Einrichtung einer landesweiten Zentralstelle zur Altersbestimmung vermeintlich unbe-gleitet minderjähriger Ausländer (UMA)

Antrag
vom 16.01.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Einrichtung einer landesweiten Zentralstelle zur Altersbestimmung vermeintlich unbe­gleitet minderjähriger Ausländer (UMA)

I. Ausgangslage

Obwohl sich zwei von drei unbegleitet minderjährigen Ausländern (UMA) im Altersbereich von 16 bis 17 Jahren befinden und sich zugleich in der Regel nicht ausweisen können, verweigert sich die Landesregierung konsequent Daten zur Form der Altersfeststellung bereitzustellen bzw. das Verfahren zur Altersfeststellung anzupassen.

Letztmalig lieferte die vorherige Landesregierung im Jahr 2020 im Rahmen einer Großen An­frage entsprechende Angaben. Danach stützte sich die Altersfeststellung im Jahr 2019 ledig­lich zu 6 % auf vorhandene Ausweispapiere und zu 5 % auf eine medizinische Untersuchung. Bei 89 % fand lediglich eine qualifizierte Inaugenscheinnahme statt.1

Wie wichtig eine medizinische Altersfeststellung in Zweifelsfällen wäre, zeigt eine erst kürzlich vorgenommene Stichprobe in Baden-Württemberg. Dabei stellten sich im Nachhinein 42 von 87 angeblich Minderjährigen als volljährig heraus. Rechtsmediziner der Universitätsklinik Münster haben im Jahr 2019 knapp 600 Altersgutachten aus den Jahren 2007 bis 2018 aus­gewertet. Demnach waren etwa 40 Prozent der Flüchtlinge, die sich bei ihrer Einreise als Min­derjährige ausgegeben haben und die in Münster untersucht wurden, 18 Jahre oder älter.2 Bereits im Jahre 2018 berichtete der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in einem Positi­onspapier über eine großangelegte Überprüfung im Saarland mit ähnlichen Ergebnissen: „In der Aufnahmestelle wurden im vergangenen Jahr 727 minderjährige Flüchtlinge ohne Aus­weise aufgenommen. (…) Bei 528 der 727 Flüchtlinge zweifelten die Mitarbeiter des „Schaum-berger Hofs“ die Minderjährigkeit an. Nach der Röntgenaufnahme sind „254 der 528 Personen als volljährig eingestuft worden also rund 35 Prozent waren älter, als sie angaben“, teilte das Ministerium mit. Die Untersuchung sei freiwillig. Aber bis jetzt habe kein Flüchtling die Rönt­genuntersuchung abgelehnt, sagt das Ministerium weiter.“3

Der BDK merkte seinerzeit zu Recht an, dass das Lebensalter einer Person im deutschen Rechtssystem von zentraler Bedeutung sei:

„So wird anhand des Alters nicht nur festgelegt, ob eine Person unter [den] besonderen Schutz der Jugendhilfe oder der Jugendgerichtsbarkeit fällt, sondern u.a. auch, ob sie schuldunfähig oder strafmündig ist.

Daher ist es nur schwer verständlich, dass die Feststellung des Lebensalters oftmals durch Mitarbeiter der Jugendämter ohne ärztliche Begutachtung anhand subjektiver Merkmale ge­schätzt wird.“4

Unterlassene medizinische Altersfeststellungen haben zudem erhebliche Auswirkungen auf einen erleichterten Familiennachzug5, wodurch die eh schon unverhältnismäßig hohen Kosten in Höhe von 5.000 bis 8.000 Euro je Person und Monat noch weiter steigen können.

Wie aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias hervorgeht, bewegt sich die Anzahl der Inobhutnahmen auf einem unvermindert hohen Niveau. Waren es 2021 noch 1.495 Personen, steigerte sich die Zahl 2022 auf 5.005 Personen. 2023 wurden mit Stand 12. Dezember 2023 weitere 4.742 Zugänge verzeichnet. Zu 62 Prozent handelt es sich dabei um Syrer und Afghanen.

