Verstoß gegen die Vorgaben des Gesetzes wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet.

„(1) Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ein Tier entgegen dem Verbot des § 2 Absatz 1 hält,“

Der erste Absatz exkludiert aber nicht explizit jene Haltungspersonen, welche sich entsprechend der Übergangsvorschriften zur Bestandshaltung ausdrücklich für eine Fortsetzung der Haltung ausgesprochen haben. Es stellt sich hier die Frage, ob durch eine richterliche Auslegung auch Bestandshalter unter diese Strafvorschrift fallen können.

Drittens: Das Gesetz sagt nichts über eine hauseigene Nachzucht sehr giftiger Tiere von Bestandshaltern aus. Es ist sehr fragwürdig, ob vor Gericht eine Nachzucht als „Anschaffung weiterer Tiere“ akzeptiert wird.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie steht sie zur unbegrenzten Bestandshaltung sehr giftiger Tiere?

2. Wie steht sie zur Frage der eindeutigen Strafvorschrift ohne explizite Exklusion der Bestandshalter?

3. Wie steht sie zur hauseigenen Nachzucht sehr giftiger Tiere?

4. Wie will sie sicherstellen, dass mit Inkrafttreten des Gifttiergesetzes Haltungspersonen auch Haftpflichtversicherungen abschließen können und werden?

5. Wie will sie sicherstellen, dass die Angabe der Haltungsperson über den Tod eines sehr giftigen Tieres korrekt ist?

Dr. Christian Blex

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 03.01.2020

 

Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 3225 mit Schreiben vom 3. Januar 2020 namens der Landesregierung im Einverneh­men mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Kleine Anfrage 3225 bezieht sich ausdrücklich auf den mit Vorlage 17/2759 übermittelten Entwurf für ein Gifttiergesetz, den das Kabinett am 26. November 2019 zur Einleitung der An­hörung der kommunalen Spitzenverbände beschlossen hat. In der Parlamentsinformations-vereinbarung (Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung) wird unter I. Vorhaben der Landesrechtsetzung, Absatz 5 ausgeführt, dass die Landesregierung davon ausgeht, „dass die zur Verfügung ge­stellten Entwürfe nicht zum Gegenstand von Initiativen aus der Mitte des Landtags oder von Beratungen im Landtag gemacht werden.“ Die Landesregierung nimmt zur Kenntnis, dass der Fragesteller dessen ungeachtet die LT-Vorlage zum Gegenstand einer Kleinen Anfrage ge­nommen hat.

Zwischenzeitlich hat das Kabinett mit Beschluss vom 17. Dezember 2019 den Entwurf für ein Gifttiergesetz beim Landtag eingebracht. Dieser Entwurf (LT-Drs. 17/8297) ist gegenüber dem mit Vorlage 17/2759 übermittelten Entwurf geringfügig überarbeitet worden. Die Landesregie­rung beantwortet die Kleine Anfrage 3225 mit der Maßgabe, dass nur der aktuelle Entwurf (LT-Drs. 17/8297) Gegenstand der Kleinen Anfrage ist.

1. Wie steht die Landesregierung zur unbegrenzten Bestandshaltung sehr giftiger Tiere?

Unter dem Begriff des Bestandsschutzes versteht man im Allgemeinen Regelungen in Geset­zen, wonach Rechtsverhältnisse im Wesentlichen unverändert bestehen bleiben dürfen, so­fern sie bereits vor einer verschärfenden gesetzlichen Neuregelung bestanden haben. Der Bestandsschutz ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips, an das die staatlichen Gewalten ge­bunden sind.

Nach dem Gesetzentwurf wird die Haltung von sehr giftigen Tieren für private Halter mit In­krafttreten des Gesetzes grundsätzlich verboten sein, es sei denn, es handelt sich um so ge­nannte Bestandshaltungen. Nur für diese sind im Gesetz Übergangsvorschriften geschaffen worden (§ 4 des Entwurfs), anknüpfend daran, dass diese Tierhaltungen bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bestanden haben. Damit wird dem Umstand Rechnung ge­tragen, dass diese Tiere im Vertrauen auf den Bestand der Tierhaltung erworben worden sind. Der Gesetzentwurf sieht für diese Bestandshaltungen kein vollständiges Verbot der Haltung vor, sondern eine im Verhältnis dazu geringere Einschränkung der Grundrechte der betroffe­nen privaten Tierhalter, insbesondere des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes) und des Grundrechts auf Eigentum (Artikel 14 Absatz

1 Satz 1 des Grundgesetzes). Die Fortsetzung der Tierhaltung wird an bestimmte Vorausset­zungen geknüpft (Anzeigepflicht, Nachweis der Zuverlässigkeit und einer Haftpflichtversiche­rung), die in § 4 des Gesetzentwurfs aufgeführt sind. Haltern, die diese Haltungsvorausset­zungen erfüllen, soll eine zeitlich unbegrenzte Fortführung der Haltung dieser Tiere erlaubt sein. Eine weitere Beschränkung der Rechtsposition der Bestandshalter, insbesondere ein ge­nerelles Haltungsverbot für im Bestand lebende Tiere, erscheint aus der Sicht der Landesre­gierung unverhältnismäßig.

