Kleine Anfrage 4141
der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Christian Blex AfD
Dortmund: Schülerin von Mädchen-Gang brutal verprügelt. Opfer muss zunächst Bericht schreiben – Warum werden Opfer allein gelassen?
„Statt die Polizei zu rufen und meine Tochter, die blutig geschlagen wurde, in ein Krankenhaus zu bringen, wurde sie mit blutendem Gesicht eine halbe Stunde lang allein in einem Zimmer gelassen, wo sie einen Rapport von dem Angriff auf sich aufschreiben sollte. Und dies, obwohl sie völlig verstört in diesem Augenblick war und Täterinnen vor dem Raum gelauert und Krawall gemacht hatten.“1
Dies sind die Ausführungen einer Mutter, deren 15-jährige Tochter am 16. Januar 2024 in einer Mädchentoilette der Robert-Koch-Realschule in Dortmund von fünf etwa gleichaltrigen Mädchen verprügelt wurde. Die mutmaßlichen Täterinnen zerrten dem Opfer an den Haaren, griffen mit den Händen in ihr Gesicht. Die 15-Jährige wurde immer wieder mit Fäusten gegen den Kopf und in die Seite geschlagen. Außerdem traten sie gegen den nach vorn gebeugten Oberkörper ihres Opfers. Daraufhin packten sie das Mädchen an den Kleidern und versuchten, es in Richtung Boden zu drücken, bis ihr Martyrium schließlich durch eine Lehrerin beendet wurde. Diese brutale Tat wurde von den Täterinnen gefilmt und anschließend ins Internet mit der Anmerkung „Diesmal habe ich es besser gemacht.“ gestellt. Vier Tage zuvor hatte es bereits eine kleinere Attacke an einer Treppe im Schulgebäude gegeben.2
Was unmittelbar nach dem Angriff auf die 15-Jährige folgte, erwecke den Eindruck, die Schule habe bei der Sorgfaltspflicht völlig versagt. Die Mutter führt dazu aus, dass man ihrer Tochter sagte, dass sie sich „das Gesicht waschen, sich hinlegen, ein bisschen Salbe auf die Haut schmieren [solle], dann ginge das schon wieder.“ Dies nahm die Mutter zum Anlass, noch am selben Tag Strafanzeige gegen die Mädchen-Gang bei der Polizei zu erstatten. Nach einem zweiten Gespräch mit der Schulleitung, das Anfang Februar stattgefunden hatte, habe die Mutter Hoffnung, dass sich die Situation ändern könne:
„Der Schulleiter versprach mir, dass man sich darum kümmern würde, dass das Mobbing und die Gewalt gegen Laura aufhören würden.“3
Nachdem das 15-jährige Opfer erfahren hatte, dass es erneut verprügelt werden sollte, habe es eine Gefährderansprache der Polizei mit den Betroffenen gegeben. Außerdem wurden einige Schülerinnen zeitweise suspendiert. Dennoch habe sich nach Angaben der Mutter am aggressiven Verhalten der Mädchen-Gang gegenüber ihrer Tochter nichts geändert. Am 19. März sei die 15-jährige Schülerinnen während einer Pause in eine Ecke gedrängt und so heftig geschlagen worden, dass sie ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Stauchung des Bauchraums davongetragen habe.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben beschriebenen Vorfällen in Dortmund? (Bitte Tathergang, Straftatbestände nennen und angeben, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind.)
- Über welche Staatsbürgerschaften verfügen die Tatverdächtigen? (Bitte Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen nennen.)
- Welche polizeilichen Erkenntnisse sind über die Tatverdächtigen bekannt?
- Wurden respektive werden die Tatverdächtigen als Intensivtäter geführt?
- Bewertet die Landesregierung das Handeln von Schulleiter und Polizei als ausreichend?
Markus Wagner
Dr. Christian Blex
2 Ebenda.
3 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4141 mit Schreiben vom 25. November 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Bildung sowie dem Minister der Justiz beantwortet.
- 1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben beschriebenen Vorfällen in Dortmund? (Bitte Tathergang, Straftatbestände nennen und angeben, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind.)
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Dortmund hat dem Ministerium der Justiz unter dem 22.07.2024 und unter dem 30.11.2024 berichtet. Danach habe die Staatsanwaltschaft Dortmund wegen der mit der Kleinen Anfrage angesprochenen Sachverhalte zwei Ermittlungsverfahren eingeleitet, eines gegen eine Gruppe weiblicher Jugendlicher und eines gegen eine 15jährige Geschädigte.
Ersteres habe sich ursprünglich u. a. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung gegen eine Gruppe von insgesamt sieben jugendlichen Beschuldigten gerichtet, der zudem ein strafunmündiges Kind angehört habe. Den Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren werde zur Last gelegt, am 12. und 16.01.2024 die 15-jährige Geschädigte gemeinschaftlich körperlich misshandelt zu haben. Beide Auseinandersetzungen seien gefilmt und das jeweilige Handyvideo anschließend im Internet verbreitet worden.
Im zweiten Verfahren gegen die 15-jährige Geschädigte habe die Staatsanwaltschaft Dortmund Anklage wegen Körperverletzung und falscher Verdächtigung erhoben. Ihr werde im Wesentlichen zur Last gelegt, am 19.03.2024 eine in dem anderen Verfahren Beschuldigte körperlich misshandelt und verletzt zu haben. Zudem soll sie am selben Tage gemeinsam mit ihrer Mutter Strafanzeige gegen die durch sie Verletzte erstattet und wahrheitswidrig angegeben haben, von dieser in der Schule tätlich angegriffen worden zu sein.
