Die Zeit drängt: Umsetzung der auf der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Mai 2023 beschlossenen Maßnahmen für einen besseren Schutz der Grenzen – Wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt zur Erweiterung der Grenzkontrollen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1876
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Die Zeit drängt: Umsetzung der auf der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Mai 2023 beschlossenen Maßnahmen für einen besseren Schutz der Grenzen Wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt zur Erweiterung der Grenz­kontrollen?

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Anlässlich der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Mai 2023 wur­den u .a. auch dringend notwendige Maßnahmen für einen besseren Schutz der Grenzen ver­abredet. Da von Seiten des Landes Nordrhein-Westfalen keine anderslautende Protokollerklä­rung vorliegt, muss von einer allgemeinen Zustimmung der Landesregierung zu diesen Be­schlusspunkten ausgegangen werden.

Vorgesehen ist dabei, dass der Bund wie bisher grenzpolizeiliche Maßnahmen auch an den deutschen Schengen-Binnengrenzen durchführt und sich dabei „an der Lageentwicklung im Bereich der irregulären Migration an den jeweiligen Grenzabschnitten zu den Anrainerstaaten“ orientiert. Die vorübergehenden Grenzkontrollen zu Österreich wurden verlängert. Dieses Vor­gehen erwies sich in der Vergangenheit als wenig wirksam. So stieg die Anzahl der illegalen Einreisen in das Bundesgebiet nach einem bereits starken Anstieg im Jahr 2022 im ersten Quartal 2023 erneut überproportional um 51 % zum Vorjahreszeitraum, von 12.965 auf 19.627 Personen.

Aktuell ist nur eine Grenze – die EU-Binnengrenze zu Österreich – notifiziert. Von den im Jahr 2022 erfolgten Zurückweisungen entfielen – unter Nicht-Berücksichtigung der Zurückweisun­gen an den Flughäfen – 14.675 von 19.204 (76 %) Zurückweisungen auf die EU-Binnengrenze zu Österreich, was ein Beleg für die Effektivität der Maßnahme ist und die Notwendigkeit der Ausdehnung auf weitere EU-Binnengrenzen begründet.1

Wie auf der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern vereinbart, wurde auf­grund der „derzeitigen Dynamik des Migrationsgeschehens“ eine Schleierfahndung an allen deutschen Binnengrenzen vereinbart. Das kann allerdings nur als Zwischenschritt verstanden wissen. Vereinbart wurde daher auch das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsi-cherungskonzept „lageabhängig“ auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands zu etablie­ren.

Die Dringlichkeit dieser Maßnahme wurde auch von Brandenburgs Innenminister Stübgen (CDU) bekräftigt. Dieser erwartet rasch Grenzkontrollen als Migrationsbremse und hält zur Eindämmung illegaler Einreisen eine rasche Einführung stationärer Kontrollen an der Grenze zu Polen für machbar. Er hoffe, dass die Binnenkontrollen sehr bald kommen würden. Stübgen hofft auf einen Start Anfang Juni, also noch vor der Innenministerkonferenz, die Mitte Juni ansteht.

Damit schließt er sich einem gemeinsamen Vorstoß zu Binnengrenzkontrollen der Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg an. Wie aus einem Bericht der Märkischen Allgemeine hervorgeht, warte er nun darauf, dass das Bundesinnenministerium den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz umsetze. Die Landespolizei werde die Ein­führung von Grenzkontrollen auch unterstützen.2

Die CDU-Landesminister Michael Stübgen (Brandenburg) und Armin Schuster (Sachsen) schrieben in diesem Zusammenhang bereits am 4. Mai einen Brandbrief an Innenministerin Nancy Faeser. Die Lage sei so schlimm wie seit dem Krisenjahr 2016 nicht mehr, allein binnen 14 Tagen hätten sich Ende April hundert illegal Eingereiste in den Aufnahmeeinrichtungen gemeldet – pro Tag! Das Ablehnungsschreiben der Bundesinnenministerin fand seinen Weg zur Bild.3

Darin hieß es: „Die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen setzt eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraus und hat dabei stets ultima ratio Charakter. […] Während die deutsch-österreichische Landgrenze angesichts der europäischen Migrationsrouten seit Jahren den Schwerpunkt des Migrationsgeschehens an den deutschen Grenzen darstellt, ergeben sich an der deutsch-polnischen Grenze bislang schwankende Feststellungszahlen, die erst seit Ende Februar dieses Jahres über denen an der Landgrenze zu Österreich liegen. […] Die Feststellungen unerlaubter Einreisen an der deutsch-tschechischen Landgrenze sind seit einem Höchststand im September 2022 stark rückläufig.“

Diese Einschätzung irritiert, insbesondere vor dem Hintergrund der Zahlen der Bundespolizei in Bezug auf die Anzahl illegaler Einreisen sowie auf die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels am 10. Mai. Hier hatte man sich noch auf den Ausbau der temporären Grenzkontrollen geei­nigt. In der Folge sind mangels Notifizierung Zurückweisungen an den EU-Binnengrenzen zu den sicheren Drittstaaten Tschechien und Polen auch weiterhin nicht möglich.

