Der Justiz die Augen öffnen. Gute Statistik führt zu mehr Effektivität.

Antrag
vom 29.09.2020

Antragder AfD-Fraktion vom 29.09.2020

 

Der Justiz die Augen öffnen. Gute Statistik führt zu mehr Effektivität.

I. Ausgangslage

Als Ergebnisse empirischer Forschung sind Statistiken unabdingbar. Auf dieser Grundlage können Entscheidungen zur Ausrichtung der politischen Willensbildung und des zukünftigen staatlichen Handelns getroffen werden. Aussagekräftige Statistiken ermöglichen anhand definierter Kriterien den Nachweis des Erfolgs von politischen Konzepten und Instrumenten.

Die Justiz erhebt und veröffentlicht regelmäßig die Strafverfolgungsstatistik. In dieser werden Angaben zu rechtskräftig abgeurteilten Personen erhoben, die sich wegen Verbrechen oder Vergehen nach dem Strafgesetzbuch oder nach anderen Bundes- bzw. Landesgesetzen verantworten mussten. Diese Statistik bezieht sich auf Sekundärerhebungen auf der Basis der Verwaltungsdaten der Strafvollstreckungsbehörden, insbesondere der Staatsanwaltschaften und Jugendgerichte.1

Die Strafverfolgungsstatistik differenziert vor allem nach Deliktsgruppen, welche sich wiederum an den Normen des StGB orientieren, sowie nach Jahren, Personengruppen, primär eingeteilt nach Altersgruppen und Geschlecht.2 Vereinzelt wird noch innerhalb der Deliktsgruppen nach dem jeweiligen Delikttypus differenziert, bspw. die Differenzierung des Strafspruchs beim Wohnungseinbruchsdiebstahl oder die Ausübungsart bei den Gewaltdelikten.3 Auf der Internetseite des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen sind noch weitere Statistiken, unter anderem zu Bearbeitungszeiten der Gerichtsverfahren vor den einzelnen Instanzen der Gerichtsbarkeiten, zu den Belegungszahlen der Justizvollzugsanstalten sowie zur Anzahl und zur Entwicklung von Rechtsanwälten und Notaren in Nordrhein-Westfalen.4

Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) bezieht hingegen einzelne Deliktsarten, den Umfang und die Zusammensetzung des Kreises der Tatverdächtigen sowie weitere Faktoren in die Auswertung ein. Die PKS dient als Basis für die Erlangung von Erkenntnissen zur vorbeugenden und verfolgenden Kriminalitätsbekämpfung, für organisatorische Planungen und Entscheidungen sowie für kriminologisch-soziologische Forschungen und kriminalpolitische Maßnahmen. Als Ausgangsstatistik bildet sie nur die bekannt gewordenen und endbearbeiteten Straftaten, inklusive der mit Strafe bedrohten Versuche, ab; eine statistische Erfassung erfolgt also erst bei Abgabe an die Staatsanwaltschaft oder an das Gericht.5 Die PKS schlüsselt dementsprechend die einzelnen Deliktsbereiche teils nach den unterschiedlichen Umständen der Tat auf; sie fällt somit detaillierter aus als die Strafverfolgungsstatistik.

Da die PKS jedoch nur die polizeilichen Eingänge bis zur Übergabe an das Gericht oder an die Staatsanwaltschaft darstellt, sind nur die Anfänge des Ermittlungsverfahrens, jedoch nicht dessen Ergebnisse in der Statistik abgebildet. Da die Hauptverfahren jedoch die spiegelbildliche Kehrseite der Ermittlungsverfahren darstellen, ist es vor allem statistisch relevant, inwiefern die eingeleiteten Ermittlungen sich in einer abschließenden Entscheidung, also in einem (End-)Urteil, Freispruch oder ggf. einer Einstellung, niederschlagen. Daher ist eine Vergleichbarkeit der PKS mit der Strafverfolgungsstatistik erstrebenswert.

