Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene unverzüglich für die Beendigung der seit 2015 andauernden Grenzschutzkrise einsetzen und dabei die Umsetzung der For¬derungen des Deutschen Landkreistags einfordern

Antrag
vom 12.12.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene unverzüglich für die Beendigung der seit 2015 andauernden Grenzschutzkrise einsetzen und dabei die Umsetzung der For­derungen des Deutschen Landkreistags einfordern

I. Ausgangslage Maßnahmen der NRW-Landesregierung sowie der Bundesregie­rung im Nachgang des islamistischen Terroranschlags von Solingen

Im Nachgang des islamistischen Terroranschlags von Solingen kam es seitens der Landesre­gierung zu zwei migrations- und sicherheitspolitischen Bundesratsinitiativen, die geeignet sind, das seit 2015 bestehende grundlegende migrationspolitische Staatsversagen zu lindern. Zu einer grundlegenden Lösung tragen beide Initiativen allerdings leider nicht bei. Als Grundlage beider Initiativen dient das Maßnahmenpaket zu den Bereichen Sicherheit, Migration und Prä­vention, welches am 10. September 2024 von der Landesregierung beschlossen wurde.1

Die Entschließung des Bundesrates „Ordnung, Steuerung, Begrenzung und Humanität in der Migrationspolitik sicherstellen“2 greift an entscheidender Stelle zu kurz. So wird nach wie vor eine Umsetzung von Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen gefordert mit dem Ziel einer „gerechten Verteilung“ aller Personen, die eine „Bleibeperspektive“ haben. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass diese sogenannte „gerechte Verteilung“ eine Illusion bleiben wird, insbesondere ohne die Benennung jeglicher Obergrenze. Die Frage, warum die sogenannte „Bleibeperspektive“ nicht auch in den Nachbarländern, sondern offenbar nur innerhalb der EU gewährt wird bzw. erfolgen kann, bleibt ebenso unbeantwortet.

Die Forderung nach beschleunigten Asylverfahren von Personen aus Staaten mit einer Aner­kennungsquote unter fünf Prozent schließt automatisch alle Personen aus den derzeitigen Hauptherkunftsländern aus, womit der Effekt dieser Forderung absehbar gegen Null tendieren wird. Die meisten anderen Forderungen greifen erst nach der Einreise der Personen und ge­langen somit in die Abhängigkeit von anderen Akteuren bzw. Staaten. Die Erfahrungen der letzten Jahre machen in diesem Zusammenhang wenig Mut.

Die Entschließung des Bundesrates „Änderungen im Strafgesetzbuch und in der Strafprozess­ordnung zur Stärkung der Terrorismusbekämpfung“ greift gar erst im Falle von strafbaren Handlungen und bei der Terrorismusbekämpfung – somit also auch viel zu spät.3

Auch das Sicherheitspaket der Bundesregierung nach Solingen4 greift zu kurz. Nicht nur wird nach wie vor von irregulärer (statt illegaler) Migration gesprochen, sondern auch lediglich da­von, „Schutzsuchenden“, für die laut Dublin-Regelung ein anderer europäischer Staat zustän­dig ist, künftig keine Sozialleistungen mehr gewähren zu wollen, wenn der zuständige Mit­gliedsstaat der Rückübernahme zugestimmt hat und das Bundesamt für Migration und Flücht­linge ihre Ausreise in den zuständigen Staat für „rechtlich und tatsächlich möglich“ hält.

Die Anzahl der Personen, auf die dies so zutrifft, ist – wie die Erfahrung zeigt – anteilig zur Gesamtzahl der Personen eher gering. Die lediglich temporäre Notifizierung der deutschen EU-Binnengrenzen zeigt zwar Wirkung im Hinblick auf die Anzahl der festgestellten illegalen Einreisen, was aber nichts über die Anzahl der nicht festgestellten illegalen Einreisen aussagt. Zudem dient auch diese Maßnahme nicht der Unterbindung der illegalen innereuropäischen Sekundärmigration.

II. Forderungspapier des Deutschen Landkreistags im Zusammenhang mit dem Sicherheitspaket der Bundesregierung

Wie eine grundlegende Wende in der Migrationspolitik aussehen sollte, geht u. a. aus einem Forderungspapier des Deutschen Landkreistages (DLT) vom 02.09.20245 hervor, welches in weiten Teilen mit der Programmatik der AfD übereinstimmt. Der Forderungskatalog richtete sich an die Bundesregierung, die als Reaktion auf den islamistischen Terroranschlag von So­lingen, das oben erwähnte, sogenannte „Sicherheitspaket“ vorgelegt hat.

