Kleine Anfrage 1857
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner AfD
Erneute Massenschlägerei in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) Soest – 50 bis 100 Bewohner gehen aufeinander los
Wie aus einem Bericht des Soester Anzeigers hervorgeht, kam es am 6. Mai 2023 in der ZUE Soest erneut zu einer Massenschlägerei.1 Dabei sollen 50 bis 100 Personen aufeinander losgegangen sein. Eine Person wurde dabei mutmaßlich durch die Maßnahmen der Polizei verletzt. Im Focus steht dabei eine Soester Polizistin. Die polizeilichen Ermittlungen hat das Polizeipräsidium Dortmund übernommen.
In einer Pressemitteilung der Polizei Dortmund heißt es dazu:
„Am Samstag, 6. Mai, kam es nach jetzigem Ermittlungsstand in der ZUE Soest zu Streitigkeiten und wechselseitigen Körperverletzungen von einer größeren Anzahl verschiedenen Familienmitgliedern. Bei Eintreffen der alarmierten Polizeibeamten befanden sich rund 50 bis 100 zum Teil stark alkoholisierte Bewohner der ZUE im Außenbereich eines Zeltes. Die Beamten versuchten zu schlichten und die immer wieder aufeinander losgehenden Personen zu trennen. Bei dem Zurückdrängen durch eine Polizeibeamtin verlor eine alkoholisierte, sehr korpulente männliche Person serbischer Herkunft das Gleichgewicht und fiel auf den Boden. Der Mann zog sich dabei Kopfverletzungen zu. Ein Rettungswagen brachte den 58-Jährigen in ein Krankenhaus. Aktuell besteht keine Lebensgefahr.“2
Erst am 15. März 2023 gab es eine Massenschlägerei in der ZUE Soest. Auch damals sah sich die Polizei einer „aufgebrachten Menschenmenge von etwa 200 Personen“ gegenüber.3 Weitere Großeinsätze gab es im Jahr 2023 am 22. Februar4 und am 19. Januar.5
Am 5. April 2023 wandten sich schließlich der Bürgermeister der Stadt Soest und der Präsident des Städte- und Gemeindebundes – im Zusammenhang mit den offensichtlich untragbaren Zuständen in der ZUE Soest – mit einem gemeinsamen Brandbrief an die zuständige Ministerin für Flüchtlinge und Integration, Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen).6 Sie beschrieben darin „massive Probleme durch die große Zahl von Flüchtlingen in der Stadt“ und hofften „auf die Unterstützung der Ministerin bei der Lösung dieser Probleme“.
In der auf 1200 Bewohner ausgelegten ZUE Soest leben derzeit 1800 Menschen – 600 davon in Leichtbauhallen. Im nahen Möhnesee-Echtrop unterhält das Land eine weitere ZUE, wo rund 700 Männer, Frauen und Kinder untergebracht sind. Hinzu kommen noch 120 Flüchtlinge anderer Nationalitäten, die in städtischen Unterkünften leben, und rund 400 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet und in Soest untergekommen sind.
In Bezug auf die FlüAG-Erfüllungsquote ist Soest momentan mit einer Quote von 183 % Spitzenreiter in NRW. Die Stadt hat zurzeit 576 Personen in kommunalen Einrichtungen aufgenommen, obwohl die Zuweisung eigentlich bei „Null“ liegen müsste, was wiederum mit der ZUE zusammenhängt. Für die ZUE wird grundsätzlich eine quantitative Anrechnung bei der FlüAG-Zuweisung vorgenommen.7
Diese überproportionale Belastung hat erhebliche Auswirkungen auf die Stadt Soest mit ihren 50.000 Einwohnern.
