Kleine Anfrage 479
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Carlo Clemens vom 22.09.2022
Folgen die von der Caritas angebotenen außerschulischen Aktivitäten dem Beutelsbacher Konsens?
An Schulen im Großraum Duisburg wirbt die Caritas im Rahmen des Projekts „youngcaritas“1 für außerschulische Aktivitäten. Dabei geht es u.a. um die Themen „Migration&Flucht“, „Klimaschutz“ und „Anti-Diskriminierung“. Teilnehmen können Schüler ab der 8. Klasse bzw. junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren. Angesprochen werden junge Menschen, die sich für sozialpolitische Themen interessieren.
Es handelt sich dabei ausdrücklich um keine Aktivitäten des Schulträgers. Trotzdem sollen die Schulen als Veranstaltungsort genutzt werden.
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Inwiefern wird das Projekt „youngcaritas“ der Caritas mit Landesmitteln gefördert?
- Auf welcher gesetzlichen Grundlage darf die Caritas innerhalb der Schulen für eigene Bildungsangebote werben?
- Welche näheren Informationen liegen der Landesregierung zu den beteiligten Schulen sowie zu den dort angebotenen konkreten Projektinhalten- und zielen vor? (Bitte die beteiligten Schulen, die jeweiligen Projektinhalte und die Projektziele benennen)
- Im Beutelsbacher Konsens sind die drei entscheidenden Prinzipien im Rahmen der politischen Bildung verankert. Dazu gehören das Überwältigungsverbot, das Gebot der Kontroversität und das Prinzip der Schülerorientierung. Inwiefern folgen die von der Caritas angebotenen außerschulischen Aktivitäten diesen Vorgaben?
- Inwiefern kann die einseitige Themenauswahl jungen Erwachsenen dabei helfen im Sinne des Beutelsbacher Konsens politisch mündig zu werden?
Enxhi Seli-Zacharias
Carlo Clemens
1 Vgl. https://www.youngcaritas.de/
Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 479 mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Finanzen, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Lehrerinnen und Lehrer genießen – wie alle Bürgerinnen und Bürger – das Recht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes. Bei der Ausübung dieses Rechtes haben sie allerdings – wie alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst – Einschränkungen zu beachten, die sich aus dem Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtlichem Dienst- und Treueverhältnis oder aus einem bestehenden tariflichen Arbeitsverhältnis ergeben. Zu den beamtenrechtlichen Pflichten gehört auch, das Amt unparteiisch und gerecht zu führen. Bei politischer Betätigung ist Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren. Darüber hinaus verpflichtet § 2 Absatz 8 des Schulgesetzes Lehrerinnen und Lehrer zu politischer Neutralität gegenüber den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Politische Äußerungen von Lehrkräften sind nicht ausgeschlossen, unterliegen jedoch einem Gebot von ausgewogener Darstellung und Zurückhaltung.
- Inwiefern wird das Projekt „youngcaritas“ der Caritas mit Landesmitteln gefördert?
Der Landesregierung ist keine Förderung des Projektes „youngcaritas“ der Caritas durch Landesmittel bekannt. Aktuell wird „youngcaritas“ vom Programm Erasmus+ der EU gefördert.
- Auf welcher gesetzlichen Grundlage darf die Caritas innerhalb der Schulen für eigene Bildungsangebote werben?
In § 5 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW – SchulG) „Öffnung von Schule, Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern“ ist die Zusammenarbeit von Schulen mit „Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe, mit Religionsgemeinschaften und mit anderen Partnern“ verankert. Die Caritas entspricht den in § 5 Abs. 2 genannten Gruppen.
- Welche näheren Informationen liegen der Landesregierung zu den beteiligten Schulen sowie zu den dort angebotenen konkreten Projektinhalten- und zielen vor? (Bitte die beteiligten Schulen, die jeweiligen Projektinhalte und die Projektziele benennen)
Der Landesregierung liegen keine Informationen dazu vor. Auf die Beantwortung der Frage 1 wird verwiesen.
- Im Beutelsbacher Konsens sind die drei entscheidenden Prinzipien im Rahmen der politischen Bildung verankert. Dazu gehören das Überwältigungsverbot, das Gebot der Kontroversität und das Prinzip der Schülerorientierung. Inwiefern folgen die von der Caritas angebotenen außerschulischen Aktivitäten diesen Vorgaben?
Auch im Zusammenhang mit den Angeboten der „youngcaritas“ der Caritas wird nach dem Beutelsbacher Konsens aus dem Jahre 1976 verfahren. Dabei handelt es sich um eine bundesweite Festlegung von Grundlagen und Zielsetzungen für den Bereich der politischen Bildung, dem auch die Kernlehrpläne für die allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen in ihren Bildungs- und Erziehungszielen folgen. „Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.“ (zit. aus: h t t p : / / w w w . b p b . d e / d i e – b p b / 51 3 10 / b e u t e ls b ac h e r – k o n s e ns). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Lehrkräfte sich jeder Meinung zu enthalten haben, sofern sie ihre Meinung als eine persönliche Meinung kenntlich machen. Es bedeutet auch nicht, dass alle Positionen als gleichberechtigt dargestellt werden müssen. Dies gilt insbesondere für Positionen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten oder die dort niedergelegten Grund- und Menschenrechte in Frage stellen.
Sollte bei den Veranstaltungen gegen den Beutelsbacher Konsens verstoßen werden, schreiten die Lehrkräfte vor Ort und die Schulleitung in angemessenem Rahmen ein.
- Inwiefern kann die einseitige Themenauswahl jungen Erwachsenen dabei helfen im Sinne des Beutelsbacher Konsens politisch mündig zu werden?
Die Themenauswahl erfolgt immer auf Basis des Grundsatzes politischer Bildung im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und der damit verbundenen Zielsetzung der Bildung und Erziehung zu mündigen, an den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientierten, handlungsfähigen Bürgerinnen und Bürgern. Darauf basieren die geltenden Kernlehrpläne in Nordrhein-Westfalen, die für Schulen und Lehrkräfte bindend sind.