Fachkräftemangel im Gesundheitswesen

Kleine Anfrage
vom 16.07.2019

Kleine Anfrage 2763des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz vom 15.07.2019

 

Fachkräftemangel im Gesundheitswesen

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zieht sich durch sämtliche Pflegeberufe: Fachkräfte im Bereich der nichtärztlichen Therapie, Fachkräfte im Gesundheitswesen und Mediziner. Auch im Bereich der medizinischen Rehabilitation (Reha) zeichnen sich erste Versorgungsengpässe ab. So stieg die Zahl der ambulanten Reha-Maßnahmen in NRW von 2010 bis 2017 nach Zahlen des NRW-Gesundheitsministeriums um rund 30 Prozent – von 29.457 auf 38.361. Die Zahl der stationären und kliniknahen ambulanten Maßnahmen stieg um knapp sieben Prozent von 194.801 auf 207.833.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sagte der Zeitung „Neue Westfälische“ am 01.07.2019: „Der Fachkräftemangel macht auch vor den Einrichtungen der Rehabilitation nicht Halt. Das betrifft beispielsweise den Pflegeberuf, aber natürlich auch Ergo- und Physiotherapeuten.“ Die Patientenbeauftragte des Landes weiter: „Unabhängig von einzelnen Fachbereichen stellt ein Fachkräftemangel immer einen Nachteil für die Patienten dar. Dieser hat nicht selten zur Folge, dass dem Personal weniger Zeit für die Patienten zur Verfügung steht.“

In kaum einem anderen Berufssektor hat der Fachkräftemangel so unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der Bevölkerung, deshalb muss dem Fachkräftemangel im Gesundheitssektor mit geeigneten Maßnahmen entgegengesteuert werden.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung:

1. Welche genauen Zahlen liegen der Landesregierung vor, wie stark der Fachkräftemangel in den Gesundheits- und Pflegeberufen in Nordrhein-Westfalen tatsächlich ausgeprägt ist? (Bitte auflisten nach Landkreisen und kreisfreien Städten)

2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung eingeleitet, um den Mangel an Fachkräften in den Gesundheits- und Pflegeberufen zu verringern?

3. Wie hoch ist die Zahl der aus dem Ausland stammenden Fachkräfte in diesen Berufsgruppen? (Bitte Herkunftsland angeben)

4. In welchem Maße können Altenpflegehelfer und Krankenpflegehelfer zu Fachkräften ausgebildet werden und liegen diesbezügliche Planungen vor?

Dr. Martin Vincentz

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 09.08.2019

 

Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2763 mit Schreiben vom 9. August 2019 namens der Landesregierung beantwortet.

1. Welche genauen Zahlen liegen der Landesregierung vor, wie stark der Fachkräftemangel in den Gesundheits- und Pflegeberufen in Nordrhein-Westfalen tatsächlich ausgeprägt ist? (Bitte auflisten nach Landkreisen und kreisfreien Städten)

Das Fachkräftemonitoring des Landes Nordrhein-Westfalen wird über die Landesberichterstattung Gesundheitsfachberufe NRW (LbG NRW) abgebildet und stellt detaillierte Kennzahlen zur Ausbildungs- und Arbeitssituation sowie zur Fachkräftelage auf Landesebene und regionaler Ebene dar. Hierbei werden auch Datengrundlagen der Bundesagentur für Arbeit genutzt.

Schwerpunkte der LbG NRW 2017 waren die Mangelprognose der Pflegeberufe und die empirische Analyse der Ausbildungs- und Beschäftigungssituation der Therapieberufe (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie). Ergänzend haben im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) im Jahr 2019 sechs Regionalkonferenzen zur Fachkräftesicherung stattgefunden, um den Akteurinnen und Akteuren vor Ort regionale Analysen in Kombination mit weiteren fachlichen Informationen anzubieten und die Versorgungsplanung auf der Ebene der Kreise, kreisfreien Städte und der Regierungsbezirke zu befördern. Die Regionaldaten werden begleitend zu den vorgenannten Konferenzen in den Regionaldossiers abgebildet und erlauben eine dezidierte Betrachtung der Entwicklungen und Besonderheiten der jeweiligen Region.

In den Anlagen sind aktuelle Daten zu den Pflege- und Gesundheitsfachberufen aufgeführt, die dem MAGS vom Statistik-Service West der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt wurden. Diese Daten umfassen den Bestand an Arbeitslosen und gemeldeten Arbeitsstellen nach ausgewählten Zielberufen in NRW und ausgewählten Regionen (Stand Juli 2019 – Anlage 1-) die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort nach Zielberufen in NRW und ausgewählten Regionen (Stichtag 30. September 2018 – Anlage 2 -) und die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort nach Zielberufen und Staatsangehörigkeit in NRW (Stichtag 30. September 2018 – Anlage 3 -).

2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung eingeleitet, um den Mangel an Fachkräften in den Gesundheits- und Pflegeberufen zu verringern?