2. Wie steht sie zur Frage der eindeutigen Strafvorschrift ohne explizite Exklusion der Bestandshalter?

In § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzentwurfs ist nunmehr geregelt, dass sich strafbar macht, wer ein Tier „entgegen dem Verbot des § 2“ hält. Die Strafnorm verweist somit auf den gesam­ten § 2, einschließlich dessen Absatz 3, gemäß dem das Verbot nach Absatz 1 nicht für Tiere gilt, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes gehalten werden. Diese Aus­nahme wird auch durch die Gesetzesbegründung zu § 8 Absatz 1 bestätigt, da dort nochmals ausdrücklich klargestellt wird, dass die Strafnorm nicht für Bestandshaltung gelten soll. Für die vom Fragesteller geäußerte Vermutung, durch richterliche Auslegung könnten auch Bestands­halter unter diese Strafvorschrift fallen, verbleibt insoweit nach Auffassung der Landesregie­rung kein Raum. Die Vorschrift des § 8 Absatz 1 Nummer 1 ist somit hinreichend bestimmt gefasst.

3. Wie steht sie zur hauseigenen Nachzucht sehr giftiger Tiere?

Wer im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits Gifttiere in seinen privaten Räumen hält, muss die Haltung anzeigen und gegenüber der Behörde diverse Haltungsbedingungen nachweisen (s.o. Antwort zu Frage 1). Dieser Personengruppe ist es untersagt, weitere Tiere im Sinne des Gesetzes anzuschaffen (§ 4 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzentwurfs). Von diesem Verbot nicht umfasst ist die Vermehrung von Tieren, die sich bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes in der Obhut der Haltungsperson befunden haben. Grund hierfür sind insbesondere biologische Besonderheiten, die eine effektive Kontrolle eines strafbewehrten Vermehrungs­verbotes ausschließen. Zum einen können bestimmte Arten von Giftschlangen noch Jahre nach einer Befruchtung Nachwuchs hervorbringen und zum anderen spielt die so genannte Parthenogenese eine Rolle, eine Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung, die bei einigen der dem Gesetz unterfallenden Tierarten auftritt. Dabei entstehen die Nachkommen aus ein­zelnen unbefruchteten Eizellen. Folglich wäre in diesen Fällen auch eine getrennte Haltung von Tieren kein geeignetes Mittel zur Unterbindung der Fortpflanzung.

4. Wie will sie sicherstellen, dass mit Inkrafttreten des Gifttiergesetzes Haltungsper­sonen auch Haftpflichtversicherungen abschließen können und werden?

Es existieren auf dem Versicherungsmarkt Haftpflichtversicherungen, die einen Versiche­rungsschutz für die Haltung von giftigen und anderen gefährlichen Tieren anbieten. Im Übrigen steht es den Tierhaltern gemäß § 4 Absatz 1 Satz 3 des Gesetzentwurfs frei, alternativ dazu auf die Fortsetzung der Haltung zu verzichten. In diesem Fall sorgt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz für die Abholung und Unterbringung der Tiere auf Kosten des Landes. Die Landesregierung geht davon aus, dass Bestandshaltern damit geeignete und ver­hältnismäßige Handlungsalternativen zur Verfügung stehen, um sich entsprechend den Vor­gaben des Gifttiergesetzes rechtskonform zu verhalten.

5. Wie will sie sicherstellen, dass die Angabe der Haltungsperson über den Tod eines sehr giftigen Tieres korrekt ist?

Wenn eine Haltungsperson den Tod eines bislang gehaltenen giftigen Tieres meldet, kann sich die Haltungsperson insoweit nicht mehr auf den Bestandsschutz und auf die in § 2 Absatz 3 vorgesehene Ausnahme vom Haltungsverbot berufen. Soweit es zur Prüfung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Haltungsverbot oder gegen die Anzeigepflicht erforderlich ist, hat die Haltungsperson den Bediensteten des Landesamtes den Zutritt zu dem befriedeten Be­sitztum, in dem das gefährliche Tier gehalten wird, zu ermöglichen und die erforderlichen Fest­stellungen zu dulden (§ 5 Absatz 2 des Gesetzentwurfs).

 

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