Fortgesetzte Vollzugsdefizite bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht im Jahr 2022

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1677

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias und Markus Wagner AfD

Fortgesetzte Vollzugsdefizite bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht im Jahr 2022

Mit den Gründen für die niedrige Abschiebe- und Rückkehrquote befasst sich eine im Jahr 2020 erstellte Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik1. Darin konstatiert die DGAP neben einer komplexen Zuständigkeitsverteilung zwischen den beteiligten Bundes-und Landesbehörden eine unpräzise Datenbasis u. a. im Ausländerzentralregister (AZR), eine ungleichmäßige Qualität der Rückkehrberatung, ein „Drehtürphänomen“ bei den Überstellungen in andere europäische Staaten gemäß der Dublin-III-Verordnung sowie insbesondere eine für eine gezielte Ursachenanalyse nicht hinreichend präzise und differenzierte Erfassung der Gründe für das Scheitern geplanter Abschiebungen2.

Letztgenannte Gründe waren beispielsweise 2019 in der Summe zu über 90% unter den kaum aussagekräftigen Rubriken „Stornierung“ (ca. 57%) und „nicht erfolgte Zuführung“ (36%) zusammengefasst.3

Diesbezüglich befragt, verwies die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Gottfried Curio (AfD) auf die Zuständigkeit der Länder.4

Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage hervorgeht, sind im Jahr 2022 23.377 Abschiebungen vor oder nach Übergabe der Person an die Bundespolizei nicht vollzogen worden. Bezogen auf NRW handelte es sich um 3.139 Fälle vor der Übergabe an die Bundespolizei und 200 Fälle nach der Übergabe an die Bundespolizei.

Bundesweit scheiterte die Abschiebung im Jahr 2022 vor der Übergabe an die Bundespolizei in 6.971 Fällen an einer nicht erfolgten Zuführung, in 15.075 Fällen, weil das Ersuchen storniert wurde, und in 360 Fällen aus sonstigen Gründen.

Bei den bundesweit 929 gescheiterten Abschiebungen nach der Übergabe an die Bundespolizei war die Analyse differenzierter. So wurden 15 verschiedene Gründe benannt. Die gravierendsten Gründe in diesem Zusammenhang waren „Beförderungsverweigerung“, „passiver Widerstand“ und „Übernahmeverweigerung der Bundespolizei“.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. In 3.139 Fällen scheiterte 2022 eine Abschiebung aus NRW vor der Übergabe an die Bundespolizei. Die Bundesregierung benennt in diesem Zusammenhang drei Gründe „nicht erfolgte Zuführung“ mit 592 Fällen, „Ersuchen storniert“ mit 2.511 Fällen und „sonstige Gründe“ mit 36 Fällen.5 Wie verteilen sich die gescheiterten Abschiebungen vor der Übergabe an die Bundespolizei auf die jeweiligen Kommunen? (Bitte differenziert nach Kommune, Anzahl und Grund der gescheiterten Abschiebungen listen)
  2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, welches die konkreten Gründe des Scheiterns von geplanten Abschiebungen aus NRW sind, die in der Statistik als „Ersuchen storniert“ bzw. unter „sonstigen Gründen“ erfasst werden?
  3. Wieso werden diese Gründe nicht näher aufgeschlüsselt, um ihre Analyse und gezielte Behebung zu ermöglichen?
  4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, wie viele geplante Abschiebungen im Jahr 2022 daran gescheitert sind, dass die Abzuschiebenden am Abschiebetermin nicht anzutreffen bzw. untergetaucht waren?

Enxhi Seli-Zacharias
Markus Wagner

 

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1 Vgl. DGAP-Analyse Nr. 3 Mai 2020 „Deutsche Rückkehrpolitik und Abschiebungen – Zehn Wege aus der Dauerkrise“

2 Ebd. S. 13 ff.

3 Ebd. S. 25

4 Vgl. Bt.-Drucksache 20/5277

5 Vgl. Drucksache Deutscher Bundestag 20/5859; Frage 19


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1677 mit Schreiben vom 10. Mai 2023 namens der Landesregierung beantwor­tet.

  1. In 3.139 Fällen scheiterte 2022 eine Abschiebung aus NRW vor der Übergabe an die Bundespolizei. Die Bundesregierung benennt in diesem Zusammenhang drei Gründe „nicht erfolgte Zuführung“ mit 592 Fällen, „Ersuchen storniert“ mit 2.511 Fällen und „sonstige Gründe“ mit 36 Fällen. Wie verteilen sich die gescheiterten Abschiebungen vor der Übergabe an die Bundespolizei auf die jeweiligen Kommu­nen? (Bitte differenziert nach Kommune, Anzahl und Grund der gescheiterten Ab­schiebungen listen)

Die genannte Statistik wurde durch den Bund erstellt. Welche Kriterien bei der Erhebung zu Grunde gelegt wurden und welche Daten konkret in die genannten Gesamtzahlen eingeflossen sind, kann von hieraus nicht nachvollzogen werden, sodass weitergehende Angaben zu den seitens des Bundes genannten Zahlen nicht gemacht werden können.

  1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, welches die kon­kreten Gründe des Scheiterns von geplanten Abschiebungen aus NRW sind, die in der Statistik als „Ersuchen storniert“ bzw. unter „sonstigen Gründen“ erfasst werden?

Es wird auf die Beantwortung zu Frage 1 verwiesen.

  1. Wieso werden diese Gründe nicht näher aufgeschlüsselt, um ihre Analyse und ge­zielte Behebung zu ermöglichen?

Es wird auf die Beantwortung zu Frage 1 verwiesen.

  1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, wie viele geplante Abschiebungen im Jahr 2022 daran gescheitert sind, dass die Abzuschiebenden am Abschiebetermin nicht anzutreffen bzw. untergetaucht waren?

Nach hier vorliegenden Erkenntnissen sind im Jahre 2022 827 geplante Rückführungsflüge von Personen in der Zuständigkeit nordrhein-westfälischer Ausländerbehörden daran geschei­tert, dass die abzuschiebende Person nicht anwesend war. Darüber hinaus mussten 514 ge­plante Rückführungsflüge aufgrund eines Untertauchens der abzuschiebenden Person stor­niert werden.

Als „nicht anwesend“ gelten Personen, die lediglich am Flugtag nicht angetroffen werden konn­ten, sich aber grundsätzlich in ihrer Unterkunft aufhalten.

Sofern der Aufenthaltsort der Betroffenen nicht mehr bekannt ist, weil sie sich seit längerer Zeit nicht mehr in ihrer Unterkunft aufgehalten haben, gelten sie als „untergetaucht“.

Es wird darauf hingewiesen, dass diese Zahlen sowohl Flugabschiebungen in die jeweiligen Herkunftsländer als auch Überstellungen mittels Flug in das nach der Dublin-III-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige EU-Land enthalten.

Eine Statistik zu der Gesamtzahl der gescheiterten Abschiebungen und Überstellungen, die auf dem Landweg vollzogen werden sollten, liegt hier nicht vor.

 

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