Antrag
der Fraktion der AfD
Doping auch bei Jugendlichen immer beliebter: Dem SARM -Missbrauch Einhalt gebieten, den Freizeitsport stärker ins Visier nehmen!
Muskelaufbau und -definition erfordern viel Einsatz und Hingabe. Um das von vielen Freizeitwie Profisportlern angestrebte muskulöse Erscheinungsbild zu erreichen, ist regelmäßiges Krafttraining mehrmals pro Woche notwendig. Hinzu kommt eine strikte und auf die metabolischen Bedürfnisse des Körpers angepasste Ernährung. Daher sind Abkürzungen auf dem Weg zum idealen Körperbild besonders gefragt. Eine Substanzgruppe, die in den USA bereits weit verbreitet ist, findet nun auch zunehmend in Deutschland Anklang: selektive Androgenre-zeptor-Modulatoren (SARM). Sie werden auf TikTok und anderen sozialen Medien intensiv beworben und nicht selten als nahezu nebenwirkungsfrei sowie als leicht anzuwenden präsentiert. Durch die orale Einnahme entfällt die Notwendigkeit einer intramuskulären Injektion, die potenzielle Konsumenten anaboler Steroide eher abschreckt. Die physiologischen Wirkmechanismen wie auch die schwerwiegenden Nebenwirkungen von SARM bleiben jedoch häufig unerwähnt. Besonders besorgniserregend ist, dass sogenannte „Fitness-Influencer“ auf Social-Media-Plattformen gezielt Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen. Diese werden mit Rabattcodes, Versprechen von schnellen Erfolgen und einem idealisierten Körperbild dazu verleitet, SARM einzunehmen, obwohl die möglichen Risiken schwerwiegend sein können.
Selektive Androgenrezeptor-Modulatoren ahmen die Wirkung von Testosteron und anabolen Steroiden nach, sind aber deutlich potenter. Laut In-vitro-Studien ist ihre Bindungsaffinität zum Androgenrezeptor bis zu zehnmal höher als die von Testosteron. SARM entfalten insbesondere in Geweben wie der Muskulatur und teilweise auch in den Knochen einen hohen anabo-len Wirkungsgrad von bis zu 100 Prozent. Untersuchungen zufolge fallen Nebenwirkungen wie Haarausfall im Vergleich zu klassischen anabolen Steroiden dagegen geringer aus.1 Substanzen wie Enobosarm oder Ostarine fördern eine signifikante Zunahme der fettfreien Körper-masse,2 ein Effekt, der besonders im Bodybuilding geschätzt wird. Allerdings haben Tierversuche an Ratten gezeigt, dass die Einnahme von SARM die körpereigene Testosteronproduk-tion reduziert,3 was u.a. zu Infertilität, Osteoporose und Anämie führen kann.
SARM wurden ursprünglich zur Behandlung von Muskelatrophie und anderen Muskelerkrankungen entwickelt und gelten in diesem Kontext als potenzielle Arzneimittel. Allerdings liegt bisher weder in den USA noch in der EU eine generelle Zulassung vor. Es handelt sich folglich um Substanzen, die sich noch in der Forschung befinden. Lediglich in der Krebstherapie finden sie bereits in einem Fall Anwendung: Seit September 2023 ist mit Nubeqa erstmals ein Medikament mit SARM für die Behandlung von Prostatakrebs zugelassen.4
Dabei hat die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) SARM bereits 2008 verboten,5 wodurch ihre Einnahme im Leistungssport streng überwacht wird. So wurde etwa der italienische Radrennprofi Matteo Spreafico beim Giro d‘Italia 2020 positiv auf Enobosarm getestet und daraufhin suspendiert.6 Der US-amerikanische NFL-Spieler DeAndre Hopkins erhielt 2022 eine vorübergehende Spielesperre, nachdem bei ihm Ostarine im Blut nachgewiesen worden war.7
Im Freizeitsport stellt sich die Situation anders dar: Die nicht zugelassenen Substanzen8 sind leicht verfügbar und können auf dem Schwarzmarkt oder über den Versandhandel aus dem Ausland erworben werden. Oft sind es Händler mit Sitz in Indien,9 dem Vereinigten König-reich10 oder den Niederlanden,11 die die Präparate unter verschiedenen Namen vertreiben.12 Auch einige Onlineshops mit deutschem Impressum bieten SARM an, obwohl der Verkauf dieser nicht zugelassenen Präparate in Deutschland verboten ist: Das Anti-Doping-Gesetz stellt jeglichen Umgang mit SARM durch Privatpersonen in nicht geringer Menge (ab 540 mg) unter Strafe.13 Darunter fallen sowohl die Herstellung, der Handel, der Besitz, das Abgeben oder Inverkehrbringen als auch die Anwendung von SARM. Auch die Einfuhr von SARM über die deutsche Grenze ist gemäß § 4 Abs. 1 AntiDopG illegal.
Die US-amerikanische FDA (Food and Drug Administration) und das deutsche BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) warnen eindringlich vor den Risiken der als Nahrungsergänzungsmittel beworbenen SARM-Präparate. Laut FDA sind die Einnahmen mit schweren oder potenziell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen verbunden. Dazu gehören ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, Psychosen und Halluzinationen, Schlafstörungen, sexuelle Dysfunktion, Leberschäden bis hin zu akutem Leberversagen, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten bei der Einnahme während der Schwangerschaft und Schrumpfung der Hoden.14
Das BfArM hat zusätzlich auf einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von SARM und Depressionen hingewiesen.15 Da von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen wird, dürfte der tatsächliche Umfang unerwünschter Nebenwirkungen deutlich größer sein. Langzeitfolgen sind bislang kaum erforscht. Besonders problematisch ist, dass viele dieser Substanzen illegal im Ausland hergestellt werden. Ihre Qualität und Reinheit sind nicht überprüfbar und Verunreinigungen mit Fremdstoffen stellen ein zusätzliches Gesundheitsrisiko dar.