„Flüchtlinge“ seien „regelmäßig in großen Gruppen im Soester Stadtbild anzutreffen“. „Durch diese große Anzahl der Flüchtlinge, die sich verstärkt im Innenstadtgebiet und rund um den Bahnhof aufhalten, verändert sich das Stadtbild zunehmend“, schreibt der Bürgermeister – und zwar alles andere als positiv. Polizei und städtisches Ordnungsamt müssten immer häufiger bei „Vorfällen mit Beteiligung von Flüchtlingen“ eingreifen, es sei eine „deutlichen Steigerung der Kriminalität in Soest“ zu verzeichnen, woran Bewohner der ZUE in Soest und Echtrop „nicht unmaßgeblich beteiligt“ seien. In der Soester ZUE seien „mittlerweile täglich Einsätze des städtischen Jugendamtes notwendig, um Familienstreitigkeiten zu schlichten, Kindeswohlgefährdungsfälle zu bearbeiten oder vorläufige Inobhutnahmen vorzunehmen bei Kindern und Jugendlichen, die nicht im Familienverbund einreisen“.8
Der Erste Polizeihauptkommissar der Kreispolizei Soest forderte im Zusammenhang mit dem starken Anstieg der Kriminalität im Stadtgebiet eine Aufstockung des Personals. Am 5. April 2023 kam es schließlich zu einem Austausch der Ministerin mit dem Bürgermeister und Vertretern der Kreispolizei.9
In dem Gespräch stellte die Ministerin die Schließung der Leichtbauhallen zum Jahresende 2023 in Aussicht. Die Voraussetzung dafür wäre, „600 Plätze im gesamten Landessystem gemeinsam mit allen Kommunen an anderer Stelle dezentraler aufzubauen.“ Die Ministerin habe angeblich klargestellt, dass die zusätzlichen Plätze nur eine vorübergehende Unterbringungsmöglichkeit seien. „Diese sind zusätzlich – aufgrund des Zuzugs aus der Ukraine – zu den 1200 ZUE-Plätzen in Soest notwendig geworden.“ Zum Zeitpunkt des Gesprächs waren in der ZUE Soest 1634 Personen untergebracht. Die ZUE im nahegelegenen Möhnesee-Echtrop sei zum damaligen Zeitpunkt mit 536 Personen belegt gewesen.
Wie der Soester Anzeiger weiter berichtete, leben in beiden Einrichtungen rund 60 Prozent alleinreisende Männer, größtenteils aus Syrien, Türkei und Afghanistan.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Welche Informationen liegen mittlerweile zur Massenschlägerei am 6. Mai in der ZUE Soest vor? (Insbesondere bitte auch die die Nationalität der beteiligten Personen benennen)
- Wie viele Asylsuchende, Schutzberechtigte, Ausreisepflichtige, Ukraine-Flüchtlinge sowie sonstige Personen mit humanitären Aufenthaltstiteln sind aktuell im Kreis Soest untergebracht? (Bitte differenziert nach Landeseinrichtungen und kommunalen Einrichtungen sowie Herkunftsland, Geschlecht und Alter listen)
- Wie viele Polizeieinsätze gab es seit 2021 im Zusammenhang mit der ZUE Soest und der ZUE Möhnesee-Echtrop? (Bitte differenziert nach Datum und jeweils einer kurzen Sachverhaltsbeschreibung listen)
- Der Bürgermeister der Stadt Soest sprach von immer häufigeren „Vorfällen mit Beteiligung von Flüchtlingen“ sowie einer „deutlichen Steigerung der Kriminalität in Soest“. Wie hat sich die Anzahl der Straftaten in Soest seit 2015 entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Straftatbestand und Anzahl der Straftaten listen)
- Wie hat sich dabei in diesem Zeitraum die Anzahl der Straftaten mit tatverdächtigen Zuwanderern10 entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Straftatbestand und Anzahl der Straftaten listen)
Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner
2 Vgl. https:// dortmund .polizei.nrw/presse/person-bei-einsatz-in-der-zue-soest-verletzt
7 Vgl. https:// www1 .wdr.de/nachrichten/fluechtlinge-verteilung-kommunen-karte-nrw-100.html
8 Ebd.
10 Gem. Definition des BKA bzw. der PKS; Vgl. https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/KriminalitaetImKonte xtVonZuwanderung/KriminalitaetImKontextVonZuwanderung_2021.pdf?__blob=publicationFile&v=6 S.8
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1857 mit Schreiben vom 29. Juni 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen dem Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung.
- Welche Informationen liegen mittlerweile zur Massenschlägerei am 6. Mai in der ZUE Soest vor? (Insbesondere bitte auch die die Nationalität der beteiligten Personen benennen)
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Arnsberg hat dem Ministerium der Justiz unter dem 14.06.2023 im Wesentlichen berichtet, dass es am Tattag zu einer Auseinandersetzung zwischen Angehörigen einer aus Serbien stammenden Familie gekommen sei, der nach den bisherigen Ermittlungen eine Feier mit erheblichem Alkoholkonsum vorangegangen sei. Bei Eintreffen der Polizei hätten sich etwa 50 Personen auf einer Freifläche befunden, wobei Personen aus der teils aggressiv auftretenden Gruppe wiederholt polizeilichen Aufforderungen, sich zurück in den Wohnbereich zu begeben, nicht nachgekommen seien. In diesem Zusammenhang seien Ermittlungen u. a. wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gegen derzeit sechs Beschuldigte mit serbischer Staatsangehörigkeit im Alter von 18 bis 58 Jahren eingeleitet worden, die noch andauerten.
