Kleine Anfrage 2376
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Die vergebliche Suche der Bezirksregierung Arnsberg nach Immobilien für neue Zentrale Unterbringungseinrichtungen (ZUE) – Interessiert sich die Landesregierung noch für die berechtigten Belange der Anwohner?
Wie die Westfalenpost (WP) am 28.07.2023 meldet, hat die Bezirksregierung Arnsberg der Eigentümergesellschaft des zur Errichtung einer ZUE vorgesehenen Hotels in Neheim-Hüsten eine Absage erteilt. In der schriftlichen Absage der Bezirksregierung Arnsberg heißt es: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass eine Anmietung durch die Bezirksregierung Arnsberg aufgrund verschiedener Hinderungsgründe nicht in Betracht kommt. Alternative Angebote, die uns für den Bereich Hochsauerlandkreis vorliegen, haben sich nach derzeitigem Stand als vertrauenswürdig erwiesen.“1 Wie aus einem Bericht der WP vom 20.05.2023 hervorgeht, fehlte auch in diesem Fall jede Akzeptanz in der Bürgerschaft.2
Eines dieser „vertrauenswürdigen Angebote“ war zum damaligen Zeitpunkt offenbar eine Immobilie im beschaulichen Oeventrop. Was anlässlich einer Informationsveranstaltung dort wenige Tage später passierte, kam für die Delegation der Bezirksregierung offenbar völlig unerwartet. Der berechtigte Protest der Bürger hatte Erfolg. Ein ehrbarer, ortsansässiger Immobilienbesitzer zog das – für ihn durchaus lukrative – Angebot an die Bezirksregierung zurück und verkündete im Rahmen der Veranstaltung, dass die vorgesehene Immobilie nicht mehr zum Verkauf stehe.3
Einen ähnlichen Vorgang gab es erst im Juni in Essen-Heidhausen. Auch dort hat ein Immobilienbesitzer sein Angebot zur Anmietung eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes zurückgezogen. Auch dort löste die Aussicht auf eine Flüchtlingsunterkunft in unmittelbarer Nachbarschaft bei Bewohnern Sorgen und offene Kritik aus. Im Stadtteil machten Handzettel die Runde, auf denen Anwohner ankündigen, die Stadt Essen verklagen zu wollen. Die Stadt Essen plante dort ab Herbst 250 Personen unterzubringen.4
Erinnert sei zudem an eine weitere geplante Landeseinrichtung im Regierungsbezirk Münster. Im Hotel Van der Valk in Gladbeck plant die Landesregierung bis zu 620 bzw. 1.112 Personen5 unterzubringen. Neben einem breiten Protest der Anwohner haben sich in diesem Fall mittlerweile die Bürgermeisterin und alle im Rat der Stadt Gladbeck vertretenen Fraktionen gegen die Pläne ausgesprochen. Es bleibt abzuwarten, ob es zur geplanten Vertragsunterzeichnung zwischen der Bezirksregierung und dem Hotel Van der Valk am 24. September 2023 kommt und wie Anwohner und Lokalpolitiker darauf reagieren werden.
Ganz allgemein wird es immer schwieriger, geeignete Immobilien und den Projekten zugeneigte Bürger zu finden. Der Arnsberger Regierungspräsident Heinrich Böckelühr erklärte gegenüber der WAZ: „Eine ablehnende Haltung der Bevölkerung wie in Oeventrop löst das Problem nicht.“6 Das stimmt. Notwendig ist vielmehr, dass die Landesregierung anerkennt, dass die Kapazitäten erschöpft sind und die Anwohner berechtigte eigene Interessen haben. So hätte die Bezirksregierung Arnsberg – ohne Zögern – in einer beschaulichen Kommune wie Oeventrop mit 6.200 Einwohnern mitten im Wohngebiet eine ZUE mit einer Kapazität für 500 Personen realisiert. Das hätte das Leben der Anwohner von den Füßen auf den Kopf gestellt. Die Ereignisse rund um die nahegelegene ZUE Soest und das dortige Bahnhofsumfeld sind natürlich auch den Bürgern in Oeventrop bekannt. Diese waren einer Replizierung dieser Zustände in ihrer eigenen Kommune offenbar nicht sonderlich zugeneigt.
In Gladbeck wie auch in Neheim würden die Bezirksregierungen dagegen erhebliche „Veränderungen“ für die Nutzer der Naherholungsgebiete bedenkenlos in Kauf nehmen. Die Tatsache, dass die Zeit der Willkommenspolitik vorbei ist und immer mehr Anwohner sich zur Wehr setzen, wird weder von Seiten der Bezirksregierungen noch der Landesregierung akzeptiert und in der Folge ignoriert.
