Die schwarz-gelbe Landesregierung schaut dem Höfesterben tatenlos zu – Warum werden die Landwirte im Stich gelassen?

Kleine Anfrage
vom 22.11.2017

Kleine Anfrage 555
des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD

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Der Rückgang landwirtschaftlicher Betriebe ist nach wie vor präsent. Insbesondere durch die Milchpreis-Krise im Jahr 2016 wurde die Situation für kleinere Milchvieh-Betriebe noch einmal verschärft. Neben dem wirtschaftlichen Druck und der Politik des „Wachsen oder Weichen“ ist es für landwirtschaftliche Betriebe häufig schwierig einen Nachfolger zu finden, der den Betrieb übernimmt.

So ergab auch die Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage (Drucksache 17/670), dass sich durch den Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen durch die Energiewende auch der Druck auf die Flächennutzung weiterverstärkt hat und so z.B. Landwirte mit einem höheren Pachtpreisniveau zu kämpfen haben. Die Landesregierung nimmt den Landwirten immer mehr die Lebensgrundlage und hat bisher noch nichts gegen das Höfesterben unternommen.

In dieser Entwicklung bleibt sowohl die Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche, als auch die Anzahl der gehaltenen Tiere relativ konstant. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass sich die landwirtschaftliche Produktion in immer größeren Betrieben konzentriert. So ist die Fläche in ha je Betrieb von 25,2 ha im Jahr 1991 über 37,6 ha im Jahr 2007 auf 42,8 ha im Jahr 2016 gestiegen – im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Betriebe halbiert.

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert im Rahmen des „NRW-Programms Ländlicher Raum“ die Umstellung landwirtschaftlicher Betriebe auf den ökologischen Landbau und die Beibehaltung dieser besonders umweltverträglichen, tiergerechten und verbrauchernahen Bewirtschaftungsweise, wie es auf der Internet-Seite des Landwirtschaftsministeriums heißt.1 Damit folgt die schwarz-gelbe Landesregierung der agrarpolitischen Linie der rot-grünen Vorgängerregierung.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung gegen das Höfesterben in NRW zu ergreifen?
  2. Was ist die Position der Landesregierung zum Thema „Nationale Nutztierstrategie“?
  3. Welche natürlichen Pestizide, Medikamente und Düngemittel werden in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt? (Bitte Häufigkeit und Einsatzmenge auflisten)
  4. Wie bewertet die Landesregierung den Unterschied in der Qualität, vor allen Dingen im Hinblick auf die Nährstoffe, von landwirtschaftlichen Produkten zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft?
  5. Um wie viele Nutztiere würde der Betriebsbestand abnehmen, wenn die gesamte Landwirtschaft in NRW auf ökologische Tierhaltung bei konstanter Flächennutzung umsteigen würde? (Bitte nach Nutztierart aufschlüsseln)

1 https://www.umwelt.nrw.de/landwirtschaft/landwirtschaft-und-umwelt/oekologischer-landbau/foerderung-des-oekologischen-landbaus/

Dr. Christian Blex

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 555 wie folgt:

1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung gegen das Hö-festerben in NRW zu ergreifen?

Leitbild für die Agrarpolitik der neuen Landesregierung ist eine

  • vielfältige, leistungs- und wettbewerbsfähige, bäuerlich veranker­te Landwirtschaft,
  • die von selbstständigen Familienunternehmen geprägt wird und
  • in der nach bestem Wissen angepasst an den jeweiligen Standort
    ressourcenschonend, tier- und umweltgerecht gearbeitet wird.

Daher tritt die Landesregierung für angemessene Rahmenbedingungen ein, damit sich unsere moderne Landwirtschaft gut und nachhaltig ent­wickeln kann. Nachhaltig bedeutet für die landwirtschaftliche Entwicklung: wirtschaftlich erfolgreich, umweltverträglich und sozial verantwort­lich.

Die Landesregierung setzt sich im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpo­litik für die Beibehaltung des bewährten Fördersystems aus der ersten und zweiten Säule in der bisherigen Gewichtung ein, um Planungssi­cherheit für die landwirtschaftlichen Unternehmerinnen und Unterneh­mer zu ermöglichen. Die erste Säule trägt wesentlich zur Einkommens­stabilisierung der landwirtschaftlichen Betriebe,bei.

Mit öffentlichen Mitteln für landwirtschaftliche Betriebe fördert das Land NRW nicht nur die Bäuerinnen und Bauern, sondern auch den Erhalt unserer Kulturlandschaften, den Schutz der Arten und andere öffentliche Güter. Wir investieren so in die Zukunft der Landwirtschaft.

Der Abbau von Bürokratie bei der Gemeinsamen Agrarpolitik ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung. Ziel ist es bei der nationalen Umsetzung strikt auf eine 1:1 Umsetzung zu achten.

2. Was ist die Position der Landesregierung zum Thema „Nationale Nutztierstrategie“?

Der großen Bedeutung der Nutztierhaltung für die landwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen steht eine Reihe von Herausforderun­gen gegenüber. Diskutiert werden die Haltung der Tiere, der Platzbe­darf, die Fütterung, der Einsatz von Antibiotika und die Emissionen aus der Tierhaltung. Gleichzeitig sehen sich die Betriebe einem immer schärfer werdenden Preisdruck ausgesetzt und in weiten Teilen unserer Gesellschaft werden die heutigen Bestandsgrößen und Haltungsverfah­ren hinterfragt.