Insbesondere mit Blick auf den demografischen Wandel ist der Fachkräftemangel die zentrale Herausforderung in der Pflege. Die Landesregierung hat vielfältige Initiativen eingeleitet, um den Mangel an Fachkräften in den Gesundheits- und Pflegeberufen zu verringern.

Die Stärkung der Gesundheits- und Pflegeberufe und die Schaffung verbesserter Ausbildungsbedingungen sind hierbei die zentralen Anknüpfungspunkte, um die Ausbildungen für einen breiteren Interessentenkreis attraktiver zu gestalten und mehr angehende Fachkräfte zu gewinnen.

Durch die Einführung des Umlageverfahrens im Jahr 2012 konnte im Bundesvergleich ein herausragender Ausbau der Ausbildungs-kapazitäten in der Altenpflege erreicht werden. Seit der Einführung des Umlageverfahrens stieg in Nordrhein-Westfalen die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflege um 93 Prozent von 10.000 Auszubildenden im Dezember 2010 auf 19.300 Auszubildende im Dezember 2018.

Damit konnte ein wichtiger Schritt gegen den Fachkräftemangel gemacht werden.

In diesem Zusammenhang spielt auch die vollständige Refinanzierung der Ausbildungsvergütung über das Umlageverfahren für die ausbildenden Einrichtungen eine wichtige Rolle.

Darüber hinaus hat das MAGS die Schulkostenpauschale für die Fachseminare für Altenpflege im Jahr 2018 von 280 Euro je Schülerin beziehungsweise Schüler und Monat auf 380 Euro erhöht. Das sorgt für zusätzliche Finanzierungssicherheit an den Fachseminaren.

Auch im Bereich der Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflege unternimmt die Landesregierung deutliche Anstrengungen, um mehr Auszubildende zu gewinnen. Das MAGS hat bereits im Mai 2018 gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den gesetzlichen Krankenkassen ein werbendes Schreiben an die Geschäftsführungen der Krankenhäuser sowie an die Schulleitungen der (Kinder-) Krankenpflegeschulen in Nordrhein-Westfalen versandt. Die Krankenhäuser wurden darin ermuntert, mehr Ausbildungsverträge abzuschließen.

Dadurch soll jede geeignete Interessentin und jeder geeignete Interessent kurzfristig einen Ausbildungsplatz erhalten. Im Vergleich zum Jahr 2017 konnte tatsächlich bereits eine leichte Erhöhung der Ausbildungsplatzzahlen in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege festgestellt werden.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Fachkräftesicherung ist die konsequente Umsetzung des Pflegeberufegesetzes, das am 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Hierfür werden aktuell die notwendigen Vorarbeiten vorangetrieben. Die neue Pflegeausbildung gemäß dem Pflegeberufegesetz ist nach Auffassung des MAGS der richtige Weg, um die Ausbildung attraktiver und zukunftssicher zu gestalten und damit die Versorgungsqualität nachhaltig zu sichern.

Darüber hinaus hat sich die Landesregierung innerhalb der „Konzertierten Aktion Pflege“ konsequent engagiert. In dieser gemeinsamen Aktion von Bund, Ländern und allen weiteren an der Pflege beteiligten Akteurinnen und Akteuren (u.a. Verbände der Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Kassen und Sozialpartner) wurden gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der beruflich Pflegenden entwickelt und Schritte zu deren Umsetzung verabredet.

Die Stärkung der Pflege wird auch durch die Errichtung einer Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen erreicht. Mit deren Realisierung soll die Pflege im Gesundheitswesen endlich eine klare und vernehmbare Stimme bekommen. Bisher ist die Berufsgruppe der Pflegenden selbst oftmals nicht vertreten, wenn in den Gremien des Gesundheitswesens über Pflege beraten und entschieden wird. Mit der Pflegekammer soll sich das ändern.

Auch die Verbesserung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen soll den Fachkräftemangel in den Gesundheitsfachberufen verringern helfen. Mit der angedachten Bündelung der Aufgaben bei einer zuständigen Stelle, der Bezirksregierung Münster, werden künftig die Verfahren vereinfacht und beschleunigt. Ziel ist dabei auch, eine neue Form der Willkommenskultur zu verankern.

Im Oktober 2018 hat das MAGS darüber hinaus die Förderrichtlinie Gesundheitsfachberufe erlassen. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass viele Schulen des Gesundheitswesens von den Auszubildenden beziehungsweise Schülerinnen und Schülern ein beträchtliches Schulgeld erheben. Das zu zahlende Schulgeld ist eines der zentralen Hemmnisse bei der Fachkräftegewinnung in den Gesundheitsfachberufen, viele ausbildungsinteressierte Menschen konnten ihrem Berufswunsch bislang nicht nachgehen. Rückwirkend zum 1. September 2018 fördert das Land daher die Ausbildungen in der Ergotherapie, der Logopädie, den Berufen in der Physiotherapie, der Podologie und der pharmazeutisch-technischen Assistenz.