Damit fungiert die Bundespolizei an diesen EU-Binnengrenzen auch zukünftig quasi nur zur statistische Erfassung illegaler Einreisen.

Auch NRW sollte daher in dieser Frage auf Bundesebene jetzt Druck ausüben und auf eine rasche Umsetzung der angekündigten Grenzschutzmaßnahmen drängen. Die aktuell hohe Anzahl illegaler Einreisen macht es insbesondere erforderlich, dass sich die Landesregierung beim nächsten Bund-Länder-Treffens am 15.06.2023 sowie anlässlich der 219. Sitzung der Innenministerkonferenz vom 14. bis 16.06.2023 eindeutig positioniert.

Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Kleine Anfrage 1876 mit Schreiben vom 12. Juni 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern sowie der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Mit welchen Forderungen in Bezug auf einen verstärkten Grenzschutz an den deut­schen EU-Binnengrenzen geht die Landesregierung in das nächste Bund-Länder-Treffen am 15.06.2023?

Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben bei ihrer letzten Besprechung vom 10. Mai 2023 einen vielfältigen Maßnahmenkatalog zur Ver­besserung der Steuerung von Migrationsbewegungen beschlossen. Die Landesregierung er­wartet die Umsetzung dieser Maßnahmen und wird den Bund hierzu um einen Bericht zum aktuellen Zwischenstand in der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefin­nen und Regierungschefs am 15.06.2023 bitten.

  1. Mit welchen Forderungen in Bezug auf einen verstärkten Grenzschutz an den deut­schen EU-Binnengrenzen geht der Innenminister in die Innenministerkonferenz vom 14. bis 16.06.2023?

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder wird erst vom 14. bis 16.06.23 zu ihrer 219. Sitzung zusammenkommen. Die Thematik der Einführung von Grenz­kontrollen durch die Bundespolizei ist als Tagesordnungspunkt durch die Länder Brandenburg, Baden-Württemberg und Sachsen für die Innenministerkonferenz angemeldet worden. Einem entsprechenden Beschluss der Innenministerkonferenz kann und soll nicht vorgegriffen wer­den.

  1. Wie bewertet die Landesregierung die oben aufgeführten Initiativen anderer Bun­desländer, also Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg, in Bezug auf eine Notifizierung weiterer EU-Binnengrenzen, verbun­den mit Zurückweisungen an der Grenze?

Die Zuständigkeit für den Grenzschutz liegt beim Bund. In der Besprechung des Bundeskanz­lers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 10. Mai 2023 wurde beschlossen, dass der Bund lageabhängig das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation der be­treffenden Bundesländer etablieren wird.

Die Einschätzung der Lage an den EU-Binnengrenzen im zuvor genannten Sinne obliegt den jeweils betroffenen Bundesländern. Die Landesregierung bewertet die entsprechende Ein­schätzung anderer Bundesländer nicht. Sie erwartet jedoch von der Bundesregierung, dass diese Problemanzeigen einzelner Bundesländer im Sinne der o. g. Vereinbarung aufgreift und entsprechende Maßnahmen umsetzt.

  1. Inwiefern steht die gesamte Landesregierung also auch die Ministerin für Flucht und Integration hinter den Beschlüssen der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Mai 2023 in Bezug auf einen erweiterten Grenzschutz?

Die Beschlüsse vom 10. Mai 2023 bilden einen Kompromiss zwischen Bund und Ländern ab, welcher für die Länder auf der Ebene der Regierungschefinnen und Regierungschefs mit dem Bundeskanzler verhandelt und beschlossen worden ist. Grundsätzlich sieht die Landesregie­rung Humanität in der Flüchtlingspolitik immer im Kontext mit einer besseren Steuerung und Ordnung der Migration, auch an den EU-Außengrenzen.

 

Antwort als PDF

 

1 Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/20/056/2005674.pdf

2 Vgl. https://www.maz-online.de/brandenburg/illegale-migration-brandenburger-innenminister-erwar-tet-rasch-grenzkontrollen-ZBMXVWZY4JCIRM5AFNPNFMIPVM.html

3 Vgl. https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/bild-enthuellt-ihren-ablehn-brief-faeser-lage-nicht-schlimm-genug-fuer-grenzkont-84016692.bild.html