Die Vielfachkrisen in der Landwirtschaft endlich beenden – heimische Landwirtschaft erhalten, stärken und wertschätzen

Antrag

Antrag
der Fraktion der AfD

 

Die Vielfachkrisen in der Landwirtschaft endlich beenden heimische Landwirtschaft erhalten, stärken und wertschätzen

I. Problembeschreibung

Unsere Landwirte leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur heimischen Lebensmittelversor­gung und tragen zur Pflege unserer historisch gewachsenen Kulturlandschaft bei. Aktuell be­wirtschaften rund 33.600 landwirtschaftliche Betriebe eine Landesfläche von 1,48 Millionen Hektar in Nordrhein-Westfalen.1 Doch immer mehr landwirtschaftliche Betriebe geben auf. Laut der letzten Landwirtschaftszählung von 2020 sank die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in unserem Land um 43,3 Prozent. Das bedeutet, dass über 27.200 Betriebe in den letzten 19 Jahren aufgegeben haben. In der gleichen Zeit setzte sich der Trend zu immer größeren Betrieben fort. Waren es 1991 im Durchschnitt noch 25,2 Hektar je Betrieb, stieg die durchschnittliche Betriebsgröße auf 43,8 Hektar je Betrieb im Jahr 2020 an.2 In einer Studie prognostiziert die DZ Bank, dass es deutschlandweit bis 2040 nur noch 100.000 Höfe geben wird.3

Landwirte geben vor allen Dingen aus wirtschaftlichen Gründen ihren Betrieb auf. Die Globa­lisierung setzt sie einem enormen Wettbewerbsdruck aus, der insbesondere kleineren und mittleren Familienbetrieben zu schaffen macht. Anstatt unseren Landwirten dabei zu helfen, auf dem globalen Markt zu bestehen und Raum für technischen Fortschritt zu schaffen, unter­nimmt die etablierte Politik das genaue Gegenteil und befeuert das Höfesterben.4 Die öffentli­che Diskussion in Deutschland und dem Rest der Europäischen Union wird immer noch von Forderungen nach mehr ökologischen Leistungen in der Landwirtschaft dominiert. Dabei wer­den die bisherigen Gemeinwohlleistungen der Landwirte geflissentlich vergessen.

Über Jahrhunderte hat die deutsche Landwirtschaft zur Landschafts- und Artenvielfalt beige­tragen und einzigartige Kulturlandschaften geformt, deren ökologische Stabilität von der Pflege durch den Menschen abhängt.5 Die Artenzusammensetzung dieser Habitate hängt mit deren Geographie und Klima zusammen, aber auch ganz entscheidend mit der jeweiligen Nutzungs­form. Viele heute bedrohte Arten benötigen als Lebensraum die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft. So schaffen die Landwirte einen Lebensraum für viele heimische Tierarten, die auf der Roten Liste stehen. Die Populationen zahlreicher Pflanzen- und Tierarten wie hei­mische Enziane, Orchideen, Wildbienen, Feldlerchen und Kiebitze konnten durch die Natur­schutzarbeit der Landwirte bereits gestärkt werden. Auch durch das Wirtschaften in natürlichen Kreisläufen leistet die Landwirtschaft einen Beitrag zum Naturschutz. Unsere Landwirte erzeu­gen nicht nur Lebensmittel auf ihren Feldern nach allerhöchsten Standards, sondern pflegen und erhalten die vielfältigen heimischen Kulturlandschaften, die geprägt sind durch Acker, Wiese und Weide sowie Wald, Gewässer und Siedlungen und die sichtbare Ausgestaltung unserer Heimat darstellen.

Das Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) war die Reformierung der EU-Agrarsubvention und die Kürzung der Direktzahlungen. Mit diesem Schritt verloren unsere Landwirte auf einen Schlag eine direkte Förderung in Höhe von 393 Millionen Euro – das entspricht einer Verrin­gerung um ca. vier Euro pro Hektar auf einen künftigen Betrag von ca. 296 Euro je Hektar landwirtschaftlicher Fläche.6 Die freigewordenen Finanzmittel sollten dann insbesondere öko­logisch wirtschaftende Betriebe erhalten, welche sich zu weitergehenden ökologischen Maß­nahmen verpflichten. Damit hat die Konzentration der Förderung auf Öko-Landwirtschaft auf Kosten der konventionell wirtschaftenden Betriebe zugenommen.7 Die Ausrufung des Ökolandbauziels von 30 Prozent bis 2030 forciert den Strukturbruch. 8 Viele Landwirte können ihren Betrieb nicht in so kurzer Zeit umstellen und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.

Immer höhere Auflagen gefährden die Rentabilität. Viele Landwirte fühlen sich durch die stren­gen Vorschriften zur Düngemittelaufbringung schikaniert und gerade zu kriminalisiert. Behör­den können Verstöße gegen die Düngebedarfsermittlung mit Geldstrafen von bis zu 150.000 Euro ahnden.9 Gleichzeitig nimmt die Ackerfläche für die Lebensmittelversorgung weiter ra­pide ab. Jeden Tag werden über 5,7 Hektar in NRW für Verkehr und Siedlungen in Anspruch genommen.10

Unsere Gesellschaft verlangt eine immer höhere Lebensmittelqualität aber hält sich jedoch mit der Vergütung der ihr geforderten Gemeinwohlleistung zurück – und so zerbrechen unsere Landwirte an der extremen Gegensätzlichkeit: Sie sollen ihre landwirtschaftliche Erzeugnisse mit einer höheren Qualität auf immer weniger Fläche zu einem niedrigeren Preis anbieten. Sie sollen im internationalen Wettbewerb bestehen und gleichzeitig den Ansprüche einer gehobe­nen Gesellschaft gerecht werden, während im letzten Jahr die Zahl der von Hunger betroffe­nen Menschen durch Kriege und Pandemie um 46 Millionen auf 828 Millionen Menschen ge­stiegen ist.11

Die Sanktionen gegen Russland und der Wegfall der Ukraine als Nahrungsmittellieferant zei­gen, wie empfindlich der Weltmarkt auf Störungen reagiert. Erstmals seit Gründung der Bun­desrepublik erleben die Bürger eine ernstzunehmende Verteuerung der Lebensmittel. Die Er­zeugerpreise sind im Juni 2022 um 32,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestie-gen.12 Die Nahrungsmittel wurden insgesamt um 19 Prozent teurer als im Vorjahr – allein der Preis von Butter stieg um 74,8 Prozent, der von Milch und Milcherzeugnissen um 27 Prozent.

Mit einer Stärkung der regionalen Landwirtschaft können nicht nur berufliche Existenzen ge­rettet werden, sondern gleichzeitig auch die Abhängigkeit von Importen aus Ländern mit nied­rigeren Standards gesenkt werden. Somit wird die Versorgung der heimischen Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln auch in Zeiten internationaler Spannungen krisenfester. Wenn Nordrhein-Westfalen seine historisch gewachsene Agrarstruktur mit kleinbäuerlichen Fami­lienbetrieben und seine Kulturlandschaft als Natur und Heimat erhalten möchte, müssen jetzt die Weichen für eine regionale Landwirtschaft gestellt werden. Eine heimatnahe Landwirt­schaft muss erhalten, gestärkt und wertgeschätzt werden.

II . Lösungswege

Der Ausweg aus der globalen Vielfachkrise der Landwirtschaft liegt in der Förderung der regi­onalen Wertschöpfung. Eine auf die Heimat zentrierte Agrarpolitik sichert nicht nur unseren Landwirten eine Zukunft, sondern sorgt auch für eine breite Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln. Darüber hinaus verkürzen sich auch die Transportwege zum Schutz der Tiere und der Umwelt.

Zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft gehört eine umfassende Entbürokratisierung so­wie die Verringerung der Antrags- und Dokumentationslast. Dokumentationspflichten müssen auf das Mindestmaß beschränkt werden, damit unsere Landwirte auch die Zeit haben, sich um die eigentlichen Aufgaben im Betrieb kümmern zu können. Dabei ist die Digitalisierung der Landwirtschaftsverwaltung lediglich ein kleiner Schritt.

Die Landwirte kennen die Bodenbeschaffenheit und den Nährstoffbedarf der Kulturpflanzen sehr genau. Die pauschale Reduktion der Düngemengen gefährdet jedoch den Anbau unserer Kulturpflanzen mit hohem Nitratbedarf, wie z.B. Kartoffeln, Getreide und Mais. Schon jetzt ist aufgrund der Politik ein Rückgang beim Proteingehalt von Weizen zu verzeichnen.13

Umweltauflagen müssen nach guter fachlicher Praxis und nicht nach ideologischen Vorgaben erlassen werden. Alle agrarpolitischen Umweltauflagen gehören unter den Gesichtspunkten von Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit daher auf den Prüfstand. Auflagen ohne einen Mehr­wert für die Umwelt oder für die Lebensmittelversorgung gehören sofort abgeschafft. Dazu müssen nicht nur die landeseigenen und nationalen, sondern auch die unionsrechtlichen Vor­gaben hinterfragt werden. Die EU-Kommission muss offen und scharf kritisiert werden, wenn sie unserem Land mit einem Vertragsverletzungsverfahren droht und es zur Verabschiedung einer unzulänglichen Düngeverordnung zwingt. Insgesamt sind die Umweltvorschriften derart kompliziert und praxisfern geworden, dass Schritte zur Vereinfachung dringend notwendig sind. Erst durch diesen ganzheitlichen Ansatz von der EU bis zu unserem Land wird eine Verschlankung der Landwirtschaftsverwaltung möglich sein.

Um das Höfesterben zu stoppen, wird neben dem Bürokratieabbau und der Überprüfung der umweltpolitischen Auflagen auch eine aktivere Politik zur Stärkung der Hofnachfolge notwendig. Immer häufiger stellen auch gesunde landwirtschaftliche Betriebe ihre Arbeit ein, weil sie keine Nachfolge für den Hof finden. Auch hier sind immer noch die Übergaberegelun­gen zu kompliziert und unattraktiv, so fallen zum Beispiel immer noch hohe Grunderwerbs­steuern beim Flächentausch an. Viele Landwirte befürchten auch höhere Hebesätze im Zuge der Grundsteuerreform 2022. Zusätzlich sorgen landwirtschaftsfremde Spekulanten als Preis­treiber für die Verteuerung bei der Bodenmobilität.

Eine Landwirtschaft mit Heimatbezug stellt die Erzeuger in den Mittelpunkt und schafft mehr Wege der Direktvermarktung. Auch sollen neue Technologien zur Effizienzsteigerung einge­setzt werden. Der Einsatz von Precision-Farming, Drohnen und Grün-Scannern soll dabei be­sonders niedrigschwellig gestaltet werden. Die Digitalisierung und der Netzausbau in der Landwirtschaft sind für die Landwirte schneller voranzutreiben.

In Gesprächen mit dem Bund und der EU sind EU-Agrarsubventionen derart zu gestalten, dass nicht nur Groß- und Ökobetriebe davon profitieren. Der deutsche Verbraucher weiß Le­bensmittel mit Regionalität zu schätzen.14 Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Verbrau­cher heimische Lebensmittel als besonders hochwertig einstufen und sich mehr regional er­zeugte Lebensmittel wünschen.15

Die Lösung der Vielfachkrisen in der Landwirtschaft liegt nicht in einer kleinen Kurskorrektur, sondern darin, Heimat und Regionalität in ganz neuen Dimensionen zu denken.

III. Der Landtag stellt fest,

  • dass von den EU-Agrarsubventionen Groß- und Ökobetriebe am stärksten profitieren;
  • dass die Boden- und Pachtpreise sowie die Erzeuger- und Verbraucherpreise weiter ra­pide ansteigen;
  • dass die Grundsteuerreform eine unterschätzte Gefahr für die heimische Landwirtschaft bedeutet;
  • dass die Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Natur leistet.

IV. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:

  1. die heimische Landwirtschaft unabhängig ihrer Betriebsform zu erhalten, zu stärken und wertzuschätzen;
  2. alle umwelt- und klimapolitischen Rechtsvorschriften für den landwirtschaftlichen Sektor zu überprüfen und zu verschlanken;
  3. die Verringerung der Antrags- und Dokumentationslast für Landwirte massiv voranzu­treiben;
  4. dafür Sorge zu tragen, dass landwirtschaftliche Nutzflächen für Bauern bezahlbar blei­ben;
  5. die Hofnachfolge zu vereinfachen und die Übernahme eines landwirtschaftlichen Betrie­bes wirtschaftlich attraktiver zu machen;
  6. die Direktvermarktung weiter zu fördern;
  7. den Einsatz von Precision-Farming, Drohnen und Grün-Scannern zu erleichtern;
  8. die Gemeinwohlleistungen der nordrhein-westfälischen Landwirte zu honorieren.

Zacharias Schalley
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.it.nrw/erste-ergebnisse-der-landwirtschaftszaehlung-2020-zahl-der-oekologisch-wirt-schaftenden-betriebe-nrw

2 https://www.it.nrw/immer-mehr-grossbetriebe-der-nrw-landwirtschaft-anteil-der-betriebe-mit-mehr-als-100-hektar-stieg

3 https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/dz-bank-prognostiziert-dramatisches-hoef-esterben-bis-2040-11977700.html

4 https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/heuchelei-hoefesterben-559691

5 Bätzing, Werner: Das Landleben. Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensart (München 2020), S. 36-40).

6 https://www.agrarheute.com/politik/niedrigere-direktzahlungen-fuer-2022-beschlossene-sache-582164

7 https://www.agrarheute.com/politik/bmel-gruene-ideologie-frisst-konventionelle-bauern-595995

8 https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/oekologischer-landbau/zukunftsstrategie-oekologi-scher-landbau.html

9 https://www.agrarheute.com/pflanze/getreide/duengeverordnung-so-lang-liste-bussgeldern-versto-essen-577544

10 https://www.land.nrw/pressemitteilung/flaechenverbrauch-nrw-2020-ruecklaeufig

11 https://www.deutschlandfunk.de/welthunger-index-un-massnahmen-krieg-klimakrise-corona-100.html

12 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/07/PD22_309_61241.html

13 https://www.topagrar.com/acker/news/bei-weizensorten-auf-den-proteingehalt-achten-11818995.html

14 https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/studie-zeigt-beliebtheit-regionaler-lebens-mittel-9534630.html

15 https://www.land.nrw/pressemitteilung/repraesentative-umfrage-buergerinnen-und-buerger-nord-rhein-westfalen-wollen-mehr