Einstellung des Expertenkreises „politischer“ Islamismus – Rückfragen zum Bericht der Landesregierung

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 665
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias 28.10.2022

Einstellung des Expertenkreises „politischer“ Islamismus – Rückfragen zum Bericht der Landesregierung

Das Bundesinnenministerium (BMI) hat den „Expertenkreis politischer Islamismus“ aufgelöst. Mitglieder des Gremiums wurden von Vertretern der Abteilung „Öffentliche Sicherheit“ informiert, dass an einer Fortführung der gemeinsamen Arbeit kein Interesse bestehe. Angeblich soll es seit Tag eins seines Bestehens immer wieder Beschwerden „hauptberuflicher Rassismusopfer“ gegeben haben, die dem Gremium das Schüren von Islamfeindlichkeit vorwarfen.

Gemäß Eigendarstellung hatte der Expertenkreis folgende Aufgabe: „Der Expertenkreis politischer Islamismus des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) analysiert aktuelle und sich wandelnde Erscheinungen des politischen Islamismus aus wissenschaftlicher Perspektive und wird Handlungsempfehlungen entwickeln. Diese sollen sicherheitsbehördliche Maßnahmen um gesellschaftspolitische und wissenschaftliche Ansätze ergänzen.“ Zudem sollte nach Lücken in der wissenschaftlichen Bearbeitung gesucht werden.1

Wie aus einem Artikel der Jüdischen Rundschau hervorgeht, definierte der Expertenkreis zunächst den Begriff „politischer“ Islamismus. Herausgekommen sei dabei, dass „politischer“ Islamismus alle Bestrebungen umfasse, „die sich unter Berufung auf den Islam gegen den demokratischen Verfassungsstaat, seine Institutionen und/oder gegen demokratische Grundrechte und universale Menschenrechte richten“. Auch gewaltfreie Bestrebungen, wie der legalistische Islam, seien kritisch zu bewerten. Problematisch sei „die Verabsolutierung des eigenen Islamverständnisses mit dem Ziel, dieses in der Staatsverfassung und in den Landesgesetzen zu implementieren“.

Bedrohlich sei der „politische“ Islamismus in streng islamischen Gesellschaften und hier insbesondere für Andersgläubige, Atheisten, Homosexuelle, Juden, Frauen und andere Gruppen.2

Wie aus einem Bericht der Landesregierung hervorgeht, rechnet man damit, dass die Auflösung des Expertenkreises auf Bundesebene keine Auswirkungen auf die Arbeit in NRW habe. So heißt es: „Der im Mai 2022 gegründete wissenschaftliche Beirat berät die IMAG in strategischen Fragestellungen. Dieser ist interdisziplinär besetzt. Ihm gehören auch Experten des aufgelösten Expertenkreises politischer Islamismus des Bundesinnenministeriums an.3

Im Bericht der Landesregierung wird das Core-Netzwerk erwähnt. Der Fokus des Netzwerks liegt auf der Erforschung des gewaltbereiten Salafismus sowie auf anderen Formen des Extremismus, beispielsweise auch dem Rechtsextremismus.

Ebenso thematisierte die Landesregierung die Gefahren des legalistischen Islamismus. Dieser verfolge Zielsetzungen, „die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, weil sie etwa das Rechtsstaatlichkeitsprinzip ablehnen, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen oder dem Demokratieverständnis widersprechen“.

Vereinzelt ist bei Personen mit Bezügen zum legalistischen Islamismus bekannt geworden, dass sie in einer politischen Partei oder einer parteinahen Stiftung engagiert sind. Bisher ist aber nicht erkennbar, dass legalistische Islamisten die Arbeit politischer Parteien oder parteinaher Stiftungen prägen konnten.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. In welchem Umfang wird die Arbeit des Expertenkreises mit Mitteln aus dem Landeshaushalt gefördert? (Bitte den Haushaltstitel benennen und nach Personal- und Sachkosten differenziert die Art der Finanzierung darstellen)
  2. Welche Wissenschaftler bzw. Organisationen gehören dem im Bericht der Landesregierung erwähnten wissenschaftlichen Beirat an? (Sollte eine namentliche Nennung nicht möglich sein, bitten wir Angaben zur Anzahl der beteiligten Wissenschaftler bzw. Organisationen)
  3. Welche Aufgaben wurden dem wissenschaftlichen Beirat von Seiten der Landesregierung zugewiesen? (Bitte Geschäftsordnung, Aufgabenplan, Satzung oder ähnliche Dokumente beifügen, aus denen der definierte Aufgabenbereich hervorgeht)
  4. Wie aus dem Verfassungsschutzbericht NRW hervorgeht, ist der Salafismus nur ein Bestandteil islamistischer Bestrebungen. Welche dem Core-Netzwerk ähnliche Organisationen widmen sich den anderen islamistischen Ausprägungen?
  5. Bei welchen politischen Parteien bzw. parteinahen Stiftungen gibt es – nach Informationen des Landesamts für Verfassungsschutz – Personen mit Bezügen zum legalistischen Islamismus bzw. eine anderweitige Zusammenarbeit mit islamistischen Gruppierungen, wie z.B. die Verbindung zwischen den Jusos und der Fatah-Jugend4 oder der Heinrich-Böll-Stiftung und Addameer5?

Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. h t t p s : / / j ue d i sc h e r u n d s c h au .d e /a r t i c le . 2022-10.innenministerin-nancy-faeser-aus-fuer-expertenkreis-politischer-islamismus.html

2 Ebd.

3 Vgl. Lt.-Vorlage 18/182

4 Vgl. h t t p s : // w w w .w el t . de / p o l it i k /d eutschland/article221380608/Jusos-erklaeren-extremistische-Fatah-Jugend-zur-Schwesterorganisation.html

5 Vgl. h t t p s :/ /w w w . m e na – w a tc h . co m / gruenes-geld-fuer-terror-und-antisemitismus/


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 665 mit Schreiben vom 29. November 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister des Innern und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.

  1. In welchem Umfang wird die Arbeit des Expertenkreises mit Mitteln aus dem Lan­deshaushalt gefördert? (Bitte den Haushaltstitel benennen und nach Personal-und Sachkosten differenziert die Art der Finanzierung darstellen)

Der wissenschaftliche Beirat berät die Landesregierung bei ihrer Arbeit in der IMAG Salafismusprävention ehrenamtlich und erhält derzeit keine Zuwendung.

  1. Welche Wissenschaftler bzw. Organisationen gehören dem im Bericht der Landes­regierung erwähnten wissenschaftlichen Beirat an? (Sollte eine namentliche Nen­nung nicht möglich sein, bitten wir Angaben zur Anzahl der beteiligten Wissen­schaftler bzw. Organisationen)
  • Dr. Conrad Schetter (Sprecher/Vorsitzender)
  • Dr. med. Marc Allroggen
  • Dr. Aladin El-Mafaalani
  • Lena Lehmann
  • Dr. Mouhanad Khorchide
  • Michael Kiefer
  • Meltem Kulaçatan
  • Dr. Kurt Möller
  • Dr. Armina Omerika
  • Dr. Hacı-Halil Uslucan
  1. Welche Aufgaben wurden dem wissenschaftlichen Beirat von Seiten der Landes­regierung zugewiesen? (Bitte Geschäftsordnung, Aufgabenplan, Satzung oder ähnliche Dokumente beifügen, aus denen der definierte Aufgabenbereich hervor­geht)

Zur Beantwortung dieser Frage verweise ich auf die Arbeitsgrundsätze des wissenschaftlichen Beirats in der Anlage.

  1. Wie aus dem Verfassungsschutzbericht NRW hervorgeht, ist der Salafismus nur ein Bestandteil islamistischer Bestrebungen. Welche dem Core-Netzwerk ähnliche Organisationen widmen sich den anderen islamistischen Ausprägungen?

Das Netzwerk CoRE NRW erforscht alle Strömungen innerhalb des Islamismus. Der Landes­regierung ist kein weiteres Wissenschaftsnetzwerk bekannt, das sich mit dem Phänomenbe-reich Islamismus befasst.

  1. Bei welchen politischen Parteien bzw. parteinahen Stiftungen gibt es – nach Infor­mationen des Landesamts für Verfassungsschutz – Personen mit Bezügen zum legalistischen Islamismus bzw. eine anderweitige Zusammenarbeit mit islamisti­schen Gruppierungen, wie z.B. die Verbindung zwischen den Jusos und der Fatah-Jugend oder der Heinrich-Böll-Stiftung und Addameer?

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beobachtet legalistische islamistische Bestre­bungen unter anderem im Hinblick auf ihr Potential zur Einflussnahme auf politische Parteien. Bei der Beobachtung von legalistischen islamistischen Bestrebungen in Nordrhein-Westfalen ist keine Zusammenarbeit von politischen Parteien mit islamistischen Organisationen oder ein prägender Einfluss auf Parteien durch Personen mit Bezügen zu islamistischen Organisatio­nen bekannt geworden. Die hier angesprochenen Parteien und parteinahen Stiftungen sind – mangels eigener Entfaltung extremistischer Verhaltensweisen – regelmäßig keine Beobach­tungsobjekte des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, so dass über sie und über die in ihnen engagierten Personen auch nicht berichtet werden darf. Soweit der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz einzelne Akteure beobachtet, die auf Parteien oder Stiftungen Einfluss zu nehmen versuchen, sind Veröffentlichungen dazu erst zulässig, wenn erstens die Voraussetzungen für eine Unterrichtung über die Beobachtung der jeweiligen extremistischen Akteure vorliegen, zweitens die namentliche Erwähnung der von ihnen unterstützten Bünd­nisse für das Verständnis oder die Darstellung ihrer Handlungsweise erforderlich ist und drit­tens schutzwürdige Belange der Betroffenen nicht entgegenstehen. Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.

 

Antwort samt Anlage als PDF