Das Land übernimmt 70 Prozent des an der jeweiligen Ausbildungsstätte erhobenen Schulgeldes, sofern sich der Sitz der Ausbildungsstätte in Nordrhein-Westfalen befindet. Für die anteilige Förderung im Jahr 2018 hat das Land 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für die Förderung im Haushaltsjahr 2019 stehen 25 Millionen Euro bereit. Dieselbe Summe ist gemäß Haushaltsentwurf der Landesregierung auch für das Jahr 2020 vorgesehen.

Mit dem Einstieg in die Schulgeldfreiheit hat die Landesregierung einen entscheidenden Schritt unternommen, um die Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen zu stärken. Durch die spürbare finanzielle Entlastung schaffen wir eine deutliche Verbesserung der Ausbildungsbedingungen. Von der Förderung profitieren über 7.000 Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Auszubildende.

Das Land Nordrhein-Westfalen ist darüber hinaus in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe“ vertreten. In Anbetracht des Fachkräftemangels und der veränderten Anforderungen an die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe sowie aufgrund der veralteten Berufsgesetze und Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen strebt der Bund die Neuordnung der Gesundheitsfachberufe an.

Nordrhein-Westfalen unterstützt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe bei den inhaltlichen Vorarbeiten zur Novellierung der gesetzlichen Grundlagen, damit attraktivere Ausbildungsbedingungen für angehende Fachkräfte geschaffen werden. Insbesondere die vollständige Schulgeldfreiheit in den Gesundheitsfachberufen ist dem MAGS ein wichtiges Anliegen. Bis zum Ende des Jahres 2019 soll ein zwischen Bund und Ländern abgestimmtes Eckpunktepapier zur Neuordnung der Gesundheitsfachberufe veröffentlicht werden. Für die anschließende gesetzliche Ausgestaltung der vereinbarten Inhalte ist der Bund zuständig.

3. Wie hoch ist die Zahl der aus dem Ausland stammenden Fachkräfte in diesen Berufsgruppen? (Bitte Herkunftsland angeben)

Die Zahl der aus dem Ausland stammenden Fachkräfte in den vorgenannten Berufsgruppen ergibt sich aus der beigefügten Anlage 3 zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Es handelt sich um den aktuellen Datenstand aus Juli 2019 zum Stichtag 30. September 2018. Darüber hinaus ist die Gesamtübersicht zu den abgeschlossenen Berufsanerkennungsverfahren nach Herkunftsland des Abschlusses (Top 10) der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

 

Rang
2018
Rang
2017
Ausbildungsstaat Anerkennungsverfahren
2018 2017 Veränderung zum Vorjahr (%)
1 1 Syrien 1644 1323 + 24,2
2 2 Polen 585 636 – 8,0
3 7 Serbien (ohne Kosovo) 564 270 + 107,7
4 3 Niederlande 510 417 + 22,3
5 4 Bosnien und Herzegowina 471 399 + 18,0
6 5 Rumänien 408 309 + 32,5
7 6 Griechenland 264 306 – 13,7
8 11 Iran 240 171 + 41,2
9 10 Türkei 240 201 + 18,3
10 8 Russische Föderation 231 261 – 12,2

 

4. In welchem Maße können Altenpflegehelfer und Krankenpflegehelfer zu Fachkräften ausgebildet werden und liegen diesbezügliche Planungen vor?

Die erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen der einjährigen staatlich anerkannten Ausbildungen in der Altenpflegehilfe und der Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz in Nordrhein-Westfalen können bereits heute eine bis zu einem Jahr verkürzte dreijährige Fachkraftausbildung aufnehmen.

Darüber hinaus können im Bereich der Altenpflegehilfeausbildung in vom Ministerium genehmigten Projekt „Care for Integration“ interessierte Bewerberinnen und Bewerber ohne Schulabschluss die Ausbildung in der Altenpflegehilfe beginnen und ausbildungsintegrierend einen allgemeinbildenden Schulabschluss erwerben, um somit die Voraussetzungen für den Zugang in die dreijährige Fachkraftausbildung zu bekommen.

Die landesrechtlich geregelten einjährigen Ausbildungen in der Altenpflegehilfe und in der Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz bieten für viele interessierte Bewerberinnen und Bewerber einen qualifizierten Einstieg in die pflegeberufliche Qualifizierung.

Deshalb hat die Landesregierung bereits im Jahr 2018 die Zahl der landesgeförderten Schulplätze in der staatlich anerkannten einjährigen Altenpflegehilfeausbildung von 660 auf 1.000 Schulplätze erhöht. Das ist ein deutlicher Anstieg von 34 Prozent. Die Landesförderung für diesen Ausbildungsbereich ist damit um etwa 1,14 Millionen Euro auf nunmehr rund 3,36 Millionen Euro angestiegen.

Vor dem Hintergrund der Fachkräftesicherung wird in Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung des neuen Pflegeberufegesetzes auch die Ausbildung zur Pflegeassistenz konsequent an die neuen bundesrechtlichen Vorgaben angepasst.

Die Landesregierung will erreichen, dass attraktive Bildungswege entstehen, damit für alle interessierten und motivierten Bewerberinnen und Bewerber der Weg in die pflegeberufliche Bildung offen steht.

 

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