Der Letzte macht das Licht aus – Energieversorgungssicherheit in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage
vom 14.03.2022

Kleine Anfrage 6475des Abgeordneten Thomas Röckemann vom 14.03.2022

 

Der Letzte macht das Licht aus Energieversorgungssicherheit in Nordrhein-Westfalen

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz schätzt die Gefahr eines flächendeckenden totalen Stromausfalls in Europa als wahrscheinlichste Katastrophe ein. Grund hierfür sind die Energiewende und das Abschalten der Atomkraftwerke in Deutschland.

Im Jahre 2021 kam es zweimal fast zu einem flächendeckenden Stromausfall. Die durch einen flächendeckenden Blackout entstehenden Schäden werden dabei vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz höher eingestuft als die Schäden einer neuerlichen Pandemie oder von Regenfluten, wie sie im Sommer letztens Jahres zu Überflutungen geführt haben.

Schon wenige Tage – das Bundesamt nimmt hierbei konkret einen Zeitraum von drei Tagen an – ohne Strom würden katastrophale Ausmaße annehmen, da unter anderem die Trinkwasserversorgung zusammenbrechen und Notstromaggregate nicht mehr mit Diesel versorgt werden könnten. Die flächendeckende Versorgung mit Lebensmitteln, lebensnotwendigen Gütern und entsprechenden Dienstleistungen könnte nicht mehr vollumfänglich sichergestellt werden.

Die damalige Bundesregierung hatte unter Wirtschaftsminister Altmeier unter dem Eindruck des fast eingetretenen Blackouts einen Gesetzentwurf vorgelegt, der unter anderem große Energieverbraucher wie Elektro-Autos und Wärmepumpen zeitweise vom Netzbetrieb abkoppeln sollte, sollte es zu Schwankungen im Stromnetz kommen.1

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie oft kam es innerhalb der letzten fünf Jahre im nordrhein-westfälischen Stromnetz zu Schwankungen, welche die Gefahr eines flächendeckenden Blackouts innehatten? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kreis bzw. Gemeinde, getroffenen Gegenmaßnahmen)
  2. Sind strafrechtlich relevante Sachverhalte aus den letzten fünf Jahren bekannt, welche die energieproduzierende bzw. energieversorgende Infrastruktur beeinträchtigen sollten, bspw. durch Sabotage oder Cyberattacken? (Bitte auflisten nach Jahr, Art der Manipulation, Deliktart, Art der Beendigung der Ermittlungen bzw. des Strafprozesses)
  3. Welche Notfallpläne und Gegenmaßnahmen hat die Landesregierung für den Fall eines flächendeckenden Stromausfalls ausgearbeitet?
  4. Sind zur Verhinderung von flächendeckenden Stromausfällen Maßnahmen geplant, Infrastrukturen bzw. kritische Infrastrukturen, Landkreise oder einzelne Gemeinden, große energieverbrauchende bzw. energieerzeugende Anlagen vom Stromnetz vorübergehend zu kappen, sollte es zu starken Schwankungen innerhalb des Stromnetzes kommen?
  5. Welche Anlagen, Landkreise, Gemeinden, Infrastrukturen bzw. kritischen Infrastrukturen sollen dann zu welchen Zeitpunkten abgeschaltet werden (Bitte erläutern, welche Priorität ist für eine derartige Abschaltung vorgesehen ist)?

Thomas Röckemann

 

1 https://www.focus.de/wissen/energieversorgung-gefaehrdet-koalitionsgespraeche-und-blackout-energiewende-macht-stromausfall-nun-immer-wahrscheinlicher_id_24301974.html (abgerufen am 03.03.2022).

 

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Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine An­frage 6475 mit Schreiben vom 11. April 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind die Übertragungsnetzbe­treiber berechtigt und verpflichtet, sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromab­nahmen in ihren Regelzonen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs des Übertragungsnetzes anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen, sofern sich eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssys­tems in der jeweiligen Regelzone, d.h. auf allen Netzebenen durch Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen lässt.

