Flüchtlingsfeindliche Straften in NRW im ersten Halbjahr 2022

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 178
der Abgeordneten Markus Wagner und Enxhi Seli-Zacharias vom 19.07.2022

 

Flüchtlingsfeindliche Straften in NRW im ersten Halbjahr 2022

Die Anfrage zum Themenkomplex „Flüchtlingsfeindliche Straftaten“ für das Berichtsjahr 2021 ergab, dass sich die Anzahl entsprechender Straftaten auf 130 Fälle verringert hat. Dabei konnten in 88 Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. Bei 54 Straftaten konnte kein Täter eruiert werden. Ohne eine erfolgte Ermittlung eines Täters wurden 44 von 54 Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet.1

Ziel der Anfrage für das erste Halbjahr 2022 ist es erneut, eine differenziertere Aufschlüsselung der Straftaten zu erhalten.

So gilt es, die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren, der Anklagen, der Verurteilungen und der Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren darzulegen. Die Frage, ob im konkreten Fall Menschen direkt angegriffen wurden und zu Schaden kamen oder ob beispielsweise die Straftat gegen eine im Bau befindliche Unterkunftseinrichtung gerichtet war, konnte die Landesregierung bisher nicht ausreichend beantworten. Eine genaue Lagebeurteilung wird so zumindest erschwert.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2022 in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte nach folgenden Fallgruppen aufschlüsseln: a) gegen Flüchtlingsunterkünfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen, b) gegen geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte, c) gegen Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Wohnung und d) gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen; Bitte auch nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln)
  2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
  3. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?
  4. Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten)
  5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen bzw. Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2022 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?

Markus Wagner
Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/16657


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 178 mit Schreiben vom 15. August 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie mit dem Minister der Justiz namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß der §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Die Erhebung der Fallzahlen für das Jahr 2022 ist noch nicht abgeschlossen, weshalb die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen als vorläufig zu betrachten sind.

  1. Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2022 in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte nach folgenden Fallgruppen aufschlüsseln: a) gegen Flüchtlingsunterkünfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen, b) gegen geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte, c) gegen Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Wohnung und d) gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen; Bitte auch nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln)

Im ersten Halbjahr 2022 wurden im KPMD-PMK in Nordrhein-Westfalen bislang 44 flüchtlingsfeindliche Straftaten erfasst. Des Weiteren wurden zwei Personen im Sachzusammenhang verletzt.

Weitergehende Angaben bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen.

Eine Aufschlüsselung nach den Fallgruppen a) – d) kann nicht mit einem vertretbaren Aufwand innerhalb der für die Beantwortung Kleiner Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit erstellt werden, da die genannten Kriterien mit den polizeilichen statistischen Kriterien nicht deckungsgleich sind. Eine Erhebung der Daten würde daher eine zeitaufwändige Einzelauswertung aller in Betracht kommender Vorgänge erfordern.

  1. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)

Im ersten Halbjahr 2022 wurden zu den in der Antwort auf Frage 1 genannten Fällen bislang 22 Tatverdächtige ermittelt.

Weitergehende Angaben bitte ich der Anlage 2 zu entnehmen.

  1. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?

Im ersten Halbjahr 2022 wurden flüchtlingsfeindliche Straftaten im KPMD-PMK bislang folgenden Phänomenbereichen zugeordnet:

 

Phänomenbereich geklärt ungeklärt
PMK-rechts 20 18
PMK-nicht zuzuordnen 1 2
PMK-ausländische Ideologie 0 3
PMK-links 0 0
PMK-religiöse Ideologie 0 0
Gesamt 21 23

 

Als geklärt sind die Fälle anzusehen, bei denen ein oder mehrere Tatverdächtige ermittelt werden konnten.

  1. Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten)

Die Zuordnung einer Straftat in einen Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität erfolgt stets auf Grundlage und nach Betrachtung des Einzelfalls. So erfolgt eine entsprechende Zuordnung, wenn nach Würdigung der Umstände der Tat Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person, wegen ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen Aufenthaltsstatus (Asylbewerber/Flüchtling) gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

  1. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen bzw. Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2022 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?

Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Straftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Dem Ministerium der Justiz liegen die zur Beantwortung erforderlichen Zahlen nicht vor und können innerhalb der für die Beantwortung Kleiner Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit mit einem für die Strafrechtspflege vertretbaren Aufwand nicht beschafft werden. Ermittlungsverfahren wegen flüchtlingsfeindlicher Straftaten werden in den Statistiken und Datenbanken der Justiz nicht gesondert erfasst. Eine Erhebung der Daten würde daher eine Einzelauswertung der Akten aller in Betracht kommenden Verfahren erfordern.

 

Antwort samt Anlage als PDF