Der DLT stellt eingangs berechtigterweise fest, dass die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Kommunen erschöpft ist und eine strikte Begrenzung der irregulären Migration daher drin­gend erforderlich ist. Das ergibt sich daraus, dass in Deutschland in den letzten nahezu 10 Jahren 2,8 Millionen Asylerstanträge gestellt wurden. Seit Beginn des russischen Angriffs­kriegs gegen die Ukraine kamen – unter erstmaliger Anwendung der EU-Massenzustromricht-linie – weitere 1,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine hinzu. Daraus ergibt sich – allein aus humanitären Gründen – addiert ein Bevölkerungszuwachs von ca. 5 % der bisherigen Einwoh­nerzahl.

Dies hat Folgen in allen relevanten Bereichen, angefangen beim Wohnungsmarkt, im Schul­wesen, im Gesundheitswesen, im Bereich der inneren Sicherheit, bei den Sozialsystemen und nicht zuletzt in den Haushalten des Bundes, der Länder und der Kommunen. Daher stellt der DLT eingangs fest, dass ein Grundkonzept für eine grundsätzlich andere Migrationspolitik bis­her fehlt.

Das trifft aus unserer Sicht insbesondere auf die bisherigen Ampelparteien, aber nicht weniger auf die Union zu, die eine Antwort schuldig bleibt, wie und insbesondere mit wem sie ihre – für sie noch neuen und von der AfD übernommenen – bundespolitischen Forderungen umsetzen möchte. Das Verkünden von AfD-Positionen vor der Wahl reicht ausdrücklich nicht aus.

Der DLT hat in seinem Forderungskatalog grundsätzliche zusätzliche Forderungen aufgestellt, deren Umsetzung auch aus unserer Sicht unerlässlich sind – und zwar umgehend. Dazu zäh­len insbesondere:

  • Prüfung der Abschaffung des subsidiären Schutzstatus auf europäischer Ebene
  • Schutzgewährung für nicht von individueller (politischer) Verfolgung bedrohter Bürger­kriegsflüchtlinge in den Nachbarstaaten des betroffenen Landes
  • vollziehbar Ausreisepflichtige (ohne Duldung) konsequent abschieben
  • noch bestehende Abschiebungshindernisse schnell beseitigen
  • Identitätsklärung als Voraussetzung der Asylantragstellung
  • Asylanträge von Personen, deren Identität nicht durch Ausweisdokumente oder ver­gleichbare Unterlagen gesichert festgestellt werden kann, als unzulässig ablehnen
  • sicherzustellen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf Verbes­serungen der Sicherheitslage in den Herkunftsländern unmittelbar reagiert, erteilte An­erkennungen ggf. widerruft und damit die Grundlage dafür schafft, dass die Personen Deutschland wieder verlassen müssen
  • Untertauchen von Abzuschiebenden durch Haft oder Ausreisegewahrsam verhindern
  • die Feststellung, dass die Funktionsfähigkeit des Dublin-Systems derzeit nicht mehr ge­währleistet ist, vor allem, weil einzelne Länder einseitig die Zusammenarbeit aufgekün­digt haben bzw. berechtigten Aufnahmeersuchen nicht oder nur verzögert zustimmen
  • die Funktionsfähigkeit des Dublin-Systems dadurch erhöhen, dass bei Dublin-Fällen be­reits an den deutschen Grenzen eine Zurückweisung erfolgt
  • konsequente Grenzkontrollen als Voraussetzung für die Zurückweisung von Dublin-Fäl­len
  • für bestimmte Dublin-Fälle den Bezug von Sozialleistungen in Deutschland weitgehend ausschließen und dies auf alle „Schutzsuchenden“, für deren Antrag andere Mitglied­staaten der Union zuständig sind, und sonstige Ausreisepflichtige ohne Duldung auswei­ten
  • Leistungserbringung in diesen Fällen grundsätzlich nur noch in Form von Unterkunft und Versorgung in zentralen Abschiebeeinrichtungen
  • Auch die Leistungen an abgelehnte Asylsuchende, die sich nur aufgrund einer Duldung noch rechtmäßig in Deutschland aufhalten, bis auf das Niveau einer Grundversorgung kürzen
  • freiwillige Aufnahmeprogramme sofort zu beenden
  • Schnellverfahren in Transitzentren an der EU-Außengrenze auf alle Gruppen von „Ge­flüchteten“ ausweiten und
  • befristeter nationaler Aufnahmestopp gemäß EU-Recht als Ultima Ratio

