Definition politisch motivierter Straftaten in der polizeilichen Kriminalstatistik

Kleine Anfrage
vom 10.04.2018

Kleine Anfrage 940
des Abgeordneten Thomas Röckemann AfD

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Politisch motivierte Straftaten werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst. Politisch motivierte Straftaten werden bei ihrer statistischen Erfassung einem bestimmten Phänomenbereich zugeordnet.

Bis zum 31.12.2016 wurden Straftaten im Zusammenhang mit Islamismus im Phänomenbereich „Ausländer“ erfasst. Seit dem 01.01.2017 erfolgt die Erfassung dieser Straftaten unter dem neu hinzugefügten Phänomenbereich „Religiöse Ideologie“.

In den letzten Jahren ist die Zahl antisemitischer Straftaten in Nordrhein-Westfalen gestiegen. Wurden im Jahr 2012 noch 216 antisemitische Straftaten gezählt, waren es im Jahr 2016 bereits 297 Straftaten. Dabei hatte ein Großteil der antisemitischen Straftaten, die in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst werden, einen Hintergrund der politisch motivierten Kriminalität–Rechts (PMK–Rechts).

Die PMK ist eine Eingangsstatistik. Sie erfasst Straftaten bei Aufnahme der polizeilichen Ermittlungen, d.h. anhand des Anfangsverdachts. Sollte sich die anfängliche Erfassung, Nicht-Erfassung oder Kategorisierung im Laufe der Ermittlung als falsch herausstellen, muss diese nachträglich korrigiert werden.

Durch den neu hinzugefügten Phänomenbereich „Religiöse Ideologie“ wird versucht, dem wachsenden muslimischen Antisemitismus Rechnung zu tragen. Allerdings sind die Kriterien, auf deren Basis die Zuordnung zu einem der Phänomenbereiche erfolgt, unklar.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche Kriterien müssen politisch motivierte Straftaten erfüllen, um dem jeweiligen Phänomenbereich zugeordnet zu werden? (Bitte aufschlüsseln nach PMK-Rechts, PMK-Links, PMK-Religiöse Ideologie, PMK-Ausländer, PMK-Sonstige)
  2. Wie viele Straftaten in den verschiedenen Phänomenbereichen wurden in den vergangenen fünf Jahren von Personen begangen, die bereits zuvor ein Delikt im selben Phänomenbereich begangen hatten? (Bitte nach Jahr und demselben Phänomenbereich mit demselben Täter aufschlüsseln)
  3. Sind in den letzten fünf Jahren Fälle bekannt, bei denen vom selben Täter politisch motivierte Straftaten begangen wurden, die verschiedenen Phänomenbereichen zugeordnet werden müssen? (Bitte nach Jahr und verschiedenen Phänomenbereichen mit demselben Täter aufschlüsseln)
  4. Gibt es Delikte, die grundsätzlich nur einem Phänomenbereich zugeordnet werden können?
  5. Bei wie vielen Straftaten musste die Kategorisierung in den vergangenen fünf Jahren im Laufe der Ermittlungen korrigiert werden? (Bitte nach Straftat, Phänomenbereich und Jahr aufschlüsseln)

Thomas Röckemann

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 940 wie folgt:

Frage 1: Welche Kriterien müssen politisch motivierte Straftaten erfüllen, um dem jeweiligen Phänomenbereich zugeordnet zu werden? (Bitte aufschlüsseln nach PMK-Rechts, PMK-Links, PMK-Religiöse Ideo­logie, PMK-Ausländer, PMK-Sonstige)

Nach dem bundeseinheitlich gültigen „Definitionssystem Politisch moti­vierte Kriminalität“ (Definitionssystem PMK) werden die Phänomenbe-reiche wie folgt definiert:

Politisch motivierte Kriminalität -rechts-

Politisch motivierter_ Kriminalität -rechts- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Be­trachtung (z. B. nach Art der Themenfelder) einer „rechten“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grund­ordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Der wesentliche Kernge­danke einer „rechten“ Ideologie ist die Annahme einer Ungleichheit/ Un-gleichwertigkeit der Menschen.

