Der Kauf von Flüssigerdgas (LNG) belastet die Armen auf der Welt: Werden mehr Menschen durch die LNG-Politik sterben und wie bewertet die Landesregierung diese Politik im Zuge der Energiewende?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 319
des Abgeordneten Christian Loose vom 11.08.2022

 

Der Kauf von Flüssigerdgas (LNG) belastet die Armen auf der Welt: Werden mehr Menschen durch die LNG-Politik sterben und wie bewertet die Landesregierung diese Politik im Zuge der Energiewende?

Die sogenannte Energiewende hat vor allem zu einem geführt: einer massiven Abhängigkeit von Gas – insbesondere für die Stromproduktion. Bereits vor dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands stiegen die Gaspreise massiv an. Da durch den Wechsel weg von Kernkraft und Kohlekraft Gaskraftwerke immer mehr zu Preissetzern am Strommarkt wurden, erhöhte dies die Strompreise an der Börse massiv. Der Strompreis stieg zwischenzeitlich auf den 10-fachen Wert gegenüber dem langjährigen Durchschnitt.1

Unbeirrt von diesen offensichtlichen Marktpreiseffekten und den starken Abhängigkeiten vom Energieträger Gas hält die sogenannte Ampelkoalition am Ziel fest, für ihre „Energiewende“ auf unbestimmte Zeit Gas als Brückentechnologie nicht nur weiter zu nutzen, sondern diese Nutzung auch noch weiter auszubauen: „Wir beschleunigen den massiven Ausbau der Erneu­erbare [sic!] Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken.“2

Die steigenden Preise für Gas machen aber nicht nur deutschen Verbrauchern zu schaffen. „Europa kauft gigantische Mengen Flüssiggas – „Das stürzt Millionen Menschen in die Dunkel-heit““ überschreibt das Handelsblatt einen Artikel und fährt fort: „Europäische Länder suchen akut nach Alternativen zu russischer Energie. Dabei treiben sie Schwellenländer aus dem Markt und blockieren deren Energiewende. […] Europa ringt um Alternativen zu russischem Gas – und in Schwellenländern geht das Licht aus. In Bangladesch beherrschen derzeit mitten in der Sommerhitze tägliche, oft stundenlange Stromausfälle den Alltag. Einkaufszentren und Märkte müssen auf Anordnung der Behörden bereits wenige Stunden nach Einbruch der Dunkelheit schließen, um Energie zu sparen. Den Kraftwerken fehlt es seit Wochen an ausreichenden Brennstoffen, um genug Strom für die knapp 170 Millionen Einwohner des Landes zu produzieren. Die Krise ist direkte Folge der Turbulenzen an den europäischen Energiemärkten: Russlands verringerte Gaslieferungen haben die europäische Nachfrage nach per Schiff geliefertem Flüssiggas stark ansteigen lassen. In Schwellenländern des globalen Südens, die bereits auf Liquefied Natural Gas (LNG) setzten, sind die Gastanker hingegen rar geworden. Die lokalen Energieversorger können es sich nicht mehr leisten, angesichts des Preisanstiegs am Weltmarkt mitzubieten.“3

Ähnliche Ausführungen sind im Manager-Magazin zu lesen: „Europa deckt sich verstärkt mit Flüssigerdgas aus den USA und den Golfstaaten ein. Für den Transport werden LNG-Tanker genutzt, die zuvor Länder wie Pakistan oder Bangladesch beliefert haben. Diese gehen bei der Energieversorgung nun oft leer aus. Die Lage in Pakistan spitzt sich zu. Nicht selten ist das Land für mehrere Stunden pro Tag ohne Strom. Klimaanlagen und das Internet fallen dann aus, wichtige Industrien werden vom Netz genommen, Mitarbeiter von Unternehmen und Behörden sollen möglichst von zu Hause aus arbeiten. Ähnliche Berichte häufen sich auch aus Indien, Bangladesch und Myanmar. All diese Schwellenländer eint, dass sie bei ihrer Energieversorgung früh auf „Liquefied Natural Gas“ (LNG) gesetzt haben.“4

Die Ärmsten der Armen tragen nun die Folgen der deutschen Politik unter den letzten beiden Kanzlern Schröder und Merkel, einseitig auf immerwährende Gaslieferungen aus Russland zu setzen.

