Antrag
der Fraktion der AfD
Der Media Freedom Act der EU hat mit „Freedom“ nichts zu tun und muss abgelehnt werden!
I. Ausgangslage
Die EU-Kommission unternimmt einen neuerlichen Angriff auf die Souveränität der EU-Mitgliedsländer. Nach dem Digital Market Act (DMA) und dem Digital Service Act (DSA) soll jetzt dem Grundgesetz und den Ländern in Folge des European Media Freedom Act (EMFA) in Sachen der Pressefreiheit ein EU-„Board für Mediendienste“ übergeordnet werden.
Dass verantwortliche Politiker der EU echte oder vermeintliche Gefahren für die Pressefreiheit und Medienvielfalt in Ländern wie Polen, Ungarn und auch Frankreich sehen (wollen), in einem ewig gleichen Reflex das Subsidiaritätsprinzip missachten und damit die funktionierende Medienpolitik aller Staaten durch eine Superregulierungsbehörde konterkarieren wollen, hat selbst WDR-Intendant Tom Buhrow kritisiert: „Doch setze die EU-Kommission nicht weniger als einen Paradigmenwechsel ins Werk. Sie begreife die Rundfunkordnung allein als Faktor des Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt und verstoße gegen das Amsterdamer Protokoll von 1997.“1
In Deutschland zum Beispiel hat die Meinungs- und Pressefreiheit durch ausgewogene Checks and Balances der sogenannten vier Gewalten und dem Zusammenspiel aller verantwortlichen Bundesländer eine lange Tradition, die natürlich nicht frei von Mängeln ist. Die an-tragstellende Fraktion hat hier gerade die Rolle des quasi-staatlichen „öffentlich-rechtlichen“ Rundfunks immer wieder kritisiert.
Gleichwohl benötigt Deutschland keine Brüsseler Nachhilfe in der Medienpolitik. Die Hoheit der Länder in der Medienordnung ist gute deutsche Verfassungstradition, und die Pressefreiheit wurde 1949 mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit starken Wurzeln ausgestattet.
Dabei stehen Ansehen und Glaubwürdigkeit der Journalisten seit Jahrzehnten nicht besonders hoch. Schon 1984 kritisierten junge Journalisten in dem Buch des Journalistiklehrers Wolf Schneider „Unsere tägliche Desinformation“2 ihre Branche: „Wir werden nicht richtig informiert. Wir leben mit der täglichen Desinformation“. Verschiedene Umfragen zur Glaubwürdigkeit der Medien zeigen, dass zuletzt in den 2020er Jahren das Vertrauen noch einmal gesunken ist. Dabei hat das Fernsehen den größten Vertrauensverlust innerhalb eines Jahres erfahren.3 Dem Lokaljournalismus in Deutschland wird dagegen studienübergreifend die größte Glaubwürdigkeit über Jahre hinweg bestätigt.4 Ebenso dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dem jedoch gleich nach den Boulevardmedien am häufigsten Lügen unterstellt werden, wobei 42% der Befragten 2015 glaubten, dass die Politik den Medien Vorgaben für die Berichterstattung macht.5
Es darf keinen Automatismus, kein Dogma von Journalismus und Berichterstattung geben, die qua Definition gutzuheißen sind. Es ist ein fortwährender Balancekampf um Anerkennung und Glaubwürdigkeit der Medien, der Politik und der Bevölkerung, der vor Ort, in den Regionen, den Bundesländern und auch bundesweit geführt wird. Demokratie darf nicht verordnet, sondern muss vor Ort gelebt werden.
Die Europäische Union, insbesondere die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen, zeigt mit ihrem Europäischen Aktionsplan für Demokratie (EDAP), dass sie ihren Mitgliedsländern keine eigenen demokratischen Resilienzen und Selbstheilungskräfte zutraut. Dabei verfügen die Institutionen der Mitgliedsstaaten ausnahmslos über eine weit größere demokratische Legitimation als die Kommission und die übrigen Organe der EU.
Gerade in Deutschland – mit der Erfahrung zweier Diktaturen und seinen durch kontroverse Debatten und Verfassungsgerichtsurteilen zur Meinungs- und Pressefreiheit austarierten Kon-troll- und Sanktionsmechanismen – hat sich für alle Akteure eine Sensibilität für den demokratiestärkenden Einfluss von wahrhaftiger und guter Berichterstattung ergeben, sodass der im September vorgestellte Entwurf des European Media Freedom Act (EMFA) geradezu als Entmündigung empfunden wird. Heike Raab, Staatssekretärin für Medien in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, kritisierte am Entwurf der EU-Kommission, dass damit „Medienvielfalt und -freiheit durch einen Gesetzgebungsakt, der eben diese Ziele verfolgt, in Gefahr gebracht werden“.6
Der Verband VAUNET kritisiert, dass einerseits erneut Bürokratiemonster, besonders bei der Herstellung von mehr Transparenz der Eigentumsverhältnisse, entstehen, andererseits diese Verordnung keinen positiven Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der privaten Medien mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den sog. digitalen Gatekeeper-Plattformen hat.7
Nach der AVMD-Richtlinie8, dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA), die wohl noch in diesem Jahr in Kraft treten werden, ist der European Media Freedom Act (EMFA) als Ergänzung der AVMD-Richtlinie der nächste Versuch der EU, Einfluss auf die nationale Medienstruktur zu nehmen, was einen Bruch mit der Medienhoheit der deutschen Bundeländer bedeutet.