Insbesondere sind Taten dazuzurechnen, wenn Bezüge zu völkischem Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. Diese poli­tisch motivierten Straftaten sind in der Regel als rechtsextremistisch zu qualifizieren.

Politisch motivierte Kriminalität -links-

Politisch motivierter Kriminalität -links- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Be­trachtung (z. B. nach Art der Themenfelder) einer „linken“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grund­ordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss.

Insbesondere sind Taten dazuzurechnen, wenn Bezüge zu Anarchis­mus oder Kommunismus (einschließlich revolutionärem Marxismus) ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. Diese poli­tisch motivierten Straftaten sind in der Regel als linksextremistisch zu qualifizieren.

Politisch motivierte Kriminalität -religiöse Ideologie-

Politisch motivierter Kriminalität -religiöse Ideologie- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiö­se Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war.

Politisch motivierte Kriminalität -ausländische Ideologie-

Politisch motivierter Kriminalität -ausländische Ideologie- werden Strafta­ten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine aus dem Ausland stammende nichtreligiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war, insbesondere wenn sie darauf gerichtet ist, Verhält­nisse und Entwicklungen im In- und Ausland zu beeinflussen. Gleiches gilt, wenn aus dem Ausland heraus Verhältnisse und Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland beeinflusst werden sollen.

Die Staatsangehörigkeit des Täters ist hierbei unerheblich.

Politisch motivierte Kriminalität -nicht zuzuordnen-

Jeder Sachverhalt kann immer nur einem Phänomenbereich zugeordnet werden. Ist der Sachverhalt nicht unter den Phänomenbereichen PMK ­links-, PMK -rechts-, PMK -ausländische Ideologie- oder PMK -religiöse Ideologie- subsumierbar, ist der Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität -nicht zuzuordnen- zu wählen.

Die Erfassung von Straftaten im Phänomenbereich „Ausländer“ wurde zum 1.1.2017 zugunsten der Erfassung in den neuen Phänomenberei-chen „religiöse Ideologie“ und „ausländische Ideologie“ eingestellt.

Frage 2: Wie viele Straftaten in den verschiedenen Phänomenbereichen wurden in den vergangenen fünf Jahren von Personen begangen, die bereits zuvor ein Delikt im selben Phänomenbereich begangen hatten? (Bitte nach Jahr und demselben Phänomenbereich mit demselben Täter aufschlüsseln)

In der statistischen Erfassung im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Pop­tisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) werden die Täter anonymisiert als Erst- oder Mehrfachtäter erfasst.

Im Zeitraum 2013-2017 wurden insgesamt 3115 politisch motivierte Straftaten von Personen begangen, die bereits zuvor eine politisch mo­tivierte Straftat begangen hatten.

Frage 3: Sind in den letzten fünf Jahren Fälle bekannt, bei denen vom sel­ben Täter politisch motivierte Straftaten begangen wurden, die ver­schiedenen Phänomenbereichen zugeordnet werden müssen? (Bit­te nach Jahr und verschiedenen Phänomenbereichen mit demsel­ben Täter aufschlüsseln)

Eine Auswertung im Hinblick auf Täter, die politisch motivierte Straftaten begangen haben, die unterschiedlichen Phänomenbereichen zuzuord­nen sind, erfordert eine Einzelauswertung. Diese ist in der zur Beantwor­tung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar.

Frage 4: Gibt es Delikte, die grundsätzlich nur einem Phänomenbereich zugeordnet werden können?

Nein.

Frage 5: Bei wie vielen Straftaten musste die Kategorisierung in den ver­gangenen fünf Jahren im Laufe der Ermittlungen korrigiert wer­den? (Bitte nach Straftat, Phänomenbereich und Jahr aufschlüs­seln)

Änderungen der statistischen Zuordnung von Straftaten zu den einzel­nen Phänomenbereichen im KPMD-PMK werden nicht separat erfasst.

Es liegen keine Daten dazu vor.

 

Herbert Reul