Kleine Anfrage 3789
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Enxhi Seli-Zacharias AfD
„DEMOKRATIE VERTEIDIGEN, AFD STOPPEN!“ – Kindertageseinrichtungen als politische Instrumentalisierung?
In der Vergangenheit kam es vor allem an Kölner Schulen wiederholt zu politischer Positionierung und Instrumentalisierung, wie dem Hissen der Fahnen des sogenannten Aktionsbündnisses „Kein Veedel für Rassismus“. Dieses Bündnis ist bekannt für seine einseitigen und stark vereinfachenden Urteile über parteipolitische Angelegenheiten.1
Nun zeigt sich, dass politische Positionierung und Instrumentalisierung selbst vor Kindertageseinrichtungen nicht mehr Halt machen, wie zum Beispiel an der städtischen Tageseinrichtung für Kinder Margarethe-Zingler-Haus in Gelsenkirchen. An den Fenstern der Einrichtung sind Plakate angebracht, die eine deutliche Ablehnung gegenüber der Partei „Alternative für Deutschland“ offenlegen. Auf den Plakaten steht: „DEMOKRATIE VERTEIDIGEN, AFD STOPPEN!“ und „Lieber kunterbunt als kackbraun“.
Dabei schreibt die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe in ihrem Positionspapier „Demokratisch und nicht indifferent – Orientierungen und Positionierungen zum Neutralitätsgebot in der Kinder- und Jugendhilfe“:
„In der Kindertagesbetreuung gehört der Bildungsauftrag zum anerkannten Alltagsgeschehen. In den vergangenen Jahren wurde vielfach herausgearbeitet, dass hierzu auch gehört, dass Fachkräfte die Kinder beim Erlernen und Erleben demokratischer Basisfähigkeiten fördern. […] Das Neutralitätsgebot setzt in diesem Kontext lediglich die inhaltliche Grenze, parteipolitisch neutral zu bleiben. Parteien, die nicht verboten wurden, haben grundsätzlich Anspruch darauf, von staatlichen Stellen und bei öffentlich geförderten Angeboten gleichmäßige Berücksichtigung zu finden. Politisch-inhaltliche Auseinandersetzungen sind jenseits parteipolitischer Neutralität mit Blick auf das Neutralitätsgebot hingegen erwünscht. Dazu kann auch die Vermittlung von Kenntnissen an Kinder und Jugendliche gehören, welche Parteien oder politischen Strömungen welche Auffassungen vertreten, um ihnen zu ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden, welche dieser Ansichten sie selbst gutheißen oder ablehnen. Auch im Rahmen von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe dürfen sich Demokratieförderung, politische Bildung oder andere Formate der Meinungsbildung nicht direkt gegen oder für Parteien richten. Dies gilt unmittelbar für alle dem öffentlichen Recht zugeordneten Träger (öffentliche Träger und juristische Personen des öffentlichen Rechts).“2
Die eindeutige Ablehnung einer Partei steht hier im direkten Widerspruch zur parteipolitischen Neutralität.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Ist der Landesregierung bekannt, dass in öffentlichen Kindertageseinrichtungen in NRW Plakate mit deutlicher parteipolitischer Ablehnung angebracht werden?
- Beabsichtigt die Landesregierung, weiteren Fällen dieser Art nachzugehen?
- Wie bewertet die Landesregierung das Anbringen von Plakaten mit eindeutiger parteipolitischer Ablehnung gegen eine bestimmte Partei in öffentlichen Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in NRW, insbesondere vor dem Hintergrund, dass damit auch eine klare parteipolitische Positionierung zum Ausdruck gebracht wird?
- Sieht die Landesregierung im Anbringen von Plakaten mit eindeutiger parteipolitischer Ablehnung gegen eine Partei in öffentlichen Kindertageseinrichtungen in NRW eine Verletzung des parteipolitischen Neutralitätsgebots in der Kinder- und Jugendhilfe?
- Wie beabsichtigt die Landesregierung gegen den Verstoß gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot in der genannten Kindertageseinrichtung vorzugehen?
Zacharias Schalley
Enxhi Seli-Zacharias
1 https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2021/kein-veedel-fuer-rassismus-schulen2/ (abgerufen am 15.04.2024)
2 https://www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2023/Positionspapier_Neutralit%C3%A4tsgebot.pdf (abgerufen am 15.04.2024)
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine Anfrage 3789 mit Schreiben vom 19. Juni 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Ist der Landesregierung bekannt, dass in öffentlichen Kindertageseinrichtungen in NRW Plakate mit deutlicher parteipolitischer Ablehnung angebracht werden?
- Wie beabsichtigt die Landesregierung gegen den Verstoß gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot in der genannten Kindertageseinrichtung vorzugehen?
Die Fragen 1 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Entgegen der Annahme der Fragesteller wurden die Plakate nicht in der genannten Kindertageseinrichtung aufgehangen, sondern in dem in direkter Nachbarschaft befindlichen Alfred-Zingler-Haus. Dieses befindet sich nicht in städtischem Eigentum und wird auch nicht durch eine städtische Einrichtung genutzt. Ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot kann vor diesem Hintergrund nicht erkannt werden. Über diesen Fall hinaus liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.
- Beabsichtigt die Landesregierung, weiteren Fällen dieser Art nachzugehen?
Die Landesregierung geht grundsätzlich konkreten Hinweisen, die auf mögliche Rechtsverstöße durch Kommunen hindeuten, nach.
- Wie bewertet die Landesregierung das Anbringen von Plakaten mit eindeutiger parteipolitischer Ablehnung gegen eine bestimmte Partei in öffentlichen Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in NRW, insbesondere vor dem Hintergrund, dass damit auch eine klare parteipolitische Positionierung zum Ausdruck gebracht wird?
- Sieht die Landesregierung im Anbringen von Plakaten mit eindeutiger parteipolitischer Ablehnung gegen eine Partei in öffentlichen Kindertageseinrichtungen in NRW eine Verletzung des parteipolitischen Neutralitätsgebots in der Kinder- und Jugendhilfe?
Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Neutralitätsgebot folgt aus dem Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit. Ob ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot vorliegt, ist für jeden Einzelfall gesondert zu bewerten und kann nicht pauschal beurteilt werden. Die Prüfung der staatlichen Kommunalaufsichtsbehörden ist auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt.