Die „WELT“ liefert dramatische Daten in Bezug auf die 400.000 in Deutschland aufhältigen Afghanen – Wie sieht es in NRW aus?

Kleine Anfrage
vom 14.09.2023

Kleine Anfrage 2558

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Die „WELT“ liefert dramatische Daten in Bezug auf die 400.000 in Deutschland aufhältigen Afghanen – Wie sieht es in NRW aus?

Wie aus einem Bericht der WELT hervorgeht, hat sich gemäß Ausländerzentralregister die Anzahl der in Deutschland aufhältigen Afghanen zwischen 2013 und 2023 von 66.974 auf mittlerweile fast 400.000 erhöht. Die große Mehrheit kam und kommt dabei nicht auf dem Weg der regulären und legalen Fachkräfteeinwanderung, sondern über das Asylsystem.1

Alle Einreisen über den Landweg erfolgten dabei über mehrere sichere Drittstaaten, unter Missachtung der Dublin-III-Verordnung und des Schengen-Grenzkodex. Dieser Zustand wird seit mindestens 2015 (fast) bedingungslos hingenommen. Neben einem quasi nichtvorhandenen Grenzschutz zur Verhinderung illegaler Einreisen scheitern zudem – nach einem Asylverfahren – in fast allen Fällen mögliche und eigentlich grundsätzlich zwingende Dublin-Rücküberstellungen in den zuständigen EU-Ersteinreisestaat. Auf Abschiebungen verzichtet die Bundesregierung wegen Sicherheitsbedenken gar seit Jahren vollständig. Wer es folglich einmal nach Deutschland geschafft hat – wie auch immer –, der bleibt in der Realität dauerhaft.

Nachdem das BAMF 2021 mehr als 23.000 Asylanträge afghanischer Bürger verzeichnete, waren es im Folgejahr bereits 36.000. Von Januar bis Juli 2023 wurden weitere 31.000 Asylanträge verzeichnet. Somit wird der Vorjahreswert bereits im August erreicht worden sein.

Nach dem Abzug der Bundeswehr und anderer westlicher Streitkräfte sowie der anschließenden Machtübernahme in Kabul durch die Taliban vor zwei Jahren nahm die Zuwanderung von Afghanen durch 2 freiwillige Aufnahmeprogramme noch einmal an Fahrt auf. Über das Ortskräfteprogramm kamen bisher 4.100 Personen + 15.200 Familienangehörige; über das Aufnahmeprogramm für „weiterer besonders gefährdeter Afghanen“ (bis September 2025 sind monatlich etwa 1000 Personen vorgesehen) zusätzliche 2.600 Personen + 8.400 Familienangehörige – insgesamt also 30.300 Personen.2

Mit diesen freiwilligen Aufnahmeprogrammen nimmt Deutschland im internationalen Vergleich erneut eine Außenseiterrolle ein und löst damit bei den Sicherheitsbehörden keine Jubelstimmung aus – im Gegenteil. Der Grund dafür liegt in der relativ hohen durchschnittlichen Kriminalitätsbelastung. Wie die WELT berichtet, wurden „laut der Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2020 insgesamt 21.773 Straftaten verübt (ohne ausländerspezifische Delikte), zu denen ein afghanischer Tatverdächtiger ermittelt wurde.

Darunter waren 4.299 Gewaltdelikte – davon 94 Taten der schwersten Kategorie, nämlich Mord und Totschlag.“ Weiter heißt es: „Von den rund 72 Millionen deutschen Staatsbürgern in der Bundesrepublik wurden 2020 also 1,8 Prozent als Tatverdächtige ermittelt. Von den damals 280.000 Afghanen wurden 7,8 Prozent als Tatverdächtige zu Straftaten ermittelt.“3 Daraus ergibt sich im direkten Vergleich der Faktor 4!

Auch bei einer Betrachtung der Zahlen zum Bürgergeldbezug sind die Zahlen fatal. Mit Stand Mai 2023 bezogen 47,6 Prozent der hierzulande lebenden Afghanen Bürgergeld. Hinzu kommen noch Personen, die im laufenden Asylverfahren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Schließlich sind auch die Arbeitsmarktdaten wenig erfolgversprechend. Wie die WELT berichtet, waren im Januar 2023 deutschlandweit nur 88.087 Afghanen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, darunter 10.400 in einer Ausbildung und 19.543 mit betrieblicher oder schulischer Berufsausbildung sowie 3.342 mit akademischem Abschluss. 37.226 arbeiteten ohne Berufsabschluss und 17.530 waren „ohne Angabe“.4

Die Aufnahme von über 300.000 Menschen aus Afghanistan seit 2013 führte folglich – unabhängig von der generellen Bewertung der Migrationspolitik auf Bundes- und Landesebene – zu einer enormen finanziellen, sicherheitspolitischen und integrationspolitischen Belastung.