Aber auch andere wichtige Merkmale müssten für die Justiz noch zusätzlich erhoben werden, um langfristige Trends und Entwicklungen ausmachen und ggf. nachsteuern zu können. So liegen bspw. weder justizielle Daten über die Delinquenz von Asylberechtigten, Flüchtlingen und subsidiär Schutzsuchenden vor noch über die Anzahl aktuell offener zivilrechtlicher Haftbefehle.6,7 Aber auch die Eingangszahlen von Prozess-, Verfahrenskosten- oder Beratungshilfe werden insoweit nicht erfasst, als es sich hierbei nur um Erledigungsstatistiken handelt, und auch Verstöße bei der Meldepflicht von Infektionskrankheiten sind nicht dokumentiert.8,9 Ebenso fehlt es an einer tragfähigen und vergleichbaren Definition im Bereich der Clankriminalität.10

Eine Anpassung und Erweiterung der Justizstatistik ist daher notwendig.

II. Der Landtag stellt daher fest:

– Eine systematische statistische Erhebung der eingehenden Fallzahlen und Entscheidungen im Geschäftsbereich der Justiz ist eine wichtige Grundlage, um einen messbaren Ansatz der politischen Konzepte und Instrumentarien zu erhalten und einen langfristigen nachweisbaren Erfolg des Rechtsstaats abzusichern.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. Eine Überarbeitung der bisherigen Justizstatistik ist vorzunehmen:

– diese soll dahingehend überarbeitet werden, dass als Mindeststandard vergleichbare Faktoren in der Aufschlüsselung wie in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik herangezogen werden,

– insbesondere sollen verfahrensbeendende oder -abändernde Entscheidungen, wie Endurteile, Freisprüche, Einstellungen mitsamt Einstellungsgründen, Verfahrenstrennungen oder -verbindungen, hinreichend dargestellt werden und einen Vergleich zur PKS ermöglichen.

  1. Darüber hinausgehend:

– die Statistiken im Bereich der zivilrechtlichen Haftbefehle ebenfalls dahingehend auszubauen, dass die Anzahl von nicht vollstreckten Haftbefehlen erfasst wird,

– eine Statistik über die Untersuchungshaft zu führen, welche die Anzahl an Ersttätern und Wiederholungstätern einschließt,

– eine Statistik über Clankriminalität und deren Auswirkungen zu entwickeln,

– eine Aufstellung über die Meldung von Infektionskrankheiten gemäß der §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes sowie über sonstige bedeutsame und ansteckende Infektionskrankheiten gemäß der „Verwaltungsvorschrift zum Umgang mit ansteckenden Erkrankungen in Justizvollzugsreinrichtungen in Nordrhein-Westfalen“ zu entwickeln,

– die Delinquenz von Tätern mit Migrationshintergrund sowie von Asylberechtigten, Flüchtlingen und subsidiär Schutzsuchenden statistisch zu erfassen sowie

– die eingehenden Anträge der Beratungs-, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe ebenfalls statistisch einzubeziehen, um ein gesamtes Lagebild zu erhalten.

Thomas Röckemann
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 https://www.it.nrw/node/431/pdf#:~:text=In%20der%20Strafverfolgungsstatistik%20werden%20Angab  en,Landesgesetzen%20verantworten%20mussten. (abgerufen am 22.09.2020).

2 https://www.it.nrw/statistik/eckdaten/aufgrund-von-straftaten-nach-dem-stgb-verurteilte-personen-nach-hauptdelikts-und (abgerufen am 22.09.2020).

3 https://www.justiz.nrw/Gerichte_Behoerden/zahlen_fakten/statistiken/strafrechtspflege/Strafverfolgung sstatistik_2018.pdf (abgerufen am 22.09.2020).

4 https://www.justiz.nrw/Gerichte_Behoerden/zahlen_fakten/statistiken/index.php (abgerufen am 22.09.2020).

5 https://polizei.nrw/artikel/polizeiliche-kriminalstatistik (abgerufen am 22.09.2020).

6 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-9657.pdf (abgerufen am 22.09.2020).

7 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-8491.pdf (abgerufen am 22.09.2020).

8 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-10222.pdf (abgerufen am 22.09.2020).

9 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-9538.pdf (abgerufen am 22.09.2020).

10 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-7472.pdf (abgerufen am 22.09.2020).