Antrag
der Fraktion der AfD
Einsetzung einer Enquetekommission „Corona – Aufarbeitung des Pandemiegesche-hens im Hinblick auf das Krisenmanagement der Landesregierung und die daraus resultierenden gesamtgesellschaftlichen Folgen in Nordrhein-Westfalen“
I. Ausgangslage
Die Covid-19-Pandemie führte weltweit zu weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Auch in Nordrhein-Westfalen bemühte sich die Landesregierung, durch eine Vielzahl von hoheitlichen Maßnahmen die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Covid-19-Krise bescherte dem öffentlichen Recht große Beachtung. Nie zuvor gab es so tiefgreifende und kollektiv geltende Grundrechtsbeschränkungen. Im Rahmen der Pandemie erlebten wir einen Umbruch grundlegender materiell-rechtlicher Maßstäbe.1
Offiziellen Meldungen zufolge hat das Coronavirus Deutschland am 27. Januar 2020 erreicht. Ein Mann aus dem Landkreis Starnberg in Bayern hatte sich infiziert. Am 26. Februar 2020 wurden dann auch die ersten Fälle in Nordrhein-Westfalen bestätigt.2 Ein durch das Robert Koch-Institut (RKI) und das Gesundheitsministerium unterstützter Krisenstab wurde eingerichtet. Am 4. März 2020 traf sich der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zunächst mit den Spitzen des Gesundheitswesens, danach mit den Gesundheitsministern der Länder. Ziel der Gespräche war es, den gemeinsamen Einsatz gegen die Ausbreitung des Coronavirus abzustimmen, die ab diesem Zeitpunkt fortwährend stattfanden, um bundesweit zumindest ähnliche Maßnahmen und damit Regelungen für die Bevölkerung umsetzen zu können. Die gemeinsamen Bemühungen zur Eindämmung des Coronavirus und der neue Pande-mieplan des RKI waren Themen beim Treffen mit den Gesundheitsministern der Länder. Im Anschluss erließ das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW eine Reihe von Rechtsakten, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen und eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, hilfsweise dieses einzudämmen. Dieses Vorgehen und die damit einhergehenden Verunsicherungen in der Bevölkerung verdeutlichten, wie unvorbereitet ein ganzes Land auf den Ausbruch dieser Pandemie war. Es gilt herauszufinden, ob das Krisenmanagement der Landesregierung verhältnismäßig und durchdacht war.
II. Fragestellung und Zielsetzung
Vor dem Hintergrund der noch immer nachwirkenden Folgen der Corona-Pandemie in der Bevölkerung und der damit einhergehenden negativen Folgen soll sich die Enquete-Kommission mit folgenden Fragenkomplexen befassen.
Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens
− Arbeits- und Sozialpolitik
Die Corona-Pandemie hat nach Aussagen der Bundesanstalt für Arbeit 638.000 Menschen in die Arbeitslosigkeit geschickt und im Mai 2021 rund 6 Millionen Menschen in die Kurzarbeit geführt.3 Diese Entwicklung ist nicht ohne Auswirkungen auf die finanzielle Situation vieler Menschen geblieben. Inwieweit konnten die Maßnahmen und Hilfspakete des Landes Nordrhein-Westfalen diese negativen Auswirkungen eingrenzen? Inwieweit haben die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens, insbesondere die „Lockdowns“, den Arbeitsmarkt und die sozialen Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen nachhaltig beeinträchtigt?
− Gesundheitspolitik
Die Folgen einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind heute erst in Teilen erforscht. Hier muss insbesondere in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren des Gesundheitswesens und mit entsprechenden Experten auf dem Gebiet der allgemeine Gesundheitszustand in den Fokus gerückt werden. Was genau ist „Long Covid“? Wie wird dies festgestellt und in welchem Umfang sind die individuellen Gesundheitsaspekte betroffen?
Neben den direkten Folgen einer Infektion mit dem Virus gilt es auch die Folgen der Maßnahmen zu seiner Eindämmung zu untersuchen. Welche Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Bevölkerung hatten die politischen Maßnahmen, insbesondere die der sozialen Isolation? Inwieweit haben sich die „Lockdowns“ und daraus resultierende Verhaltensempfehlungen, insbesondere die der Isolation, auf bereits bestehende Krankheitsbilder ausgewirkt? Wie hat sich der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung im Zuge der Pandemie entwickelt?
Inwieweit haben Test- und Kontaktnachverfolgungsstrategie zur Eindämmung der Infektionszahlen beigetragen?
Des Weiteren muss die Impfkampagne retrospektiv evaluiert werden. Nebenwirkungen der Impfung, sogenannte „Impfschäden“, sollen in die Betrachtungsweise mit eingebunden werden. Welche Gesundheitsschäden sind entstanden?
