Kleine Anfrage 2606
des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD
Ernst-Gnoß-Haus: Seniorenheim wird abgerissen – Wie und wo finden Bewohner bis Jahresende eine neue Bleibe?
Das Ernst-Gnoß-Haus in Düsseldorf kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken. 1951 war die Einrichtung zunächst als Jugendwohnheim der Arbeiterwohlfahrt (AWO) konzipiert worden.1 Ab den Siebziger Jahren wurde sie als Seniorenheim geführt.2 Ihr Namensgeber Ernst Gnoß war der erste Präsident des Landtags NRW. In Düsseldorf erinnern eine Straße und das Altenheim Ernst-Gnoß-Haus an den ersten Landtagspräsidenten.
Nun „erinnert“ der AWO-Vorstand die Heimbewohner daran, dass das „Ernst-Gnoß-Haus in Düsseldorf zum 31.12.2023 schließt“3 und abgerissen wird. Man plane, es „durch einen modernen Neubau“4 zu ersetzen. Zwar stünden weder für den Abriss noch für die Neuerrichtung Termine fest.5 Doch die AWO wolle die „Bewohner*innen und Mitarbeitenden nicht durch die Unsicherheit emotional belasten, wie lange die Einrichtung in Betrieb bleiben kann.“6
Obschon den Heimbewohnern und ihren Angehörigen also nur drei Monate bleiben, um sich um eine alternative Bleibe zu bemühen, will die AWO ihr Hauruckverfahren offenbar als Akt der Generosität verstanden wissen. Denn in ihrer Pressemitteilung heißt es (immerhin korrekt gegendert): „Mit der Schließung zum 31.12.2023 haben unsere Bewohner*innen und Mitarbeitenden Planungssicherheit […]“7.
Allein, das Gefühl der behaupteten „Planungssicherheit“ scheint bei Angehörigen der Heimbewohner nicht so recht angekommen zu sein: „Das geht alles viel zu schnell, wo soll denn meine Mutter so rasch unterkommen, Pflegeplätze sind doch in Düsseldorf Mangelware“8, moniert eine betroffene Frau in der „Rheinischen Post“.
Dass die Bekanntgabe der Schließung derart kurzfristig erfolgte, sei auf personaltechnische Erwägungen zurückzuführen. „Denn je früher wir den Zeitpunkt kommuniziert hätten, desto früher hätte sich voraussichtlich eine Reihe von Mitarbeitern anders orientiert“9, befindet der Sprecher der AWO Niederrhein.
Anlässlich der Schließung kommentierte die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion: „Bis 2025 werden in Düsseldorf 1.000 Pflegeplätze fehlen und dies ist bereits das dritte Pflegeheim, das in diesem Jahr geschlossen wird.“10
Ich frage daher die Landesregierung:
- Inwiefern wird die Landesregierung dabei helfen, dass die (Noch-)Bewohner des Seniorenheims Ernst-Gnoß-Haus zeitnah und reibungslos Betreuungsplätze in anderen Einrichtungen finden?
- Welche Unterstützungsmaßnahmen ergreift die Landesregierung, falls von der Schließung betroffene Senioren und deren Angehörigen Betreuungsangebote in anderen Einrichtungen aus finanziellen bzw. logistischen Gründen nicht wahrnehmen können?
- Wie bewertet die Landesregierung die so kurzfristig erfolgte Bekanntgabe der Schließung vor dem Hintergrund, dass pflegebedürftige Menschen mitunter empfindlich auf (abrupte) Veränderungen reagieren?
- Bis 2025 werden in Düsseldorf voraussichtlich rund 1.000 Pflegeplätze fehlen. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um dieser Entwicklung zu begegnen und die Betreuungskapazitäten entsprechend der Nachfrage zu erhalten bzw. auszubauen?
- Welche Pläne verfolgt die Landesregierung, um das Problem des Pflegemangels durch den Einsatz von Pflegerobotern bzw. die Anwendung Künstlicher Intelligenz zumindest zu lindern?
Dr. Martin Vincentz
1 Vgl. https://www.awo-nr.de/presse/detail/vorbereitung-des-abrisses-und-neubaus-ernst-gnoss-haus-schliesst-zum-31122023 (11.09.2023; Zugriff: 14.09.2023)
2 Vgl. ebenda.
3 https://www.awo-seniorendienste-nr.de/unsere-einrichtungen/ernst-gnoss-haus-duesseldorf (08.09.2023; Zugriff: 14.09.2023)
4 https://www.awo-nr.de/presse/detail/vorbereitung-des-abrisses-und-neubaus-ernst-gnoss-haus-schliesst-zum-31122023 (11.09.2023; Zugriff: 14.09.2023)
5 Vgl. ebenda.
6 Ebenda.
7 Ebenda.
8 https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-irritationen-um-ploetzliche-altenheim-schliessung-ernst-gnoss-haus_aid-97503155 (13.09.2023; Zugriff: 14.09.2023)
9 Ebenda.
10 https://www.spd-duesseldorf.de/2023/09/13/schliessung-ernst-gnoss-haus-spd-ratsfraktion-fordert-nachhaltige-loesung-fuer-die-stationaere-pflege-in-duesseldorf (13.09.2023; Zugriff: 14.09.2023)
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2606 mit Schreiben vom 13. Oktober 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
- Inwiefern wird die Landesregierung dabei helfen, dass die (Noch-)Bewohner des Seniorenheims Ernst-Gnoß-Haus zeitnah und reibungslos Betreuungsplätze in anderen Einrichtungen finden?
Zunächst ist festzustellen, dass der Träger bei einer Betriebseinstellung gesetzlich verpflichtet ist, den Bewohnerinnen und Bewohnern auf ihre Nachfrage hin eine angemessene alternative Versorgung zu zumutbaren Bedingungen nachzuweisen (vgl. § 13 WBVG). Ferner hat der Träger die Kosten des Umzugs in angemessenem Umfang zu erstatten.