Bereits den bald in Kraft tretenden Digital Services Act (DSA) kritisierten der Medienverband der freien Presse (MVFP) und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sinngemäß als Totengräber der Pressefreiheit auf digitalen Monopolplattformen, und den in Teilen als dessen Korrektur angedachten neuen European Media Freedom Act (EMFA) als „Medienunfreiheitsverordnung“ und „Zerstörer der Pressefreiheit“9. Besonders wird auch von deutschen Medienregulierern das „Board für Mediendienste“ wie auch das „European Digital Services Board“ des Digital Service Acts als nicht mehr staatsfern angesehen“. Dr. Tobias Schmid, Europabeauftragter der Medienanstalten sowie Vorsitzender der European Regulators Group for Audiovisual Media Services (ERGA) und Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, betonte hier sehr diplomatisch die dringende Einhaltung der Staats-ferne10 sowie das Subsidiaritätsprinzip: „[D]ie Kommission [bewegt] sich mit dem EMFA-Ent-wurf „am Rande der Zuständigkeitsfrage“.“11
Ein FAZ-Korrespondent schreibt dazu: „Die Bemühungen der Europäischen Kommission um die Pressefreiheit in der EU sind schon erstaunlich. Sie legt ein Mediengesetz nach dem anderen vor, mit dem Meinungs- und Pressefreiheit geschützt werden sollen, und je mehr es davon gibt, desto weniger bleibt von der Freiheit übrig.“12
II. Der Landtag stellt fest
- Die EU und die Europäische Kommission verwickeln sich in einen performativen Widerspruch. Statt freie und unabhängige Medien zu sichern, wie es die Initiatoren vorgeben, entmündigt der Media Freedom Act der EU und greift in die Autonomie des deutschen Medienrechts ein.
- Das sogenannte „Medienfreiheitsgesetz“ widerspricht dem Subsidiaritätsprinzip der Europäischen Union. Die EU darf nur dann zuständig werden, wenn die Mitgliedstaaten selbst nicht in der Lage sind, wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen in einer Angelegenheit aktiv zu werden.
- Die EU und die EU-Kommission machen mit ihrem Europäischen Aktionsplan für Demokratie deutlich, dass sie die Mitgliedsländer nicht für entscheidungsfähig halten und ihnen keine eigenen demokratischen Resilienzen und Selbstheilungskräfte zutrauen.
- Dabei sind die Institutionen der EU (weit) weniger demokratisch legitimiert als die Organe ihrer Mitgliedstaaten.
- Es darf keinen Automatismus und kein Dogma eines „gutzuheißenden“ Journalismus geben. Der fortwährende Balancekampf um Anerkennung und Glaubwürdigkeit wird vor Ort, in den Regionen, den Bundesländern und auch bundesweit geführt.
III. Der Landtag beschließt:
- Die Landesregierung wird beauftragt, sich auf Bundes- und EU-Ebene vehement gegen jede Form von Medienregulierung seitens der Europäischen Union einzusetzen, zum Beispiel durch eine Bundesratsinitiative.
- Die Landesregierung wird beauftragt, sich gegen jede Zentralisierungsbestrebung in der Mediengesetzgebung entschieden zur Wehr zu setzen und die Medienhoheit der Länder zu verteidigen.
Sven W. Tritschler
Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 Htt ps:// www. Faz .net / aktuell/ feuilleton/ard-chef-tom-buhrow-zu-neuem- mediengesetz- der-eu-18359237. html
2 „Unsere tägliche Desinformation. Wie die Massenmedien uns in die Irre führen“. Gruner und Jahr, Erstausgabe: 1984
3 RTL (RTL/n-tv-Trendbarometer) Januar 2022
4 Langzeitstudie zum Medienvertrauen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
5 Htt ps:/ /www. Infratest – dimap. de/ umfragen -analysen/bundesweit/umfragen /aktuell/glaubwuerdig-keit-der-medien/ Studie für WDR 2015
6 Htt ps:/ /www. medienpolitik. net/ 2022/ 11/ marktregulierung-ersetzt-keine-mitgliedstaatliche-medi-enregulierung/
7 Htt ps:// vau. net/ presse/ positionen/ vaunet-positioniert-sich-zum-european- media-freedom-act/
8 Richtlinie 2018/1808/EU
9 Htt ps:// www. f az. net/a ktuell/ feuilleton/ medien/ eu-schraenkt-pressefreiheit-mit-neuem-medienge-setz-ein-18311147.html
10 Htt ps:// www. blm. De / infothek/ publikationen/magazin_tendenz/ tendenz-
1_2022/26_27_emfa.cfm
11 Htt ps:/ /www. rnd. de/ medien/ streit-zwischen-eu-kommission-und-bundeslaendern-wegen-medi-enfreiheitsgesetz-E5YVQMYA3KOCXBU3YQMVDR363A. html
12 Htt ps:// www. faz. net/ aktuell/ feuilleton/ medien/ eu-schraenkt-pressefreiheit-mit-neuem-medien-gesetz-ein-18311147.html