Entlastung der Vermieter von den anfallenden – nicht durch Vorauszahlungen gedeckten – Betriebskosten zur Bewahrung ihrer Investitionsfähigkeit

Antrag

Antrag
der Fraktion der AfD

Entlastung der Vermieter von den anfallenden nicht durch Vorauszahlungen gedeck­ten Betriebskosten zur Bewahrung ihrer Investitionsfähigkeit

I. Ausgangslage

Nach § 556 Abs. 2 S. 2 BGB dürfen Vorauszahlungen für Betriebskosten „nur in angemesse­ner Höhe“ vereinbart werden. Maßstab der Angemessenheit sind die für den kommenden Ab­rechnungszeitraum zu erwartenden Betriebskosten, wobei aber die Kosten aus der letzten vorgelegten Heizkostenabrechnung die Obergrenze bilden: Angenommen, mit der Heizkos-tenabrechnung für 2021 muss ein Mieter 600 € nachzahlen. Für das neue Jahr würde das eine Erhöhung des monatlichen Abschlags um 50 € bedeuten. Würde er z.B. bereits 80 € zahlen, dann beträgt die neue Vorauszahlung 130 €. Mehr kann der Vermieter nicht verlangen. Mit der Anpassung der Vorauszahlungen nach einer Abrechnung soll erreicht werden, dass die vom Mieter zu leistenden Abschläge den tatsächlichen Kosten möglichst nahekommen, sodass we­der der Vermieter die Nebenkosten vorfinanzieren muss, noch der Mieter dem Vermieter durch überhöhte Vorauszahlungen ein zinsloses Darlehen gewährt.

Nach den Daten des Vergleichsportals Verivox kostet eine Kilowattstunde Gas derzeit für Neu­kunden im Mittel 28,3 Cent (Datenstand: 07.10.2022). Vor einem Jahr um diese Zeit lag der Preis für Neukunden nur bei 6,8 Cent pro Kilowattstunde. Der starke Preisanstieg beim Gas um 316 Prozent setzte Mitte Oktober vergangenen Jahres ein, aber Mitte Dezember lag der Preis noch bei 11,3 Cent. Für die meisten dem VdW Rheinland Westfalen angehörigen Unter­nehmen lag der Gaspreis im Jahr 2021 zwischen 4 und 7 Cent pro kWh. Für 2023 erwarten sie im Durchschnitt einen Preis von 16 Cent.1

Der Heizölpreis hat eine nicht ganz so dynamische Entwicklung durchlaufen. 100 Liter Heizöl kosten derzeit knapp 170 Euro (Datenstand: 07.10.2022). Vor einem Jahr um diese Zeit lag der Preis nur bei 72,40 Euro pro 100 Liter. Der Preisanstieg beim Heizöl um 135 Prozent setzte im Oktober vergangenen Jahres ein, aber im Dezember lag der Preis noch bei 81,56 Euro.2

Zahlreiche Eigentümer haben in den letzten Monaten bereits Post von ihrem Energieversorger mit einer kurzfristigen Ankündigung zur Preisanpassung inklusive Anpassung der Vorauszah­lungen erhalten. Die Vorauszahlungen werden dabei verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht, um hohe Nachzahlungen bei der Abrechnung zu vermeiden. Vermieter treten in Vorkasse, wenn Abschlagszahlungen erhöht oder Heizöllieferungen teurer werden. Bei der Umlage der Betriebskosten auf die Mieter ist absehbar, dass die aktuellen Vorauszahlungen bei weitem nicht kostendeckend sein werden. Mieter haben hohe Nachforderungen zu erwarten. Daher beabsichtigen viele Vermieter bereits jetzt, die Betriebskostenvorauszahlungen zu erhöhen, um hohe Nachzahlungen zu vermeiden und der Gefahr von späteren Zahlungsausfällen vor­zubeugen.

Eine entsprechende Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen der Mieter ist jedoch zu­nächst nur einvernehmlich möglich. Eine einseitige Anpassung der Vorauszahlungen durch den Vermieter ist nach § 560 Abs. 4 BGB erst nach einer weiteren Abrechnung für die Zukunft zulässig. Voraussetzung für eine Erhöhung ist, dass die geleisteten Vorauszahlungen infolge stark gestiegener Preise nicht mehr den tatsächlich anfallenden Betriebskosten entsprechen und die vorausgegangene Betriebskostenabrechnung dies dokumentiert.