Im Rahmen des vorbezeichneten Geschehens sei es auch zu einem Aufeinandertreffen einer Polizeibeamtin mit einem 58-jährigen Beschuldigten gekommen, der dabei unvermittelt zu Boden gegangen sei, eine Platzwunde erlitten habe und aufgrund von Vorerkrankungen nicht mehr ansprechbar gewesen sei. Der in ein Krankenhaus verbrachte Beschuldigte habe dieses zwischenzeitlich wieder verlassen können. Das in diesem Zusammenhang gegen die Beamtin eingeleitete Verfahren wegen Körperverletzung im Amt sei Ende Mai gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt worden.
- Wie viele Asylsuchende, Schutzberechtigte, Ausreisepflichtige, Ukraine-Flüchtlinge sowie sonstige Personen mit humanitären Aufenthaltstiteln sind aktuell im Kreis Soest untergebracht? (Bitte differenziert nach Landeseinrichtungen und kommunalen Einrichtungen sowie Herkunftsland, Geschlecht und Alter listen)
Das Land verfügt über drei Zentrale Unterbringungseinrichtungen (ZUE) im Kreis Soest. Mit Stand 31.05.2023 sind hier folgende schutzsuchende Personen untergebracht:
ZUE Soest:
1.536 Personen. Von den untergebrachten Personen sind 333 Personen minderjährig. 80 Prozent der Bewohnerschaft sind männlichen, 20 Prozent weiblichen Geschlechts.
ZUE Wickede:
512 Personen. Von den untergebrachten Personen sind 173 Personen minderjährig. 25 Prozent der Personen sind männlichen, 74 Prozent weiblichen Geschlechts, 1 Prozent divers.
ZUE Möhnesee:
567 Personen. Von den untergebrachten Personen sind 87 Personen minderjährig. 82 Prozent der Bewohner sind männlichen, 18 Prozent weiblichen Geschlechts.
In allen benannten Einrichtungen sind die drei Hauptherkunftsländer der untergebrachten Personen Syrien, Türkei und Afghanistan.
Daten zur Belegung kommunaler Einrichtungen liegen der Landesregierung nicht vor und können in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht erhoben werden.
Frage 3 Wie viele Polizeieinsätze gab es seit 2021 im Zusammenhang mit der ZUE Soest und der ZUE Möhnesee-Echtrop? (Bitte differenziert nach Datum und jeweils einer kurzen Sachverhaltsbeschreibung listen)
Die Anzahl der Einsätze kann den folgenden Tabellen entnommen werden: ZUE Soest:
Jahr | Anzahl Einsätze |
2021 | 132 |
2022 | 159 |
2023 | 148 (31.05.2023) |
ZUE Möhnesee:
Jahr | Anzahl Einsätze |
2021 | 126 |
2022 | 173 |
2023 | 69 (31.05.2023) |
- Der Bürgermeister der Stadt Soest sprach von immer häufigeren „Vorfällen mit
Beteiligung von Flüchtlingen“ sowie einer „deutlichen Steigerung der Kriminalität in Soest“. Wie hat sich die Anzahl der Straftaten in Soest seit 2015 entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Straftatbestand und Anzahl der Straftaten listen)
Der folgenden Tabelle kann die Entwicklung der Anzahl der jährlichen Straftaten in der Stadt Soest entnommen werden:
Jahr | Anzahl Fälle |
2015 | 3.989 |
2016 | 4.038 |
2017 | 3.717 |
2018 | 3.690 |
2019 | 3.648 |
2020 | 3.657 |
2021 | 3.531 |
2022 | 4.772 |
- Wie hat sich dabei in diesem Zeitraum die Anzahl der Straftaten mit tatverdächtigen Zuwanderern entwickelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Straftatbestand und Anzahl der Straftaten listen)
Als Zuwanderer im Sinne der Polizeilichen Kriminalstatistik gelten seit dem 01.01.2016 Personen, die mit dem Aufenthaltsanlass „Schutz- und Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge“, „Asylbewerber“, „Duldung“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ erfasst werden. Vor diesem Datum wurden Schutz- und Asylberechtigte unter „sonstiger erlaubter Aufenthalt“ erfasst und konnten nicht der Gruppe der Zuwanderer zugeordnet werden. Ein Vergleich mit den vor 2016 erfassten Daten ist daher nicht valide.
Der folgenden Tabelle kann die Entwicklung der Anzahl der jährlichen Straftaten unter Beteiligung von mindestens einem tatverdächtigen Zuwanderer in der Stadt Soest entnommen werden:
Jahr | Anzahl Fälle |
2016 | 346 |
2017 | 245 |
2018 | 283 |
2019 | 311 |
2020 | 313 |
2021 | 377 |
2022 | 567 |