Gegen eine der Jugendlichen aus dem ersten Verfahren sowie das Kind, seien die Ermittlungen inzwischen mangels Tatverdachts bzw. wegen Strafunmündigkeit eingestellt worden. Im Übrigen sei der Vorgang der Jugendgerichtshilfe Dortmund mit dem Ziel der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs zur Vorbereitung einer endgültigen Diversionsentscheidung nach Maßgabe der Richtlinien zur Förderung der Diversion im Jugendstrafverfahren (Diversi-ons-richtlinien) – Gem. RdErl. des Ministeriums der Justiz, des Ministeriums des Innern, des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und des Ministeriums für Schule und Bildung vom 25.09.2023 – übersandt worden.
Hinsichtlich der in der Kleinen Anfrage geschilderten Reaktion des Schulpersonals sei ein AR-Vorgang geführt worden. Der Anfangsverdacht einer Straftat habe sich nicht ergeben.
- Über welche Staatsbürgerschaften verfügen die Tatverdächtigen? (Bitte Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen nennen.)
Von den sieben Beschuldigten verfügen ausweislich des vorbezeichneten Berichts des Leitenden Oberstaatsanwalts in Dortmund drei über die deutsche, zwei über die deutsche und irakische, eine über die ukrainische und eine über die italienische Staatsangehörigkeit.
Von Angaben zu Vornamen der jugendlichen Beschuldigten wird unter Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschuldigten, dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts und der Wertung des § 48 Absatz 1 JGG sowie der Unschuldsvermutung abgesehen. Wegen der zeitlichen und örtlichen Eingrenzung der Tat und weiterer, auch presseöffentlicher Angaben zu dem Verfahren wären die Beschuldigten bei Nennung ihrer Vornamen identifizierbar bzw. würde die Gefahr der Identifizier-barkeit erheblich erhöht. Dem parlamentarischen Informationsinteresse wird durch die weiteren Angaben zum Sachstand entsprochen.
- Welche polizeilichen Erkenntnisse sind über die Tatverdächtigen bekannt?
Kriminalpolizeiliche Erkenntnisse im Sinne dieser Antwort fußen grundsätzlich auf Verdachtsmomenten, die Grundlage für eine polizeiliche Strafanzeige oder die Gegenstand von kriminalpolizeilichen Ermittlungen geworden sind. Solche Erkenntnisse ermöglichen regelmäßig keinen Rückschluss auf die Richtigkeit des in Rede stehenden Vorwurfs und auf das Ergebnis der abschließenden justiziellen Prüfung durch Staatsanwaltschaften und Gerichte. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.
Um in diesem Einzelfall die erzieherischen Zwecke des Diversionsverfahrens und die Befriedung durch den geplanten Täter-Opfer-Ausgleich nicht zu gefährden, werden die polizeilichen Erkenntnisse lediglich in zusammengefasster Form mitgeteilt: Zwei der Jugendlichen sind polizeilich bislang nicht in Erscheinung getreten. Zwei der Jugendlichen sind wegen Ladendiebstahls und eine wegen Geldwäsche polizeilich in Erscheinung getreten. Bei drei Jugendlichen liegen polizeiliche Erkenntnisse zu Körperverletzungsdelikten vor. Weitere Tatvorwürfe beziehen sich auf Beleidigung, Bedrohung und die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen.
- Wurden respektive werden die Tatverdächtigen als Intensivtäter geführt? Keine der Tatverdächtigen wurde – respektive wird – als Intensivtäterin geführt.
- Bewertet die Landesregierung das Handeln von Schulleiter und Polizei als ausreichend?
An den Auseinandersetzungen waren Schülerinnen zweier nahe beieinanderliegenden Schulen beteiligt, wobei sich eine Schülerin in einer Hospitationsphase befand, um einen Schulwechsel vorzubereiten. Den Schulleitungen der beteiligten Schulen war dabei nicht bekannt, dass ein großes Konfliktpotential in der Schülerschaft bestand, das auf gegenseitigen Beleidigungen in den sozialen Medien außerhalb der Einflusssphäre der Schule beruhte, die letztlich aber in körperlichen Auseinandersetzungen zum Teil auch in der Schule mündeten.
Bei jeder der tätlichen Auseinandersetzungen in der Schule haben die Lehrkräfte eingegriffen und Schlimmeres verhindern können. Auf alle beteiligten Schülerinnen wurde unmittelbar nach den Übergriffen erzieherisch eingewirkt und es fanden schnell Teilkonferenzen für die beteiligten Schülerinnen statt, auf denen Ordnungsmaßnahmen ausgesprochen wurden.
Weitere Informationen sind den Landtagsvorlagen 18/2742 und 18/2743 zu entnehmen.
Durch die Kreispolizeibehörde Dortmund wurden sowohl strafverfolgende als auch gefahrenabwehrende Maßnahmen, insbesondere die Durchführung von Gefährderansprachen bei den Tatverdächtigen sowie die Weitergabe von Verhaltenshinweisen an die Geschädigte und die Erziehungsberechtigten, getroffen.
Ferner wurde durch die Kreispolizeibehörde Dortmund Kontakt mit der betroffenen Schule aufgenommen.