− Kinder- und Familienpolitik
Wie haben sich die Maßnahmen nachhaltig auf Familien und Kinder ausgewirkt? Von ihren Großeltern und der restlichen Nicht-Kern-Familie waren letztere auf Grund der Kontaktsperre isoliert; Familien- und Kirchenfeste fanden nicht statt. Kinder- und Jugendeinrichtungen blieben geschlossen. Abgesehen von ihren Eltern und etwaigen Geschwisterkindern hatten sie keine weiteren Kontakte. Spielplätze, Freizeitparks und Bolzplätze waren ebenfalls geschlossen, sodass viele Möglichkeiten zum Spielen, Toben und Sporttreiben ausfielen. Welche Auswirkungen hat die soziale Isolation im Zuge der Corona-Politik in diesem Zusammenhang? Hier ist eine Zusammenarbeit mit den Sozialverbänden unerlässlich, um Kindern, insbesondere jenen aus sozial schwachen Familien, einen Weg in die Gesellschaft zu ermöglichen.
− Schul- und Bildungspolitik
Bildung ist ein wichtiger Indikator für soziale Integration. So ermöglichen erst ein Schulabschluss und eine erfolgreiche Berufsausbildung eine Integration in den Arbeitsmarkt. Diese gilt wiederum als essentieller Faktor einer gesellschaftlichen Eingliederung und begründet ein soziales Umfeld. Die Auswirkungen des eingeschränkten Präsenzunterrichts werden durch die Folgen der Pandemie auch im außerschulischen Lernumfeld von Kindern sowie in ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit verstärkt. Lockdowns haben die Bewegungsfreiheit von Kindern und ihre Fähigkeit, zu spielen, andere Kinder zu treffen und sich an außerschulischen Aktivitäten zu beteiligen, eingeschränkt. Es ist zu untersuchen, inwieweit sich diese negativen Folgen für Kinder aus schwachen sozioökonomischen Familienverhältnissen darstellen und ob bereits bestehende Bildungsungleichheiten verschärft werden. Die Anzahl der Personen ohne Schul- und/oder Berufsabschluss muss reduziert, Maßnahmen insbesondere in der Lernförderung und für soziale Projekte müssen etabliert, das bestehende Angebot ausgeweitet werden.
Zielsetzung
Vor dem Hintergrund der zu prüfenden Themenkomplexe der Enquete-Kommission und einer entsprechenden Berichterstattung soll ein Abschlussbericht neben einer allgemeinpolitischen Einordnung eine Prüfung vornehmen und sich insbesondere mit der Fragestellung auseinandersetzen, wie sich das Land Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf das Pandemiegeschehen verhalten hat.
Einen weiteren Prüfungsgegenstand soll der Bereich der staatlichen Kommunikation, sowohl intern als auch extern, darstellen. War die für die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung notwendige Transparenz gegeben? Auf welcher Grundlage fand die Einbindung von Wissenschaft und Fachgesellschaften statt? Welche Kriterien wurden der Abwägung der unterschiedlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Grundlagen zugrunde gelegt? Vor diesem Hintergrund ist eine Evaluierung nebst Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf die politischen, ökonomischen sowie ethischen Dimensionen vorzunehmen, um für zukünftige Krisenoder Katastrophensituationen Handlungsempfehlungen bieten zu können.
III. Beschlussfassung
Der Landtag setzt eine Enquetekommission nach § 61 der Geschäftsordnung des Landtags ein, in der die Fraktionen nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 der Geschäftsordnung vertreten sind.
Der Kommission werden für die Dauer ihrer Tätigkeit sowie für ihre angemessenen Vor- und Nacharbeiten je eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 und der Laufbahngruppe 2.1 sowie eine weitere personelle Unterstützung aus dem Assistenzbereich zur Verfügung gestellt. Den Fraktionen werden die Kosten für eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2.2 und die Kosten in halber Höhe für eine personelle Unterstützung aus dem Assistenzbereich erstattet und entsprechend technische Ausstattung und Büroräume zur Verfügung gestellt. Wahlweise ist eine Abrechnung des tatsächlich entstehenden Personalaufwands oder die Gewährung eines Pauschbetrags je angefangenem Monat der Tätigkeit der Kommission möglich.
Die Enquetekommission kann Expertinnen und Experten anhören, Forschungsaufträge erteilen und Studienfahrten bzw. Ortsbesichtigungen oder Projektforschungen durchführen. Die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen sind im Haushalt zu schaffen.
Der Abschlussbericht ist als Landtagsdrucksache sowie als Broschüre zu veröffentlichen. Zusätzlich werden Expertenbeiträge und andere Materialien sowie in Auftrag gegebene Gutachten in einem gesonderten Sammelband dokumentiert und publiziert. Die hierzu insgesamt notwendigen Mittel sind der Kommission zu gewähren.
Dr. Martin Vincentz
Carlo Clemens
Andreas Keith
und Fraktion
1 Vgl. Volkmann, VerfBlog v. 20.03.2020, https://verfassungsblog.de/der-ausnahmezustand; abgerufen am 15.03.2023
2 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/chronik-coronavirus.html abgerufen am 15.03.2023
3 Vgl. Pandemie schickt 638.000 Menschen in die Arbeitslosigkeit, Mitteilung BA zum Arbeitsmarkt im Juni vom 01.07.2020