Zu dieser wohl entscheidenden Forderung heißt es: „Sowohl das nationale Asylgrundrecht wie das internationale Flüchtlingsrecht stehen unter einem Notstandsvorbehalt. Kein Staat ist da­nach gezwungen, Flüchtlinge in einem Umfang aufzunehmen, der mit akuten Gefahren für das Funktionieren seiner Institutionen verbunden ist. […] Diese Grenzen sind in vieler Hinsicht erreicht oder sogar schon überschritten. […] Obschon das Unionsrecht zur Krisenbewältigung vorrangig auf das Miteinander und die Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander setzt, be­sagt Art. 72 AEUV, dass die migrationsrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts nicht die Wahr­nehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit berühren. Insbesondere in einer Zeit, in der die dezidierte Nichtbeachtung geltender unionsrechtlicher Verteilungsregelungen durch ein­zelne Mitgliedstaaten Zweifel an der Tragfähigkeit der gesamteuropäischen Solidarität wecken und der seit Jahren unbegrenzte Zuzug irregulärer Migranten ein Versagen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nahelegen, dürfte es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlos­sen sein, dass sich ein davon besonders negativ betroffener Mitgliedstaat wie Deutschland auf den Vorbehalt des Art. 72 AUEV beruft und einseitige Maßnahmen zur Begrenzung ergreift.“6

Dieser zentrale Kurswechsel, den die AfD seit Jahren fordert (zuletzt am 12.09.20247 und am 05.12.20248), wurde zuletzt auch durch die Union inhaltlich identisch übernommen (am 12.09.20249). Eine abschließende Beratung und Abstimmung über die Anträge scheitert nach dem Aus der Ampelregierung derzeit an der Union, die sich auf vorgebliche Sorgen vor uner­wünschter Zustimmung jenseits der ominösen Brandmauer beruft, ein Vorgang, der auch grundsätzlich die Ernsthaftigkeit des angeblichen migrationspolitischen Kurswechsels der Union mindestens in Frage stellt.

Auch im Rahmen der Innenministerkonferenz verpuffte – wie erwartet – eine entsprechende Forderung der unionsgeführten Länder. Die SPD-Innenminister verwiesen auf eine angebliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Zudem fürchten sie, dass es zu Verwerfungen mit den EU-Nachbarländern kommen könnte. All das lässt sich als Fingerzeig auf eine mögliche neue Ko­alition in Berlin werten – sprich darauf, dass sich grundlegend wohl nichts ändern wird.10

III. Der Landtag stellt fest,

  • dass die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Kommunen in jeglicher Hinsicht er­schöpft ist und an einem fundamentalen Kurswechsel in der Migrations- und Flüchtlings­politik – im eigenen nationalen Interesse – kein Weg vorbeiführt und
  • dass sowohl die Sicherheitspakete der Bundes- und der NRW-Landesregierung als auch die oben aufgeführten Bundesratsinitiativen des Landes NRW nicht geeignet sind den dringend erforderlichen, grundlegenden Kurswechsel der Migrationspolitik herbeizufüh­ren

IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • sich – in Übereinstimmung mit dem Deutschen Landkreistag – im Rahmen einer weite­ren migrationspolitischen Bundesratsinitiative für eine Umsetzung der oben aufgeführten Forderungen des DLT einzusetzen.

Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
Professor Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose

und Fraktion

 

MMD18-12011

 

1 Vgl. https://www.land.nrw/pressemitteilung/nach-solingen-landesregierung-beschliesst-umfassendes-paket-zu-sicherheit

2 Vgl. Lt.-Vorlage 18/3068

3 Vgl. Lt.-Vorlage 18/3069

4 Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/sicherheitspaket-der-bundesregierung-2304924

5 Vgl. https://www.landkreistag.de/presseforum/nachrichten/3413-forderungen-fuer-eine-migrationswende und https://www.landkreistag.de/images/stories/themen/Fluechtlinge/240902_PosPap_Migrationswende.pdf

6 Ebd.

7 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/128/2012802.pdf

8 Vgl. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw49-de-migrationspolitik-1032644

9 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/128/2012835.pdf und https://dserver.bundes-tag.de/btd/20/128/2012804.pdf

10 Vgl. https://taz.de/Innenministerkonferenz-geht-zu-Ende/!6055065/