Die gerade angepassten Vorauszahlungen basieren jedoch auf dem Abrechnungsjahr 2021 und sind daher viel zu niedrig – mit der Folge, dass die Vermieter die gestiegenen Brennstoff­kosten zunächst weitgehend allein aufbringen müssen. Auf die Mieter kommen dann im Laufe des Jahres 2023 hohe Einmalzahlungen aufgrund der Betriebskostenabrechnungen für 2022 zu, die eine große Differenz zwischen den gestiegenen Beschaffungskosten und den im Ver­hältnis dazu viel zu niedrigen Vorauszahlungen aufweisen werden.

Das ist für beide Seiten kein akzeptabler Zustand. Die Vermieter müssen irgendwie die liqui­den Mittel aufbringen, um die Betriebskosten, soweit sie über die erhaltenen Vorauszahlungen hinausgehen, vorzufinanzieren. Der allergrößte Teil der Mitgliedsunternehmen des VdW Rheinland Westfalen kann die Mehrkosten der Vorleistung laut einer Verbandsumfrage durch eigene liquide Mittel aufbringen. Knapp 11 Prozent der Unternehmen müssen dafür aber Kre­dite aufnehmen.3

Das geht im Zweifel zu Lasten ihrer Investitionsfähigkeit mit der Folge, dass zur Marktanspan­nung dringend benötigte Wohnungsneubauprojekte aufgeschoben werden. Laut VdW Rhein­land Westfalen fällt die Vorauszahlung bei den Mitgliedsunternehmen in NRW in diesem Jahr um bis zu 2,3 Milliarden Euro höher aus als 2021. Das entspricht ziemlich genau der Summe, die die Unternehmen 2021 in die Modernisierung und Instandhaltung ihres Bestands investiert haben. Der Verbandsdirektor des VdW Rheinland Westfalen prognostiziert deshalb einen Ein­bruch der Baufertigstellungszahlen in diesem Jahr.4 Aufgrund der Gaspreisentwicklung wird die von den Mitgliedsunternehmen vorzufinanzierende Summe im kommenden Jahr noch we­sentlich höher ausfallen.

Auch für die Mieter ist der aktuelle Zustand nicht befriedigend. Wenn sie keine Ersparnisse haben, müssen sie in dem aktuellen inflationären Umfeld laufend Geld für die kommende Be-triebskostennachzahlung zurücklegen. Im Zweifel haben sie aber keine Vorstellung davon, wie hoch ihre Nachzahlung konkret ausfallen wird. Und nicht alle Mieter sind in der Lage entspre­chende Rücklagen zu bilden.

Ein weiteres absehbares Problem wird daher die Zahlungsunfähigkeit nicht weniger Mieter nach der Vorlage der Betriebskostenabrechnungen im kommenden Jahr sein. Viele VdW-Wohnungsunternehmen rechnen aufgrund der gestiegenen Energiepreise bei der Abrechnung von Strom und Gas seitens der Mieter mit Ausfällen und Stundungen.5 Ein Kündigungsmora­torium wäre in dieser Situation ein zweischneidiges Schwert, weil davon negative Rückwirkun­gen auf die Zahlungsmoral zu erwarten sind.

Solche Vorschläge berühren nicht die Grundproblematik des sich auf die Preise auswirkenden Energiemangels. Auch von der Landesregierung wird die „Energiewende“ und damit die künst­liche Verknappung des Energieangebotes forciert. Die kommende Gaspreisbremse wird die­ses Problem nicht wesentlich entschärfen.6 Die erste Stufe sieht vor, dass der Staat einmalig die Heizkostenvorauszahlungen im Dezember übernimmt: Die Versorger sollen auf die im De­zember fällige Abschlagzahlung verzichten und erhalten das Geld anschließend erstattet. Mie­ter erhalten eine Gutschrift auf ihr Betriebskostenkonto. Das bedeutet für die Vermieter eine gewisse liquiditätsmäßige Entlastung, wobei aber zu bedenken ist, dass sie bereits seit Okto­ber 2021 in zunehmendem Maße unter dem Problem unzureichender Heizkostenvorauszah-lungen leiden. In der zweiten Stufe soll im Zeitraum 01.03.2023 bis 30.04.2024 eine Grundbe-zugsmenge an Gas (80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagzahlung im September 2022 zugrunde gelegt wurde) auf einen Preis von 12 Cent pro kWh heruntersubventioniert werden (etwa der Neukundenpreis zum Jahresende 2021). Für Verbräuche oberhalb dieses Grund­kontingents gilt der volle Marktpreis. Das wird sich ebenfalls positiv auf die Liquidität der Ver­mieter auswirken. Bei einem erwarteten durchschnittlichen Gaspreis vor Subvention von 16 Cent reduziert sich der Vorfinanzierungsbedarf mindestens um 20–25 Prozent pro kWh. Da die zweite Stufe erst ab dem 1. März 2023 greift, sind noch weitere Monate mit unzureichenden Vorauszahlungen zu überbrücken. Die Expertenkommission hat vorgeschlagen, den Vermie­tern in Härtefällen mit zinslosen Liquiditätshilfen über die Zeit helfen.