Dies gilt auch für die Verteilnetzbetreiber im Rahmen ihrer Verteilungs-aufgaben, soweit sie für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgung in ihrem Netz verantwortlich sind. Darüber hinaus sind die Verteilnetzbetreiber verpflichtet, Maßnahmen des Übertragungs­netzbetreibers oder Maßnahmen eines nach § 14 Abs. 1 Satz 1 EnWG verantwortlichen Netz­betreibers, in dessen Netz sie unmittelbar oder mittelbar technisch eingebunden sind, nach dessen Vorgaben und den dadurch begründeten Vorgaben eines vorgelagerten Verteilnetz-betreibers durch eigene Maßnahmen zu unterstützen, soweit diese erforderlich sind, um Ge­fährdungen und Störungen in den Elektrizitätsversorgungsnetzen mit geringstmöglichen Ein­griffen in die Versorgung zu vermeiden.

  1. Wie oft kam es innerhalb der letzten fünf Jahre im nordrhein-westfälischen Stromnetz zu Schwankungen, welche die Gefahr eines flächendeckenden Blackouts in­nehatten? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kreis bzw. Gemeinde, getroffene Ge­genmaßnahmen)

Als wichtige Kennzahl für Versorgungsunterbrechungen in den elektrischen Netzen Deutsch­lands dient der System Average Interruption Duration Index (SAIDI). Dieser gibt die jährlichen Versorgungsunterbrechungen in den elektrischen Nieder- und Mittelspannungsnetzen in Mi­nuten an. Die Stromversorgung in den deutschen Elektrizitätsnetzen ist im internationalen Ver­gleich sehr zuverlässig. Stromausfälle mit großflächigen Auswirkungen auf die angeschlosse­nen Verbraucher sind in Deutschland sehr selten. Im Jahr 2020 betrug der SAIDI für Deutsch­land 10,73 Minuten, für Nordrhein-Westfalen 9,89 Minuten. Insgesamt ist die Dauer der Ver­sorgungsunterbrechungen langfristig rückläufig. Eine Aufschlüsselung dieser Versorgungsun­terbrechungen nach Größe, Kreis und Gemeinden, liegen im Ministerium für Wirtschaft, Inno­vation, Digitalisierung und Energie nicht vor.

  1. Sind strafrechtlich relevante Sachverhalte aus den letzten fünf Jahren bekannt, welche die energieproduzierende bzw. energieversorgende Infrastruktur bein­trächtigen sollten, bspw. durch Sabotage oder Cyberattacken? (Bitte auflisten nach Jahr, Art der Manipulation, Deliktart, Art der Beendigung der Ermittlungen bzw. des Strafprozesses)

Die Generalstaatsanwaltschaften Düsseldorf, Köln und Hamm können keine Angabe zu straf­rechtlich relevanten Sachverhalten machen, da diese Verfahren statistisch nicht gesondert er­fasst werden. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war einerseits eine händische Auswertung sämtlicher in Betracht kommender Verfahrensakten nicht möglich bzw. auch auf Nachfrage bei den jeweiligen Dezernaten konnten entsprechende Vorgänge nicht identifiziert werden.

Zusätzlich wies die Generalstaatsanwaltschaft Köln (Zentral und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC NRW)) darauf hin, dass die Zahl der tatsächlichen Angriffe auf die energieproduzierende bzw. energieversorgende und damit als kritisch einzustufende Infrastrukturen und die Zahl der wegen derartiger Angriffsszenarien geführten Ermittlungsverfahren nicht zwangsläufig mitei­nander korrespondieren. Für die Unternehmen und Einrichtungen Kritischer Infrastrukturen bestehe zwar regelmäßig gegenüber dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine Meldepflicht für relevante Vorfälle, zur Erstattung einer Strafanzeige seien die Unterneh­men indes nicht verpflichtet.