Ich frage daher die Landesregierung:

Wie hat sich die Anzahl der in NRW aufhältigen bzw. wohnhaften Afghanen von 2013 bis 2023 entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl, Geschlecht, Altersstruktur und Aufenthaltsstatus listen)

Wie viele Afghanen haben sich in den Jahren 2013 bis 2023 auf Grundlage einer legalen Fachkräftezuwanderung, wie z. B. der Blauen Karte EU, in NRW niedergelassen, sind also nicht über das Asylsystem eingereist? (Bitte differenziert nach Jahr und Anzahl listen)

Wie viele Afghanen sind seit 2013 im Zuge des Familiennachzugs nach NRW gekommen? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl und dem Anteil des Familiennachzugs zu Personen, die auf Grundlage einer legalen Fachkräftezuwanderung nach NRW gekommen sind, listen)

Wie hat sich seit 2013 der Anteil der afghanischen Bürgergeldempfänger bzw. Hartz-4-Empfänger entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl der Personen sowie dem prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der Afghanen listen)

Wie viele afghanische Tatverdächtige gab es gem. PKS in der Jahren 2013 bis 2023 in NRW? (Bitte differenziert nach Jahr, Straftatbestand und Anzahl listen)

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-5935

 

1 Vgl. Migration: Fast 400.000 Afghanen in Deutschland – Das sind die Folgen – WELT

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Ebd.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 2558 mit Schreiben vom 27. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern sowie dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Zur Beantwortung der Fragen 1-3 wurde auf die entsprechenden Statistiken des Ausländer-zentralregisters (AZR) zurückgegriffen.

Hieraus ergeben sich allerdings nur die zum jeweiligen Stichtag ermittelten Gesamtzahlen der in Nordrhein-Westfalen aufhältigen Personen. Zu den – wie in den Fragen 2 und 3 erbetenen – erfolgten jährlichen Einreisezahlen zum jeweiligen Aufenthaltszweck verhält sich die AZR-Statistik nicht.

Dementsprechend geben die Antworten auf Frage 2 und 3 Auskunft über die Gesamtzahl der zum jeweiligen Stichtag in Nordrhein-Westfalen aufhältigen Personen der angefragten Perso­nengruppe, die eine Aufenthaltserlaubnis zum jeweiligen Aufenthaltszweck besitzen, nicht je­doch über die jährlich erfolgten Einreisen zum jeweiligen Aufenthaltszweck.

  1. Wie hat sich die Anzahl der in NRW aufhältigen bzw. wohnhaften Afghanen von 2013 bis 2023 entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl, Geschlecht, Al­tersstruktur und Aufenthaltsstatus listen)

Zur Beantwortung der Frage wird auf nachstehende Tabelle verwiesen.

 

Jahr (Stichtag 31.12.) In NRW gemeldet/aufhäl-tig
2013 9.548
2014 10.812
2015 18.954
2016 40.394
2017 40.037
2018 41.215
2019 42.553
2020 43.581
2021 50.987
2022 63.309
2023* 66.993

 

*Stichtag 31.08.2023

  1. Wie viele Afghanen haben sich in den Jahren 2013 bis 2023 auf Grundlage einer legalen Fachkräftezuwanderung, wie z. B. der Blauen Karte EU, in NRW niederge­lassen, sind also nicht über das Asylsystem eingereist? (Bitte differenziert nach Jahr und Anzahl listen)

Zur Beantwortung der Frage wird unter Verweis auf die Vorbemerkung auf nachstehende Ta­belle verwiesen.

 

Jahr (Stichtag 31.12.) Mit Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der  Ausbildung/Er-
werbstätigkeit
2013 71
2014 90
2015 108
2016 129
2017 95
2018 103
2019 128
2020 176
2021 381
2022 508
2023* 564

 

  1. Wie viele Afghanen sind seit 2013 im Zuge des Familiennachzugs nach NRW gekommen? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl und dem Anteil des Familiennach­zugs zu Personen, die auf Grundlage einer legalen Fachkräftezuwanderung nach NRW gekommen sind, listen)

Zur Beantwortung der Frage wird unter Verweis auf die Vorbemerkung auf nachstehende Ta­belle verwiesen.

 

Jahr (Stichtag 31.12.) Mit Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen
2013 1.319
2014 1.361
2015 1.469
2016 1.537
2017 1.605
2018 1.893
2019 2.122
2020 2.131
2021 2.341
2022 2.759
2023* 3.293

 

*Stichtag 31.08.2023

  1. Wie hat sich seit 2013 der Anteil der afghanischen Bürgergeldempfänger bzw. Hartz-4-Empfänger entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl der Personen sowie dem prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der Afghanen listen)

Die Landesregierung führt keine eigene Statistik zum angefragten Sachverhalt. Die Da­tenerhebung und -aufbereitung liegt in der Zuständigkeit des Statistik-Service der Bun­desagentur für Arbeit (https://statistik.arbeitsagentur.de). Die Daten können dort unmit­telbar erfragt werden.

  1. Wie viele afghanische Tatverdächtige gab es gem. PKS in der Jahren 2013 bis 2023 in NRW? (Bitte differenziert nach Jahr, Straftatbestand und Anzahl listen)

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die PKS ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssicherungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten für das Jahr 2023 derzeit noch nicht qualitätsgesichert vor.

Der folgenden Übersicht bitte ich die ermittelten Tatverdächtigen mit afghanischer Staatsangehörigkeit der Jahre 2013 bis 2022 zu entnehmen. Hinzuweisen ist darauf, dass ausländerrechtliche Verstöße ausschließlich von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit begangen werden können. Daher wird neben der Anzahl aller ermittelten Tatverdächtigen mit afghanischer Staatsangehörigkeit (Tatverdächtige insgesamt) auch die Anzahl der Tatverdächtigen mit afghanischer Staatsangehörigkeit dargestellt, die keine ausländerrechtlichen Verstöße begangen haben.

 

Jahr Tatverdächtige insgesamt davon Tatverdächtige ohne ausländerrechtli­che Verstöße
2013 1.199 679
2014 1.250 790
2015 3.531 1.179
2016 4.801 3.424
2017 3.806 3.312
2018 3.959 3.418
2019 3.979 3.338
2020 3.686 3.061
2021 4.097 2.980
2022 4.850 3.702

 

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