Kleine Anfrage 5108
des Abgeordneten Christian Loose AfD
Die Strompreise für private Verbraucher, Mittelstand und Industrie steigen mit dem Ausbau der sogenannten Erneuerbaren – doch Ministerin Neubaur erklärt das Gegenteil – ein schwarzgrünes Paradoxon?
Im Schlusssatz ihres schriftlichen Berichts zum Thema „Arbeitsplanung des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie für das Jahr 2025“, Vorlage 18/3478 vom 17.01.2025 trifft die Ministerin eine ebenso irritierende wie falsche Aussage: „Zur Senkung der Energiepreise trägt die Landesregierung insbesondere durch den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien bei.“
So ist der Strompreis für Haushalte von 2000 bis 2024 von 13,9 ct/kWh auf 40,9 ct/kWh gestiegen.1 Diese Steigerung wird zudem durch die Herausnahme der sogenannten EEG-Umlage geschönt, die noch im Jahr 2021 im Strompreis mit 6,5 ct/kWh zu Buche schlug, seitdem aber aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt wird. Diese Kosten sind allerdings nicht weg, sondern werden von den Stromkunden im Rahmen der allgemeinen Steuern entrichtet. Der um diesen Rechentrick bereinigte, wahre Strompreis läge also 2024 bei deutlich über 45 ct/kWh.
Für die mittelständische Industrie stieg der Strompreis von 6,05 ct/kWh im Jahr 2020 bis 2024 auf 17 ct/kWh. Auch hier wird der Preis durch die Herausnahme der EEG-Umlage beschönigt, so dass der wahre Strompreis deutlich oberhalb von 20 ct/kWh liegen würde.2
Die Industriestrompreise für die von den meisten Abgaben und Steuern befreite energieintensive Industrie, mit einer Stromabnahme zwischen 70 bis 150 Mio. kWh/a, fiel von 7,9 ct/kWh im Jahr 2007 bis auf ca. 5,5 ct/kWh im Jahr 2020 und stieg danach auf ca. 13,7 ct/kWh.3 Der Beschaffungspreis, der sich hauptsächlich an den Börsenpreisen orientiert, verharrte im Zeitraum von 2016 bis 2020 auf einem Mittelwert von ca. 4,6 ct/kWh und stieg danach auf ca. 12,8 ct/kWh (1. Halbjahr 2014). Maßgeblich sind hierfür auch die durch die politisch eingeführte Marktstabilitätsreserve verteuerten CO2-Zertifikate (Preis Ende 2017 bei ca. 8 €/t CO2, Preis Ende 2020 bei 30 €/t CO2),4 die sich inzwischen auf einem Niveau von mehr als 80 €/t CO2 eingependelt haben und damit etwa 10-mal so teuer sind wie noch vor knapp 7 Jahren.5
Ein großer Preistreiber für die Endkundenpreise der letzten Jahre waren auch die Netzentgelte, die selbst für die mittelständischen Industriekunden in den letzten 10 Jahren von 1,9 ct/kWh auf 4,1 ct/kWh stiegen.6
Die aktuellen Börsenpreise für Base- und Peak-Lieferungen liegen bei 10 ct/kWh (Base 2026) bzw. 11 ct/kWh (Peak 2026) bzw. zwischen 8,5 und 7 ct/kWh (Base 2027 bis Base 2030) bzw. zwischen 9,5 und 8 ct/kWh (Peak 2027 bis Peak 2030).7
Der Ausbau der sogenannten Erneuerbaren stieg in den letzten 10 Jahren signifikant. Für Windindustrie- und Photovoltaikanlagen sind für 2024 an installierter Leistung rund 170 Gigawatt zu verzeichnen, 2014 waren es noch rund 77 Gigawatt installierte Leistung.8 Auf Nordrhein-Westfalen entfielen davon 2014 rund 8 Gigawatt, 2024 rund 20 Gigawatt.
Offenbar geht mit dem Ausbau der sogenannten Erneuerbaren – entgegen der Äußerung der Ministerin Neubaur – in der Realität eine massive Steigerung der Energiepreise einher.
Deshalb frage ich die Landesregierung:
- Wie hoch war die Einspeisevergütung für im Jahr 2023 und 2024 in NRW errichtete Windindustrieanlagen (Darstellung bitte gesamt und in durchschnittlichen ct/kWh)?
- Wie hoch wird diese Einspeisevergütung seitens der Landesregierung geschätzt für Windindustrieanlagen, die im Jahr 2025 in NRW errichtet werden (Darstellung bitte Gesamt und in durchschnittlichen ct/kWh bis zum Jahr 2044)?
- Wie will die Landesregierung – vor dem Hintergrund der unter Nummer 1 und 2 aufgeführten Vergütungssätzen – einen Industriestrompreis für Großabnehmer von wettbewerbsfähigen 5 ct/kWh realisieren?
- Welche Auswirkungen auf die Höhe der Netzentgelte wird der von der Landesregierung geplante Ausbau der sogenannten Erneuerbaren in den Jahren 2025 bis 2040 haben (Darstellung bitte je Jahr, gesamt und in durchschnittlichen ct/kWh)?
- Nachdem der Ausbau der sogenannten Erneuerbaren in den letzten 25 Jahren mit einem Anstieg der Strompreise einherging: Wie rechtfertigt Frau Ministerin Mona Neubaur die Behauptung, dass dadurch die Preise für die Kunden sinken würden?
Christian Loose
1 Vgl. z. B. die Strompreisanalyse des BDEW vom Juni 2021 (Seite 7) sowie vom Dezember 2024 (Seite 4). Der Bericht aus Juni 2021 ist beispielsweise hier abrufbar: https://www.hausundgrund-verband.de/fileadmin/root/media/downloads/2021/BDEW-Strompreisanalyse_Juni_2021.pdf Der Bericht vom Dezember 2024 ist hier abrufbar: https://www.bdew.de/media/documents/BDEW-Strompreisanalyse_12-2024_Q796OxD.pdf, abgerufen am 05.02.2025. Preise für Privatverbraucher mit 3.500 kWh/a.
