Erschleichung von Aufenthaltstiteln und Sozialleistungen durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung in NRW

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1434

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Zacharias Schalley vom 21.02.2023

Erschleichung von Aufenthaltstiteln und Sozialleistungen durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung in NRW

Am 02.01.2023 titelte die Neue Zürcher Zeitung bezüglich der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung: „Falsche Väter kosten den deutschen Steuerzahler Millionen, doch der Sozialstaat lässt sich willig ausbeuten“.1 Der Hintergrund ist eine Form des Sozialbetrugs, die in Deutschland seit Jahren tausendfach vorkommt. Mittellose Männer, etwa Arbeitslose, erhalten eine hohe Summe in bar und erkennen dafür das Kind einer ausländischen Mutter als ihr eigenes an. Weitergehende Verpflichtungen hat der Mann nicht zu tragen, da er ja über keinerlei finanzielle Mittel verfügt. Er muss lediglich bei einer offiziellen Stelle (Jugendamt, Notar etc.) offiziell die Anerkennung des Kindes vornehmen. Im Gegenzug erhalten die Mutter sowie alle ihre Kinder durch die Anerkennung der Vaterschaft durch einen deutschen Staatsbürger Anspruch auf Sozialleistungen sowie ein Aufenthaltsrecht. Zusätzlich erhält das anerkannte Kind die deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Innenministerien der einzelnen Bundesländer verzeichnen jährlich hunderte Verdachtsfälle auf solche sogenannte Scheinvaterschaften.2 Dem Bericht der NZZ ist zu entnehmen, dass diese Betrugsfälle eine westdeutsche Stadt mit rund 300.000 Einwohnern jährlich 5 Millionen Euro kosten würden. Dabei handele es sich bei weitem um keinen Einzelfall.3 Laut Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist es auch nicht unüblich, dass ein Mann mehrere Vaterschaften annimmt. Besonders krass ist ein Fall aus Mönchengladbach: Ein Mann soll hier 14 Vaterschaften übernommen haben.4

Der Gesetzgeber hat diese missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung ausdrücklich in §1597a BGB verboten. Darin heißt es:

„Verbot der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft

(1) Die Vaterschaft darf nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, auch nicht, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Absatz 1 oder Absatz 3 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu schaffen (missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft).

(2) Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft, hat die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson dies der nach § 85a des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Behörde nach Anhörung des Anerkennenden und der Mutter mitzuteilen und die Beurkundung auszusetzen. Ein Anzeichen für das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte ist insbesondere:

  1. das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht des Anerkennenden oder der Mutter oder des Kindes,
  2. wenn der Anerkennende oder die Mutter oder das Kind einen Asylantrag gestellt hat und die Staatsangehörigkeit eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes besitzt,
  3. das Fehlen von persönlichen Beziehungen zwischen dem Anerkennenden und der Mutter oder dem Kind,
  4. der Verdacht, dass der Anerkennende bereits mehrfach die Vaterschaft von Kindern verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat und jeweils die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder der Mutter durch die Anerkennung geschaffen hat, auch wenn das Kind durch die Anerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, oder
  5. der Verdacht, dass dem Anerkennenden oder der Mutter ein Vermögensvorteil für die Anerkennung der Vaterschaft oder die Zustimmung hierzu gewährt oder versprochen worden ist.

Die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson hat die Aussetzung dem Anerkennenden, der Mutter und dem Standesamt mitzuteilen. Hat die nach § 85a des Aufenthaltsgesetzes zuständige Behörde gemäß § 85a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes das Vorliegen einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft festgestellt und ist diese Entscheidung unanfechtbar, so ist die Beurkundung abzulehnen.

(3) Solange die Beurkundung gemäß Absatz 2 Satz 1 ausgesetzt ist, kann die Anerkennung auch nicht wirksam von einer anderen beurkundenden Behörde oder Urkundsperson beurkundet werden. Das Gleiche gilt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 4 vorliegen.