Auf einer Ratssitzung in Gladbeck sind weder der Regierungspräsident noch der zuständige Staatssekretär im erforderlichen Maße auf die Ängste und Sorgen der Bürger eingegangen. In Oeventrop scheiterte das Projekt nur an einem ortsansässigen Unternehmer, der im Interesse der Bürger und nicht nach seinen eigenen finanziellen Interessen handelte. In Essen hat Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU),Mitte Mai einen Mietvertrag mit zwölf Jahren Laufzeit durch den Stadtrat gepaukt – eine Woche nachdem das Vorhaben überhaupt bekannt geworden war. Folgt man den Ausführungen der WAZ, wurden die Anwohner im nahegelegenen Mülheim gar regelrecht überrumpelt. So heißt es im Artikel: „Die Kommunikation wurde auch in Mülheim-Raadt von vielen Bürgern als mangelhaft bewertet – wieder ein im Herzen dörflicher Stadtteil, wo plötzlich hunderte Flüchtlinge im Neubaugebiet einzogen. 650 Plätze gibt es in dem ehemaligen Bürogebäude der ZUE, die Einrichtung soll auf zwei Jahre befristet sein. Die Stadt hatte eine Bürgersprechstunde zwar bereits im März angekündigt, aber erst jetzt eingerichtet – die Bürger standen vor vollendeten Tatsachen und haben sich massiv beschwert.“7
Die ZUE sind aktuell zu 88 Prozent ausgelastet. Wie die WAZ berichtet, prüfen die Bezirksregierungen „mit Hochdruck“ über 40 potenzielle Flüchtlingsunterkünfte – vorrangig solche mit über 300 Plätzen. Ganz offensichtlich zieht man sich allein auf die gesetzliche Unterbringungsverpflichtung des Landes zurück, ohne die Interessen der Bürger zu beachten oder sich für einen Wandel in der Migrationspolitik einzusetzen. Auch die vermehrten Hilferufe aus den Kommunen verhallen folgerichtig unbeachtet.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Inwiefern plant die Landesregierung die Verhandlungen in Bezug auf das Hotel in Neheim – nach den Ereignissen in Oeventrop – erneut aufzunehmen?
- Wie viele Personen sollten im Hotel in Neheim untergebracht werden? (Bitte den letzten Verhandlungsstand vor der Absage der Bezirksregierung angeben)
- In welchem Umfang wurden die Anwohner an möglichen Standorten für neue ZUE bereits informiert und in den Prozess bzw. bestenfalls in den Entscheidungsprozess eingebunden?
- Inwiefern müssen Anwohner davon ausgehen, dass ihr völlig legitimer Protest auch weiterhin in der Regel keinen Einfluss auf die Vertragsverhandlungen mit den aktuellen Besitzern der jeweiligen Immobilien sowie auf den anvisierten Vertragsabschluss haben wird?
- Inwiefern ist die Landesregierung zukünftig bereit, von der Errichtung einer ZUE Abstand zu nehmen, wenn das jeweilige Projekt bei den Anwohnern überwiegend wenig bzw. keinerlei Zuspruch findet?
Enxhi Seli-Zacharias
2 Vgl. https:// www .wr.de/staedte/arnsberg/neheim-zue-im-hotel-fehlt-jede-akzeptanz-in-buergerschaft-
id238451005.html?utm_source=flipboard&utm_content=WR_online%2Fmagazine%2FNachrichten
3 Vgl. https:// www .tichyseinblick.de/meinungen/merz-wuest-asylantenheim/
5 620 Personen gemäß letter of intent, 1.112 Personen gemäß Bebauungsplan
7 Ebd.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2376 mit Schreiben vom 6. Oktober 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
- Inwiefern plant die Landesregierung die Verhandlungen in Bezug auf das Hotel in Neheim – nach den Ereignissen in Oeventrop – erneut aufzunehmen?
Es bestehen in Bezug auf das Dorint-Hotel in Arnsberg-Neheim keine Planungen, erneut Verhandlungen aufzunehmen.
- Wie viele Personen sollten im Hotel in Neheim untergebracht werden? (Bitte den letzten Verhandlungsstand vor der Absage der Bezirksregierung angeben)
Es wurde mit einer Kapazität von 500 Personen geplant.
- In welchem Umfang wurden die Anwohner an möglichen Standorten für neue ZUE bereits informiert und in den Prozess bzw. bestenfalls in den Entscheidungsprozess eingebunden?
Sobald sich die Vertragsverhandlungen und Planungen soweit konkretisieren, dass eine Entscheidung für die Herrichtung und Inbetriebnahme einer Zentralen Unterbringungseinrichtung getroffen wird, werden die Anwohnerinnen und Anwohner z.B. durch Pressemitteilungen oder Einladungen zu Bürgerversammlungen informiert.
- Inwiefern müssen Anwohner davon ausgehen, dass ihr völlig legitimer Protest auch weiterhin in der Regel keinen Einfluss auf Vertragsverhandlungen mit den aktuellen Besitzern der jeweiligen Immobilien sowie auf den anvisierten Vertragsabschluss haben wird?
Es ist wichtig, sich mit den Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner sachgerecht auseinanderzusetzen, Beschwerden aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen. Hierbei setzt das Land in Umsetzung des sog. Sechs-Punkte-Plans (https://www.mkjfgfi.nrw/sechs-punkte-plan-zur-stabilisierung-des-landesaufnahmesystems) auch auf eine umfassende Information und einen sachorientierten Dialog mit den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern, beispielsweise durch Bürgersprechstunden, sowie eine stärkere Einbindung der lokalen Ehrenamts-struktur und eine Stärkung des Umfeldmanagements.
- Inwiefern ist die Landesregierung zukünftig bereit, von der Errichtung einer ZUE Abstand zu nehmen, wenn das jeweilige Projekt bei den Anwohnern überwiegend wenig bzw. keinerlei Zuspruch findet?
Die Landesregierung kann zu hypothetischen zukünftigen Fällen keine Auskunft geben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.