Dabei blockt Minister Habeck auch alle Versuche ab, durch eigene Erdgasaufschlüsse die Importabhängigkeit von Gas zu reduzieren. Die Hälfte der Gasimporte aus Russland könnte nach Einschätzung von Experten durch Fracking von über 1.000 m tief liegendem Schiefer­gestein gefördert werden. Die WELT titelt „Deutschland braucht jetzt Fracking“ und schreibt weiter: „Gutachten deutscher Forschungsinstitute belegen, dass Fracking im Prinzip unbedenklich ist. Trotzdem hat die Politik die Technologie verboten. Dabei lagern unter Deutschland riesige Erdgas-Vorräte, die jetzt aus der Energie-Krise führen könnten. […] Ein Verbot dieser Erdgas-Fördertechnologie ist unbegründet, die Risiken sind beherrschbar. Zu dem Ergebnis kamen unisono Gutachten deutscher Forschungsinstitute. Politiker hatten die Studien in den 2010er-Jahren in Auftrag gegeben, weil Deutschland sich per Fracking auf Jahrzehnte hinaus mit Erdgas aus dem eigenen Land versorgen könnte, anstatt es in Russland oder anderswo zu kaufen.“5

Deutschland ist durch die zunehmende LNG-Nachfrage mitverantwortlich dafür, dass die Gaspreise in für Schwellen- und Entwicklungsländer unerreichbare Höhen steigen. Damit kommt es in diesen Ländern zu massiven Verschlechterungen der ohnehin fragilen Lebensverhältnisse – zu Lasten des wohlhabenden Deutschlands. Und das, obwohl Deutsch­land nicht nur mittels Kohle- und Kernkraftwerken Gaskraftwerke bei der Stromproduktion ersetzen könnte, nein auch, obwohl riesige, eigene Gasvorkommen in deutschen Böden schlummern.

Daher frage ich die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass (auch) deutsche Zukäufe von LNG massive Verschlechterungen der Lebensqualität – bis zu vermehrten Todesfällen – in diversen Schwellen- und Entwicklungsländern bewirken?
  2. Inwiefern wird sich die Landesregierung für die dauerhafte Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerken in NRW – zum Beispiel des in Reserve befindlichen Kraftwerks Westfalen E – einsetzen, um die Abhängigkeit vom Gas für die Stromproduktion zu reduzieren?
  3. Inwiefern wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für einen verlängerten Betrieb der drei aktuell betriebenen Kernkraftwerke bzw. für die Rückkehr der seit Ende 2021 ruhenden Kraftwerke (Brokdorf, Grohnde, Gundremmingen) einsetzen, um die Abhängigkeit vom Gas für die Stromproduktion zu reduzieren?
  4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag aus der Wissenschaft zur Inbetriebnahme von Nord Stream 2 unter der Voraussetzung, dass Russland einem Waffenstillstand zustimmen würde?
  5. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag aus der Wissenschaft, das Verbot für Fracking-Gas unter strengen Auflagen aufzuheben?

Christian Loose

 

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1 Vgl. https://finanzmarktwelt.de/strompreis-steigt-kraeftig-1-000-prozent-241588/abgerufen am 05.08.2022.

2 Vgl. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/

04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1, Seite 59, abgerufen am 03.08.2022.

3 Vgl. https://www.handelsblatt.com/politik/international/energiekrise-europa-kauft-gigantische-mengen-fluessiggas-das-stuerzt-m illionen-menschen-in-die-dunkelheit/28556708.html, abgerufen am 05.08.2022.

4 Vgl. https://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/lng-tanker-die-weltweite-jagd-nach-fluessigerdgas-a-e61e726e-6732-4c3b-8094-f801fda1029b, abgerufen am 05.08.2022.

5 Vgl. https://www.welt.de/debatte/kommentare/article239492385/Energie-Krise-Deutschland-braucht-jetzt-Fracking.html, abgerufen am 05.08.2022.