(4) Für die Zustimmung der Mutter nach § 1595 Absatz 1 gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

(5) Eine Anerkennung der Vaterschaft kann nicht missbräuchlich sein, wenn der Anerkennende der leibliche Vater des anzuerkennenden Kindes ist.“

Eine Durchsetzung von § 1597a BGB scheitert in der Realität aber seit Jahrzehnten. Grund dafür ist Absatz 5. Die Tatsache der leiblichen Vaterschaft lässt sich durch die die Vaterschaft anerkennende Stelle schlicht nicht prüfen, da ein DNA-Test nicht verlangt werden kann. Lügt der anerkennende Mann also hinsichtlich dieses Umstands, sind den Stellen die Hände gebunden.5

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Bei wie vielen Kindern, deren Mütter sich in einem laufenden Asylverfahren befanden oder befinden, wurden Beurkundungen der Anerkennung einer Vaterschaft in den Jahren 2015–2022 in Nordrhein-Westfalen beantragt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Nationalität und Alter der Mutter, des Vaters und der Kinder)
  2. Bei wie vielen Kindern, deren Mütter bereits einen Aufenthaltstitel erlangt haben, wurden Beurkundungen der Anerkennung einer Vaterschaft in den Jahren 2015–2022 in Nordrhein-Westfalen beantragt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Nationalität und Alter der Mutter, des Vaters und der Kinder)
  3. In wie vielen Fällen wurde die fälschliche Anerkennung der Vaterschaft durch die zuständigen Behörden festgestellt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Angaben hinsichtlich Alter und Nationalität der Mütter und der Scheinväter)
  4. Wie viele der betroffenen Väter haben für mehrere Kinder eine Vaterschaft anerkannt? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl der anerkannten Vaterschaften pro Vater und Jahr)
  5. Wie hoch beziffert die Landesregierung den Schaden, der durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum 2015–2022 entstanden ist?

Enxhi Seli-Zacharias
Zacharias Schalley

 

Anfrage als PDF

 

1 h t t p s : / / ww w. n zz . c h / international/sozialbetrug-mit-scheinvaterschaften-kostet-den-staat-millionen-ld.1718985.

2 ht tp s : / / ww w .z d f . d e /nachrichten/politik/vaterschaft-anerkennung-reform-innenministerkonferenz-100.html.

3 h t t p s : // w w w. nz z. ch/international/sozialbetrug-mit-scheinvaterschaften-kostet-den-staat-millionen-ld.1718985.

4 h t t ps :/ /w ww . f az . net/aktuell/politik/inland/gesetzesluecke-das-geschaeft-mit-den-scheinvaterschaften-17328824.html.

5 h t t p s : / / w w w . n z z .ch/international/sozialbetrug-mit-scheinvaterschaften-kostet-den-staat-millionen-ld.1718985.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1434 mit Schreiben vom 23. März 2023 namens der Landesregierung beant­wortet.

  1. Bei wie vielen Kindern, deren Mütter sich in einem laufenden Asylverfahren befan­den oder befinden, wurden Beurkundungen der Anerkennung einer Vaterschaft in den Jahren 20152022 in Nordrhein-Westfalen beantragt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Nationalität und Alter der Mutter, des Vaters und der Kinder)
  2. Bei wie vielen Kindern, deren Mütter bereits einen Aufenthaltstitel erlangt haben, wurden Beurkundungen der Anerkennung einer Vaterschaft in den Jahren 20152022 in Nordrhein-Westfalen beantragt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Nationali­tät und Alter der Mutter, des Vaters und der Kinder)
  3. In wie vielen Fällen wurde die fälschliche Anerkennung der Vaterschaft durch die zuständigen Behörden festgestellt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Angaben hin­sichtlich Alter und Nationalität der Mütter und der Scheinväter)
  4. Wie viele der betroffenen Väter haben für mehrere Kinder eine Vaterschaft aner­kannt? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl der anerkannten Vaterschaften pro Vater und Jahr)
  5. Wie hoch beziffert die Landesregierung den Schaden, der durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum 20152022 ent­standen ist?

Die Fragen werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Eine vollständige Statistik im Sinne der Fragen 1 bis 5 liegt der Landesregierung nicht vor. Es besteht keine Pflicht zur Erhebung seitens der Ausländerbehörden, daher kann keine automa­tisierte Auswertung vorgenommen werden. Für die erbetenen Informationen müsste eine hän­dische Auswertung aller infrage kommender Ausländerakten der Ausländerbehörden in Nord­rhein-Westfalen erfolgen. Eine solche Auswertung ist jedoch in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

 

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