Falscher Ausweis in BAMF-Akte des Terrorverdächtigen von Brokstedt gelangt – Warum ist ein elektronischer Austausch der Behörden im 21. Jahrhundert immer noch nicht möglich?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1588

der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias vom 23.03.2023

Falscher Ausweis in BAMF-Akte des Terrorverdächtigen von Brokstedt gelangt Warum ist ein elektronischer Austausch der Behörden im 21. Jahrhundert immer noch nicht möglich?

„Eine syrische ID-Karte war dem Verfahren zunächst fälschlicherweise zugeordnet, ist danach aber wieder der korrekten Person zugeordnet worden.“1

So die Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Anfang Februar 2023. Demnach befand sich ein Ausweis in der Akte des Tatverdächtigen, der jemand anderem gehörte. Das Behördenversagen, das zu der terroristischen Messerattacke des 3 Jahre alten Palästinensers A. in einem Regionalzug in Brokstedt führte, wird somit immer umfangreicher und erschreckender.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Mahmut Özdemir , hat diesen enormen Fauxpas kürzlich bestätigt. Insofern sei das BAMF zwischenzeitlich davon ausgegangen, dass der Mann ein staatenloser Palästinenser sei. Im Innenausschuss des Landtags Schleswig-Holstein hatte zuvor ein BAMF-Abteilungsleiter erklärt, dass A. selbst bei seiner Einreise 2014 mitgeteilt habe, dass er aus dem Gazastreifen stamme und staatenlos sei. Basierend auf der Darstellung der Fluchtgeschichte des Tatverdächtigen hätte im Jahr 2016 ein Schutzstatus erteilt werden müssen.2

Im stattgefundenen Ausschuss wurde des Weiteren auch dargelegt, dass dem BAMF, „als die Entscheidung über Schutz für A. fiel, nicht bekannt gewesen war, dass der Antragsteller in Nordrhein-Westfalen, wo er zunächst lebte, schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten war“.3 Zusätzlich drängt sich die Frage auf, warum das Verfahren des BAMF zur Rücknahme des sogenannten subsidiären Schutzstatus für den Palästinenser nicht zu Ende geführt wurde, da Rückführungen in die Palästinensergebiete nach Auskunft des Bundesinnenministeriums grundsätzlich möglich seien. Darüber hinaus sieht Bundesjustizminister Buschmann wegen der zutage getretenen Kommunikationsprobleme zwischen Ämtern und Behörden Handlungsbedarf.4

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Aus welchen Gründen haben nordrhein-westfälische Behörden das BAMF nicht darüber informiert, dass A. bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist?
  2. Warum hat sich Nordrhein-Westfalen nicht darum bemüht, gegen A. aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, als dieser straffällig wurde und sogar eine Rückführung in die Palästinensergebiete möglich gewesen ist?
  3. Ist die Landesregierung, ähnlich wie Bundesjustizminister Buschmann, ebenfalls der Ansicht, dass auf Grund der vorhandenen Kommunikationsprobleme zwischen Ämtern und Behörden ein Handlungsbedarf besteht?
  4. Wenn nein, warum nicht?
  5. Wenn ja, in welchen Bereichen respektive in welchem Umfang?

Markus Wagner

Enxhi Seli-Zacharias

 

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1 Vgl. https:// www .welt.de/politik/deutschland/article243656473/Messerangriff-in-Brokstedt-Falscher-Ausweis-in-Bamf-Akte-des-Tatverdaechtigen-gelangt.html.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 1588 mit Schreiben vom 21. April 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und der Ministerin für Heimat, Kommu­nales, Bau und Digitalisierung beantwortet.

  1. Aus welchen Gründen haben nordrhein-westfälische Behörden das BAMF nicht darüber informiert, dass A. bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist?

Die Mitteilungspflicht gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge richtet sich nach § 8 Absatz 1a AsylG und seit deren Inkrafttreten am 01.05.2019 auch nach Nummer 42a MiStra. Soweit hiernach eine Mitteilung an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dem Strafverfahren, in dem der Beschuldigte 2016 wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (vgl. hierzu die LT-Vorlage 18/806), veranlasst war, wird auf den Inhalt der LT-Vorlage 18/885 Bezug genommen. Der Generalstaatsanwalt in Köln hat am 23.03.2023 insoweit berichtet, seitens der Behördenleitung der Staatsanwaltschaft Bonn sei das Erforderliche veranlasst worden, um künftig den vorgesehenen Austausch zwischen Behörden sicherzustellen.

  1. Warum hat sich Nordrhein-Westfalen nicht darum bemüht, gegen A. aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, als dieser straffällig wurde und sogar eine Rückführung in die Palästinensergebiete möglich gewesen ist?

Aufgrund des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Jahr 2016 festgestellten asylrechtlichen Schutzstatus (subsidiärer Schutz nach § 4 Absatz 1 AsylG) war eine Aufenthaltsbeendigung des Tatverdächtigen nicht möglich.

  1. Ist die Landesregierung, ähnlich wie Bundesjustizminister Buschmann, ebenfalls der Ansicht, dass auf Grund der vorhandenen Kommunikationsprobleme zwischen Ämtern und Behörden ein Handlungsbedarf besteht?
  2. Wenn nein, warum nicht?
  3. Wenn ja, in welchen Bereichen respektive in welchem Umfang?

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3 bis 5 gemeinsam beantwortet.

Ein Austausch zwischen Behörden zu Themen bzw. Aufgaben, die den Zuständigkeitsbereich mehrerer Behörden in unterschiedlicher Art und Weise betreffen, ist ein wichtiger Baustein bei der Anwendung von Recht wie zum Beispiel dem Aufenthaltsgesetz und dem Asylgesetz. Beide Gesetze enthalten entsprechende Vorschriften bezüglich der Weitergabe von Informationen zwischen Behörden, die landesseitig auch für die Verstärkung der Zusammenarbeit von Ausländer-, Polizei- und Justizbehörden bereits im Erlasswege aufgegriffen worden sind.

Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat den staatsanwaltschaftlichen Geschäftsbereich zuletzt mit Erlass vom 28.02.2023 erneut für die gegenseitigen Mitteilungsverpflichtungen und Übermittlungswege nach der MiStra sowie nach dem Gemeinsamen (Rund-)Erlass vom 29.04.2022 – JMBl. NRW S. 366 – sensibilisiert.

Zum Vorschlag des Bundesministers der Justiz zur Änderung von Nr. 42 MiStra verhält sich die LT-Vorlage 18/886 für die Sitzung des Rechtsausschusses am 01.03.2023. Das etwaige Erfordernis weitergehender Maßnahmen ist Gegenstand fortlaufender Prüfung.

 

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