Der Träger steht im engen Austausch mit der WTG-Behörde der Stadt Düsseldorf, um die anstehenden Schritte für alle Beteiligten transparent unter umfassender Beteiligung der Betroffenen gestalten zu können. Die Stadt Düsseldorf wird in Zusammenarbeit mit den in Düsseldorf tätigen Wohlfahrtsverbänden und auch den privaten Einrichtungen des BPA alles ihr Mögliche tun, um die AWO Niederrhein dabei zu unterstützen, Bewohnerinnen und Bewohnern Plätze in anderen Einrichtungen anzubieten. Stand 29. September 2023 konnten dank intensiver Bemühungen aller Beteiligter bereits für 19 von ursprünglich 55 Bewohnerinnen und Bewohnern ein Umzug in neue Einrichtungen realisiert werden.
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) lässt sich als Aufsichtsbehörde fortlaufend berichten und steht für die Stadt Düsseldorf bei Bedarf jederzeit zur Verfügung, um die Umsetzung der vor Ort erarbeitenden Maßnahmen aufsichtsrechtlich zu unterstützen. Dabei legt das MAGS Wert darauf, dass den betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern ortsnahe Lösungen in ihrem Lebensumfeld ermöglicht werden, die u.a. sicherstellen, dass soziale Kontakte erhalten bleiben. Wichtig dafür ist z.B. eine gute und schnelle Erreichbarkeit für besuchende Angehörige.
- Welche Unterstützungsmaßnahmen ergreift die Landesregierung, falls von der Schließung betroffene Senioren und deren Angehörigen Betreuungsangebote in anderen Einrichtungen aus finanziellen bzw. logistischen Gründen nicht wahrnehmen können?
Dem MAGS ist kein Fall bekannt, in dem für Bewohnerinnen und Bewohner kein angemessener Platz in einer anderen Einrichtung zur Verfügung gestellt werden konnte. Soweit für Bewohnerinnen oder Bewohner finanzielle Unterstützungsbedarfe bestehen, sind grundsätzlich immer Leistungen des Pflegewohngeldes gemäß § 14 APG NRW und der Hilfe zur Pflege nach SGB XII zu prüfen.
- Wie bewertet die Landesregierung die so kurzfristig erfolgte Bekanntgabe der Schließung vor dem Hintergrund, dass pflegebedürftige Menschen mitunter empfindlich auf (abrupte) Veränderungen reagieren?
Die Pflegeeinrichtung ist für die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Wohnung, d.h. ihr Zuhause. Deshalb steht außer Frage, dass eine Schließung und der damit verbundene Umzug gerade auch für ältere und pflegebedürftige Menschen bedauerlicher Weise eine erhebliche Belastung darstellen, die möglichst gänzlich vermieden werden sollte.
Ebenso wie die Entscheidung zu einer Schließung obliegen Zeitpunkt und die Form der Information über derartige Vorhaben aber immer dem Träger der jeweiligen Einrichtung. Soweit der Träger eine Schließung als „Ultima ratio“ betrachtet, sollte immer eine frühstmögliche und transparente Kommunikation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Angehörigen und den Mitarbeitenden der Einrichtung erfolgen.
- Bis 2025 werden in Düsseldorf voraussichtlich rund 1.000 Pflegeplätze fehlen. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um dieser Entwicklung zu begegnen und die Betreuungskapazitäten entsprechend der Nachfrage zu erhalten bzw. auszubauen?
Die Planung des örtlichen Bedarfs (Pflegebedarfsplanung) obliegt gemäß § 7 APG NRW der Stadt Düsseldorf.
Die Stadt Düsseldorf begrüßt darüber hinaus die grundsätzliche Planung des Trägers, die nun zur Schließung anstehende Einrichtung durch einen Neubau zu ersetzen. Nach derzeitigem Stand wird davon ausgegangen, dass durch den Neubau zukünftig nicht nur jetzt entfallende Pflegeplätze kompensiert, sondern auch zusätzliche Pflegeplätze geschaffen werden können. Auch in anderen Fällen setzt sich die zuständige Stadt Düsseldorf nach eigenen Angaben aktiv für einen Erhalt und insbesondere den Ausbau von stationären Pflegeplätzen ein. Hierfür werden beispielsweise stadteigene Grundstücke im Erbpachtverfahren inkl. einer pflegebezogenen Zweckbindung zur Verfügung gestellt. Auch im Bereich der privaten Grundstücke/Ge-bäude steht die Stadt Düsseldorf mit einem breiten Netzwerk beratend an der Seite aller potenzieller Träger bzw. Investoren.
- Welche Pläne verfolgt die Landesregierung, um das Problem des Pflegemangels durch den Einsatz von Pflegerobotern bzw. die Anwendung Künstlicher Intelligenz zumindest zu lindern?
Die Digitalisierung in der Pflege bietet u.a. die Chance, Pflegefachkräfte zu entlasten, mehr Zeit für menschliche Zuwendung zu schaffen, die Qualität der pflegerischen Versorgung sicherzustellen, die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern und die selbstständige Lebensführung pflegebedürftiger Menschen zu stärken. Die Etablierung der digitalen Infrastruktur wird insbesondere durch die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmt. Dieser Prozess im Gesundheitswesen und anderen Bereichen wird landesseitig durch die Digitalstrategie NRW flankiert. Um das Digitalisierungspotenzial in der Pflege auszuschöpfen, unterstützt die Pflegeversicherung u.a. Investitionen in digitale und technische Ausrüstung sowie damit verbundene Schulungsbedarfe. Ebenso werden die Kosten der IT-Anbindung erstattet.