I. Der Landtag stellt fest:
- SARM sind – abgesehen von Nubega – nicht zugelassene und unzureichend erforschte Substanzen, die vor allem im Fitnessbereich zur Steigerung der Muskelmasse konsumiert werden.
- Die im Internet verbreiteten Behauptungen, dass SARM weitgehend unbedenklich seien, sind irreführend; solche Falschinformationen führen dazu, dass Menschen SARM fälschlicherweise für sicher halten.
- Besonders Jugendliche und junge Erwachsene werden in den sozialen Medien gezielt angesprochen, ohne über die erheblichen gesundheitlichen Risiken aufgeklärt zu werden.
- Trotz schwerwiegender gesundheitlicher Nebenwirkungen, die ein Missbrauch von SARM zum Zweck der sportlichen Leistungssteigerung nach sich ziehen kann, sind SARM leicht verfügbar und können problemlos über den Onlinehandel bezogen werden.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
– illegale Anbieter von SARM im Rahmen der Doping-Bekämpfung stärker ins Visier zu nehmen und konsequent zu sanktionieren;
– den NRW-Sportverbänden eine Handlungsempfehlung auszusprechen, sich sowohl mit der wissenschaftlichen Literatur zu SARM als auch mit den Trends in den sozialen Medien vertraut zu machen, um dem Missbrauch von SARM entgegenzutreten;
– gemeinsam mit dem Landessportbund eine Aufklärungskampagne zu entwickeln, um bei Freizeitsportlern ein Bewusstsein für die gesundheitlichen Gefahren zu schaffen, die durch den Missbrauch von SARM entstehen können.
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
und Fraktion
1 JT Dalton et al.: The selective androgen receptor modulator GTx-024 (enobosarm) improves lean body mass and physical function in healthy elderly men and postmenopausal women: results of a double-blind, placebo-con-trolled phase II trial, in: Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle 2 (2011), S. 153-161, siehe: https://onlineli-brary.wiley.com/doi/10.1007/s13539-011-0034-6 (zuletzt aufgerufen am 14.03.2025).
2 Danny Henkies: Der Einfluss des selektiven Androgenrezeptor-Modulators Enobosarm auf die Skelettmuskulatur im Modellorganismus der osteoporotischen Ratte, Göttingen 2020, S. 23.
3 JD Kearbey et al.: Pharmacokinetics of S-3-(4-acetylamino-phenoxy)-2-hydroxy-2-methyl-N-(4-nitro- 3-trifluoro-methyl-phenyl)-propionamide in rats, a non-steroidal selective androgen receptor modulator, in: Xenobiotica 34 (2004), S. 273-80, siehe: doi:10.1080/0049825041008962 (zuletzt aufgerufen am 18.11.2024).
4 European Medicines Agency (EMA): Nubeqa, siehe: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/E-PAR/nubeqa (zuletzt aufgerufen am 18.11.2024).
5 World Anti-Doping Agency: The 2008 Prohibited List, S. 4, siehe: https://www.wada-ama.org/sites/default/fi-les/resources/files/WADA_Prohibited_List_2008_EN.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.11.2024).
6 Eurosport: „Giro 2020 – Doping-Fall: Italiener Spreafico vorläufig suspendiert“, siehe: https://www.euro-sport.de/radsport/giro-d-italia/2020/doping-fall-italiener-spreafico-vorlaufig-suspendiert_sto7962891/story.shtml (zuletzt aufgerufen am 18.11.2024).
7 Ran: „Nach Dopingsperre: DeAndre Hopkins beteuert seine Unschuld und fordert Veränderungen“, siehe: https://www.ran.de/sports/american-football/nfl/news/nach-dopingsperre-deandre-hopkins-beteuert-seine-un-schuld-und-fordert-veraenderungen-113560 (zuletzt aufgerufen am 18.11.2024).
8 Ausgenommen Nubeqa.
9 Siehe dazu: https://deusmedical.com/de/produkte/nahrungserganzungsmittel/lgd4033-10/ (zuletzt aufgerufen am 19.11.2024).
10 Siehe dazu: https://eurosupps.nl/de/webshop/1/grind-ligandrol-lgd-4033/ (zuletzt aufgerufen am 19.11.2024).
11 Siehe dazu: https://biaxol.com/de/Produkt/ligandrol-lgd4033/?srsltid=AfmBOoqi6sxKktm6a0q9RiIi1ZHUHgd-GHbNJMR3jWT-o-_4HApBGsgpC (zuletzt aufgerufen am 19.11.2024).
12 U. a. als LGD-4033 (Ligandrol), RAD-140 (Testolone), MK-2866 (Ostarine), MK-677 (Ibutamoren; Nutrabol), GW-501516 (Cardarine), SR-9009 (Stenabolisch), S4 (Andarine).
13 Siehe Anlage zu § 2 AntiDopG.
14 FDA: „FDA Warns of Use of Selective Androgen Receptor Modulators (SARMs) Among Teens, Young Adults“, siehe: https://www.fda.gov/consumers/consumer-updates/fda-warns-use-selective-androgen-receptor-modula-tors-sarms-among-teens-young-adults (zuletzt aufgerufen am 14.03.2025).
15 BfArM: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 1 (2023), S. 30, siehe: https://www.bfarm.de/DE/Aktuelles/Publikatio-nen/Bulletin/Ausgaben/2023/1-2023.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 18.11.2024).