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es mehr als bisher gelin­gen muss, die wachsenden Ansprüche der Gesellschaft im Tier- und im Umweltschutz mit den ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Be­dingungen in Einklang zu bringen. Die landwirtschaftliche Tierhaltung braucht eine ausreichende Akzeptanz bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Landwirtschaft benötigt im Gegenzug aber auch die Möglichkeit, hierfür einen fairen Preis zu erhalten. Das kann nur in ei­ner abgestimmten Gesamtstrategie gelingen. Die‘ Landesregierung be­grüßt es daher sehr, dass der Bund eine Nutztierhaltungsstrategie vor­gelegt hat. Sie bietet einen guten Rahmen und eine Richtschnur für alle Akteure, die notwendige Weiterentwicklung der Nutztierhaltung anzuge­hen. Sie ist ein wichtiger Schritt, die im Gutachten des Wissenschaftli­chen Beirats Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhal­tung“ aufgezeigten Punkte für die Entwicklung der Tierhaltung umzuset­zen.

Mit der Strategie sollen gleich mehrere Ziele erreicht werden:

  • Tierwohl in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung weiter zu verbessern, die Wirkungen auf die Umwelt zu vermindern,
  • die wirtschaftliche Grundlage für die landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern, die Versorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Pro­dukten, die nachhaltig und unter Aspekten des Tierwohls erzeugt wurden

Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die Nutztierhaltungsstrategie auch von der neuen Bundesregierung weiter verfolgt wird und sie zur Erarbeitung und Abstimmung von notwendigen weiteren Schritten und konkreten Maßnahmen in den aufgezeigten Handlungs­feldern eine koordinierende Rolle übernimmt. In die Umsetzung dieser Strategie wird sich Nordrhein-Westfalen aktiv einbringen — und im Dialog mit den beteiligten Interessengruppen auch konkrete Maßnahmen für mehr Tierschutz und Tierwohl entwickeln.

3. Welche natürlichen Pestizide, Medikamente und Düngemittel werden in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt? (Bitte Häu­figkeit und Einsatzmenge auflisten)

In den Durchführungsbestimmungen (Verordnung (EG) Nr. 889/2008) zur EG-Öko-Verordnung Nr. 834/2007 werden im Anhang I die zugelas­senen „Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe und im Anhang II die zugelassenen Pflanzenschutzmittel im Detail aufgeführt. Der Ein­satz dieser Betriebsmittel ist nicht freigestellt, sondern an bestimmte Bedingungen geknüpft und unterliegt den allgemeinen fachrechtlichen Vorschriften.

Zur tierärztlichen Behandlung sollen bevorzugt „phytotherapeutische Präparate, Spurenelemente und Erzeugnisse der Anhänge V, 1 und VI, 3″ eingesetzt werden. Chemisch-synthetische allopathische Tierarznei­mittel und Antibiotika dürfen nur unter bestimmten Auflagen eingesetzt werden; unter bestimmten Bedingungen dürfen die tierischen Erzeug­nisse dann nicht mehr als Öko-Erzeugnisse vermarktet werden.

Über die Häufigkeit und Einsatzmengen der genannten Betriebsmittel liegen der Landesregierung keine Informationen vor.

4. Wie bewertet die Landesregierung den Unterschied in der Quali­tät, vor allen Dingen im Hinblick auf die Nährstoffe, von landwirt­schaftlichen Produkten zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft?

Der Landesregierung ist es wichtig, dass jeder Landwirt frei entscheiden kann, für welchen Weg der Erzeugung er sich entscheidet.

Über Unterschiede in der Produktqualität von landwirtschaftlichen kon­ventionell oder ökologisch erzeugten Produkten liegen der Landesregie­rung keine Daten vor.

Ökoprodukte sind durch eine in der EG-Öko-Verordnung (und ihren Durchführungsbestimmungen) klar definierte Prozessqualität gekenn­zeichnet. Diese Prozessqualität beinhaltet in der pflanzlichen Erzeugung beispielsweise vielseitige Fruchtfolgen, organische Düngung, vorbeu­gender Pflanzenschutz, in der tierischen Erzeugung Auslauf, Weide-gang, Mindeststallflächen, Ökofutter und vorbeugende Gesunderhaltung.

5. Um wie viele Nutztiere würde der Betriebsbestand abnehmen, wenn die gesamte Landwirtschaft in NRW auf ökologische Tierhal­tung bei konstanter Flächennutzung umsteigen würde? (Bitte nach Nutztierart aufschlüsseln)

Zu dieser Frage liegen der Landesregierung keine Daten für NRW vor. In einer vergleichenden Buchführungsauswertung (auf Bundesebene) des Thünen Institutes finden sich folgende Angaben zum Viehbesatz in Ökobetrieben und in vergleichbaren konventionellen Betrieben.

Viehbesatz Öko- und vergleichbare konventionelle Betriebe

(Wirtschaftsjahr 2013/14)

Viehbesatz            Einheit Ökobetriebe Vergleichbare konventionelle Betriebe1
Anzahl ausge- wertete Betriebe 403 2.092
Viehbesatz ge- samt VE2/100 ha LF 58,0 72,5
Rinder VE/100 ha LF 50,7 54,6
Schweine VE/100 ha LF 3,2 14,7
Geflügel VE/100 ha LF 2,5 1,0
Viehbesatzdichte (Rinder, Schafe, Ziegen) GV3/ha Futter- fläche 0,8 1,1

 

1     „Vergleichbare konventionelle Betriebe“ = ähnliche Standortbe­dingungen und Faktorausstattungen wie die Ökobetriebe.

²     VE = Vieheinheit

³     GV = Großvieheinheit

Mit freundlichen Grüßen

Christina Schulze Föcking