Aus der Sicht der Mieter kompensiert die Gaspreisbremse die bereits eingetretenen Belastun­gen nicht annähernd: Wenn die zweite Stufe ab 1. März 2023 greift, dann bildet die einmalige Gutschrift im Dezember die einzige Kompensation für einen Zeitraum von 17 Monaten, der zwei Winter mit hohen Gaspreisen umfasst. Wegen der in den meisten Fällen noch viel zu niedrigen Vorauszahlungen droht ihnen im nächsten Jahr ein böses Erwachen in Form von hohen Nachzahlungen für 2022, die viele Mieter absehbar finanziell überfordern werden.

Damit wäre für das laufende Abrechnungsjahr der größte Teil der eingetretenen Gaspreisstei­gerungen von den Vermietern vorzufinanzieren und am Ende von den Mietern in Form hoher und für sie schwer abzuschätzender Nachzahlungen zu tragen. Die Entlastung durch die Gas-preisbremse kommt zu spät. Davon abgesehen liegt bis jetzt kein Entwurf für eine Entlastung von den ebenfalls stark gestiegenen Heizölpreisen vor.

II. Der Landtag stellt fest:

Die von den Vermietern vorzufinanzierenden brennstoffpreisbedingten Heizkostensteigerun­gen belasten alle Vermietergruppen, darunter besonders auch kleine Wohnungsgenossen­schaften und Privatvermieter. Eine Vielzahl von Vermietern können die erforderlichen liquiden Mittel nur unter großen Schwierigkeiten aufbringen. Die unerwartete Liquiditätsbelastung wirkt sich negativ auf die Investitionsfähigkeit kommunaler und privater Wohnungsunternehmen aus, die auch unter den sonstigen Umfeldbedingungen wie den hohen Zinsen und Baupreisen leiden. Ein Aufschub von Wohnungsneubauprojekten ist jedoch angesichts der vielerorts herr­schenden Anspannung an den Wohnungsmärkten und der Entwicklung der Zuwanderungs­zahlen nicht mit den Zielen der Landeswohnungspolitik vereinbar. Weil die Gaspreisbremse zu spät kommt und nicht für eine rückwirkende Entlastung sorgt, benötigen die betroffenen Vermieter daher möglichst bald eine liquiditätsmäßige Entlastung in Form von Heizkostenvor-auszahlungen, die ihre tatsächlichen aktuellen Beschaffungspreise reflektieren.

Auch für die Mieter wäre es viel besser, wenn sie Vorauszahlungen auf Basis der aktuell von den Vermietern verauslagten Beschaffungspreise leisten könnten. Sie wären dadurch ge­zwungen, entsprechende finanzielle Vorsorge zu betreiben und das Unsicherheitsmoment über die Höhe der Nachzahlungen entfiele.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • zusammen mit den Verbänden der Wohnungswirtschaft in NRW zu prüfen, auf welchen Wegen und mit welchen landes- und bundesrechtlichen Maßnahmen eine sofortige, ein­seitige Anpassung der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten erreicht werden kann;
  • ergänzend dazu zusammen mit den Verbänden zu prüfen, wie die Mieter dazu motiviert werden können, einvernehmlichen Erhöhungen der Betriebskostenvorauszahlungen zu­zustimmen.

Carlo Clemens
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 Pressemitteilung der VdW Rheinland Westfalen zur Jahrespressekonferenz am 27. September 2022 in Düsseldorf.

2 Quelle: Statistisches Bundesamt.

3 Pressemitteilung zur Jahrespressekonferenz am 27. September 2022 in Düsseldorf.

4 Ebd.

5 Ebd.

6 Expertenkommission Gas und Wärme: Sicher durch den Winter – Zwischenbericht, Berlin, 10.10.2022.