2 Vgl. ebenda. (Juni 2021, Seite 24 bzw. Dezember 2024, Seite 12).
3 Vgl. ebenda (Juni 2021, Seite 29 bzw. Dezember 2024, Seite 15).
4 Vgl. BDEW Strompreisanalyse Juni 2021, Seite 46.
5 Vgl. zu den Futures EEX z.B. https://www.eex.com/de/marktdaten/market-data-hub/umweltprodukte/futures, abgerufen am 05.02.2025.
6 Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/168548/umfrage/entwicklung-der-netzentgelte-nach-kundengruppe-seit-2006/, abgerufen am 29.01.2025.
7 Mit Stand 31.01.2025 gemäß EEX, z. B.: https://www.eex.com/de/marktdaten/market-data-hub/strom/futures, abgerufen am 01.02.2025.
8 Vgl. https://www.energy-charts.info/charts/installed_power/chart.htm?l=de&c=DE, abgerufen am 29.01.2025.
Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 5108 mit Schreiben vom 12. März 2025 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhalten Betreiber/-innen von Windenergieanlagen grundsätzlich keine Einspeisevergütung. Stattdessen sind Anlagenbetreiber/-innen dazu verpflichtet, den erzeugten Strom direkt zu vermarkten und erhalten über das EEG eine sogenannte Marktprämie, die die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem anzulegenden Wert ausgleicht, sofern der erzielte Marktpreis geringer ausfällt. Die Höhe des anzulegenden Wertes wird in Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur ermittelt. Von der Ausschreibungspflicht ausgenommen sind Kleinwindenergieanlagen bis 1.000 kW sowie Bürgerenergie- und Pilotwindenergie-Anlagen.
- Wie hoch war die Einspeisevergütung für im Jahr 2023 und 2024 in NRW errichtete Windindustrieanlagen (Darstellung bitte gesamt und in durchschnittlichen ct/kWh)?
Der Höchstwert für Gebote in diesen Ausschreibungen lag im Jahr 2023 und im Jahr 2024 bei 7,35 ct/kWh. Die mengengewichteten Zuschlagswerte für Windenergieanlagen, die in den Ausschreibungsrunden der Jahre 2023 und 2024 in Nordrhein-Westfalen bezuschlagt wurden, variierten je nach Ausschreibungsrunde. Im Allgemeinen lagen die durchschnittlichen men-gengewichteten Zuschlagswerte zwischen 7,15 ct/kWh und 7,34 ct/kWh.
- Wie hoch wird diese Einspeisevergütung seitens der Landesregierung geschätzt für Windindustrieanlagen, die im Jahr 2025 in NRW errichtet werden (Darstellung bitte Gesamt und in durchschnittlichen ct/kWh bis zum Jahr 2044)?
Die Bundesnetzagentur hat den Höchstwert für Gebotstermine im Jahr 2025 auf 7,35 ct/kWh festgelegt. Genaue Zuschlagswerte werden in den jeweiligen Ausschreibungsrunden ermittelt.
- Wie will die Landesregierung – vor dem Hintergrund der unter Nummer 1 und 2 aufgeführten Vergütungssätzen – einen Industriestrompreis für Großabnehmer von wettbewerbsfähigen 5 ct/kWh realisieren?
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen kann nicht eigenständig einen Industriestrompreis für Großabnehmer etablieren.
Vielmehr hat die Landesregierung in ihrer Energie- und Wärmestrategie beschlossen, sich auf Bundesebene für wettbewerbsfähige Strompreise für die Industrie einzusetzen. Das schließt die dauerhafte Senkung und Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte ein.
Zudem treibt die Landesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien konsequent voran. Mit ihren günstigen Gestehungskosten können sie zunehmend fossile Kraftwerke mit höheren Gestehungskosten verdrängen.
- Welche Auswirkungen auf die Höhe der Netzentgelte wird der von der Landesregierung geplante Ausbau der sogenannten Erneuerbaren in den Jahren 2025 bis 2040 haben (Darstellung bitte je Jahr, gesamt und in durchschnittlichen ct/kWh)?
Darüber liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.
- Nachdem der Ausbau der sogenannten Erneuerbaren in den letzten 25 Jahren mit einem Anstieg der Strompreise einherging: Wie rechtfertigt Frau Ministerin Mona Neubaur die Behauptung, dass dadurch die Preise für die Kunden sinken würden?
Der Börsenstrompreis bildet sich am Markt entsprechend des Merit-Order-Prinzips. Demnach setzt das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten den Marktpreis in der jeweiligen Viertelstunde. Dies sind in der Regel fossile Kraftwerke, insbesondere flexibel betriebene Gaskraftwerke. Daher hängen der aktuelle Börsenstrompreis und dessen Entwicklung u.a. maßgeblich vom Gaspreis ab. Bis zum Beginn der Energiekrise Ende 2021 waren die durchschnittlichen Börsenstrompreise in den letzten 25 Jahren weitestgehend konstant. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine beziehungsweise dem Wegfall günstiger Erdgasimporte aus Russland und entsprechend steigenden Gaspreisen steigt auch der Börsenstrompreis.
Ein steigender Anteil erneuerbarer Energien geht mit günstigen Stromgestehungs- und vor allem Grenzkosten einher. Dieser Effekt muss in den nächsten Jahren durch die Schaffung geeigneter Anreize für den marktorientierten und systemdienlichen Ausbau erneuerbarer Energien weiter verstärkt werden.