  1. Welche Notfallpläne und Gegenmaßnahmen hat die Landesregierung für den Fall eines flächendeckenden Stromausfalls ausgearbeitet

Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Grundversorgung im Land Nordrhein-Westfalen wird durch das flächendeckende, ebenen- übergreifende Krisenmanagement in der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr schadens- und ursachenunabhängig sowie durch aufbau-und ablauforganisatorische Vorkehrungen im polizeilichen Bereich sichergestellt. Im Bereich des Katastrophenschutzes bestehen in Nordrhein-Westfalen besondere Verpflichtungen. So sind die Kreise und kreisfreien Städte nach § 4 Absatz 3 des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) verpflichtet, Katastrophenschutzpläne aufzustellen und fortzuschreiben. Im Rahmen der Aufstellung der Katastrophenschutzpläne sind alle Szenarien – und damit auch ein großflächiger Stromausfall – unter Einbeziehung der als kritisch eingestuften Infrastrukturen zu betrachten und entsprechende Schutzmaßnahmen vorzuplanen.

Zu der Gesamtthematik wird auf den schriftlichen Bericht des Ministers des Innern für die Sit­zung des Innenausschusses am 10. März 2022 – Vorlage 17/6531 – verwiesen.

  1. Sind zur Verhinderung von flächendeckenden Stromausfällen Maßnahmen ge­plant, Infrastrukturen bzw. kritische Infrastrukturen, Landkreise oder einzelne Ge­meinden, große energieverbrauchende bzw. energieerzeugende Anlagen vom Stromnetz vorübergehend zu kappen, sollte es zu starken Schwankungen inner­halb des Stromnetzes kommen?

Lässt sich eine Gefährdung oder Störung des Elektrizitätsversorgungssystems durch netz- o­der marktbezogene Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 EnWG nicht oder nicht rechtzeitig besei­tigen, werden vom jeweiligen Netzbetreiber Anpassungsmaßnahmen im eigenen Netz durch­geführt bzw. in nachgelagerten Netzen veranlasst. Der verantwortliche Netzbetreiber stellt dann mit Unterstützung seiner nachgelagerten Netzbetreiber die Sicherheit des Elektrizitäts­versorgungssystems mit den geringstmöglichen Eingriffen wieder her. Die Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmen erfolgt kaskadiert über alle Netzebenen, beginnend im Netz, in dem die Gefährdung oder Störung vorliegt. Im Rahmen dessen können Verbraucher zeitweise vom Netz getrennt werden.

  1. Welche Anlagen, Landkreise, Gemeinden, Infrastrukturen bzw. kritische Infra­strukturen sollen dann zu welchen Zeitpunkten abgeschaltet werden (Bitte erläu­tern, welche Priorität für eine derartige Abschaltung vorgesehen ist)?

Netzbetreiber sind berechtigt und verpflichtet, im Rahmen eines notwendigen Lastmanage­ments neben sämtlichen Stromeinspeisungen und Stromtransiten „sämtliche Stromabnah­men“ anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen. Das EnWG sieht keinerlei Ausnahme für eine bestimmte Gruppe von Stromabnehmern vor. Bei der Ausgestaltung ihres Lastmana­gements haben die Netzbetreiber jedoch im Hinblick auf Art und Reichweite der zu ergreifen­den Maßnahmen sowie in Hinblick auf die abzuschaltenden bzw. anzupassenden Netz- bzw. Lastkunden diskriminierungsfrei abzuwägen, welche Maßnahmen für den jeweils Betroffenen notwendig sind. Mit Blick auf die Minimierung des wirtschaftlichen Schadens, beispielsweise bei industriellen Großkunden, können über technisch sinnvolle Vereinbarungen (z. B. Einzel­verträge) Sonderregelungen über die Beteiligung am Lastmanagement getroffen werden (z.B. hinsichtlich Abschaltdauer, Abschaltzeitpunkt und Abschaltleistung).

 

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