Diese Zugangszahlen spiegeln sich dann in der Höhe der Erstattungen an die jeweiligen Ju­gendämter wider. Spitzenreiter waren im Jahr 2023 Aachen mit 5,1 Mio. Euro, Bonn mit 8,2 Mio. Euro, Köln mit 16 Mio. Euro, Leverkusen mit 4,8 Mio. Euro und Münster mit 4,1 Mio. Euro.

Trotz dieser enormen Kosten und eindeutiger Hinweise auf fehlerhafte Altersangaben gibt es von Seiten der Landesregierung offensichtlich keinerlei Interesse an einer konsequenten me­dizinischen Altersfeststellung bei unbegleitet minderjährigen Ausländern (UMA).

Die sorglose Handhabung der vorliegenden Problematik durch die Landesregierung erscheint aus diversen Gründen den Bürgern in diesem Land nicht länger vermittelbar.

II. Der Landtag stellt fest,

  1. dass der leichtgläubige Umgang mit potenziell falschen Altersangaben von vorgeblich minderjährigen Personen zu vermeidbaren finanziellen Belastungen des Steuerzahlers führt;
  2. dass die Jugendämter offensichtlich mit dem bisherigen Verfahren zur Altersfeststellung überfordert sind,
  3. dass ungeprüft übernommene falsche Altersangaben zu einem besseren Schutzstatus von eigentlich doch volljährigen Personen führen,
  4. dass sich auf diesem Weg ein erleichterter Familiennachzug erschlichen werden kann und
  5. dass die bisherige Form der Altersfeststellung6 offensichtlich ungeeignet ist und der Problematik falscher Altersangaben nicht gerecht wird.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. eine Zentralstelle zur Altersbestimmung unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) einzurichten;
  2. die notwendigen Mittel zur Errichtung sowie zum Betrieb dieser Zentralstelle zur Verfü­gung zu stellen;
  3. die notwendigen Mittel für Juristen, Gutachter, Dolmetscher, Psychologen, Sozialpäda­gogen, Forensiker und (Zahn-)Mediziner zur Verfügung zu stellen;
  4. zukünftig landesweit alle Altersfeststellungen von UMA in dieser Zentralstelle vorzuneh­men, verbunden mit einer medizinische Altersfeststellung in allen Zweifelsfällen;
  5. zukünftig erst nach der Altersfeststellung in der Zentralstelle abschließend zu entschei­den, ob eine Inobhutnahme erfolgt und nach Jugendhilferecht verfahren wird oder ob nach dem normalen ausländerrechtlichen Verfahren (für Volljährige) zu verfahren ist;
  6. zu prüfen, inwiefern eine medizinische Altersfeststellung auch im Nachhinein – also bei „Altfällen“ – noch vorgenommen werden kann, wenn begründete Zweifel an der Minder­jährigkeit bestehen;
  7. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass eine verweigerte medizinische Alters­feststellung zukünftig als grobe Verletzung der sozialgesetzlichen Mitwirkungspflicht an­gesehen wird und
  8. dass diese grobe Verletzung der Mitwirkungspflicht in der Folge grundsätzlich dazu füh­ren muss, dass die betreffende Person als volljährig eingestuft wird und somit keinesfalls gemäß Jugendhilferecht verfahren wird.

Enxhi Seli-Zacharias
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

MMD18-7754

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/10695; Antwort auf Frage 21

2 Vgl. https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-studie-zu-falschen-altersangaben-bei-fluechtlin-gen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190916-99-901242

3 Vgl. https://www.bdk.de/der-bdk/wer-wir-sind/positionen/bdk-positionspapier-zur-alterspruefung-bei-minderjaehrigen-fluechtlingen.pdf

4 Ebd.

5 Vgl. Lt.-Drucksache 18/869

6 Vgl. https://www.mkjfgfi.nrw/sites/default/files/documents/handreichung_2017.pdf