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 319 mit Schreiben vom 14. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass (auch) deutsche Zukäufe von LNG massive Verschlechterungen der Lebensqualität bis zu vermehrten To­desfällen in diversen Schwellen- und Entwicklungsländern bewirken?

Die Landesregierung wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf allen Ebenen dafür einset­zen, dass Energielieferungen wie zum Beispiel die weltweiten Zukäufe von LNG in den ent­sprechenden Ländern nicht zu einer Verschlechterung der dortigen Lebensbedingungen und Lebensqualität führen.

  1. Inwiefern wird sich die Landesregierung für die dauerhafte Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerken in NRW zum Beispiel des in Reserve befindlichen Kraft­werks Westfalen E einsetzen, um die Abhängigkeit vom Gas für die Strompro­duktion zu reduzieren?

Ein wichtiger Baustein zur Reduzierung des Gasverbrauchs ist die Senkung des Einsatzes von Erdgas in der Stromerzeugung. Hierfür hat der Bundestag am 8. Juli 2022 das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) beschlossen, das am 12. Juli 2022 in Kraft getreten ist. Das Gesetz umfasst Maßnahmen, mit denen befristet bis zum 31. März 2024 Erdgas im Stromsektor eingespart werden kann. Die Landesregierung unterstützt die beschlossenen Re­gelungen für eine befristete Rückkehr von nicht durch Erdgas befeuerten Kraftwerken in den Markt. Die Entscheidung für die Rückkehr in den Strommarkt liegt dabei bei den Betreibern. Das Ziel der Landesregierung, den Kohleausstieg bis 2030 umzusetzen, bleibt erhalten.

  1. Inwiefern wird sich die Landesregierung auf Bundesebene für einen verlängerten Betrieb der drei aktuell betriebenen Kernkraftwerke bzw. für die Rückkehr der seit Ende 2021 ruhenden Kraftwerke (Brokdorf, Grohnde, Gundremmingen) einsetzen, um die Abhängigkeit vom Gas für die Stromproduktion zu reduzieren?

Zur Klärung u.a. der energiewirtschaftlichen Erforderlichkeit eines verlängerten Betriebs von Kernkraftwerken hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen sogenannten Stresstest in Auftrag gegeben. Am 5. September 2022 wurden die Ergebnisse vorgestellt. Die Landesregierung wird diese Ergebnisse nun auswerten.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag aus der Wissenschaft zur Inbe­triebnahme von Nord Stream 2 unter der Voraussetzung, dass Russland einem Waffenstillstand zustimmen würde?

Die Landesregierung nimmt zu hypothetischen Fragen grundsätzlich nicht Stellung. Im Übri­gen unterstützt sie die europäischen und deutschen Sanktionen gegen die Russische Föde­ration, die infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erlassen wurden.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag aus der Wissenschaft, das Ver­bot für Fracking-Gas unter strengen Auflagen aufzuheben?

Das Aufbrechen von Gestein (Fracking) in „unkonventionellen“ Lagerstätten ist durch 2017 in Kraft getretene Regelungen im Wasserhaushaltsgesetz ausgeschlossen worden. Im Bericht der Expertenkommission Fracking 20226 ist ausgeführt, dass sich mit dem Krieg gegen die Ukraine zwar die politische Situation im Hinblick auf die Energiesicherheit grundlegend geän­dert habe. Dieser Umstand ändere aber nichts an den geologischen Gegebenheiten in Deutschland und der wissenschaftlich-technischen Bewertung der untersuchten Risikoberei­che Methanemissionen, induzierte Seismizität sowie Grundwasser und Oberflächengewässer. Die mit dem Bericht 2021 vorgelegten Ergebnisse und daraus abgeleiteten Empfehlungen gel­ten aus Sicht der Expertenkommission somit fort. Vor diesem Hintergrund steht die Landesre­gierung der Aufhebung des Verbotes ablehnend gegenüber und konzentriert sich dagegen konsequent auf den beschleunigten Ausbau der Nutzung Erneuerbarer Energien.

 

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Beteiligte:
Christian Loose