Gefährdung von Kindern durch Genitalverstümmelungen

Kleine Anfrage
vom 05.08.2021

Kleine Anfrage 5891des Abgeordneten Thomas Röckemann vom 05.08.2021

 

Gefährdung von Kindern durch Genitalverstümmelungen

Weltweit sind nach Schätzungen ca. 200 Millionen Frauen von Genitalverstümmelungen betroffen. Diese uralte Tradition wird vor allem in Afrika sowie in Südostasien und im Nahen Osten heute noch praktiziert. Viele Migranten und Flüchtlinge legen sie auch in Deutschland nicht ab, sondern praktizieren sie, trotz entsprechender Verbote, im Verborgenen weiter.

Die Dunkelzifferstatistik von Terre des Femmes aus dem Mai 2020 geht für Deutschland von rund 75.000 durch diese Art der Verstümmelung betroffenen Frauen aus; für Nordrhein-Westfalen liegen die Zahlen bei 15.217 betroffenen Frauen ab 18 Jahren und bei 4.682 für gefährdete Mädchen unter 18 Jahren.1

Häufig wird die Verstümmelung der minderjährigen Mädchen als sogenannte „Ferienbeschneidung“ im Herkunfts- oder Ausland durchgeführt.

Seit dem 24. September 2013 ist die weibliche Genitalverstümmelung durch § 226a StGB als eigene Strafnorm festgesetzt.

Seit dem Jahre 2012 normiert § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG), dass Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer und andere mit dem Kindeswohl beauftragte Geheimnisträger berechtigt sind, eventuelle Kindeswohlgefährdungen dem Jugendamt zu melden.

Auch die offiziellen Statistiken der Jugendämter haben eine Zunahme an Kindeswohlgefährdungen vom Jahre 2019 zum Jahre 2020 registriert.2

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Fälle von Kindeswohlgefährdungen sind seit dem Jahre 2012 in Nordrhein-Westfalen angezeigt worden? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl sowie Kreisen und kreisfreien Städten)
  2. Wie viele Fälle, bei denen von der Gefahr einer Kindeswohlgefährdung durch weibliche Genitalbeschneidung ausgegangen wurde, sind in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2012 durch Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer oder andere mit dem Kindeswohl beauftragte Geheimnisträger angezeigt worden? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl sowie Kreisen und kreisfreien Städten)
  3. Wie häufig wurden Minderjährige durch hoheitlichen Akt aus Familien genommen, weil eine Kindeswohlgefährdung durch eine weibliche Genitalbeschneidung drohte? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl sowie Kreisen und kreisfreien Städten)
  4. Wie wird mit Minderjährigen weiter verfahren, wenn diese, auf Grund der Gefahr einer weiblichen Genitalverstümmelung, aus ihrer Familie bzw. ihrem sozialen Umfeld genommen wurden?

Thomas Röckemann

 

Anfrage als PDF

 

1 http://www.stop-mutilation.org/informationen.asp (abgerufen am 21.7.2021); https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung/unser-engagement/aktivitaeten/1787-dunkelzifferstatistik-zu-weiblicher-genitalverstuemmelung (abgerufen am 21.07.2021).

2 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/07/PD21_350_225.html (abgerufen am 21.07.2021).


Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 5891 mit Schreiben vom 1. September 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet.

  1. Wie viele Fälle von Kindeswohlgefährdungen sind seit dem Jahre 2012 in Nord­rhein-Westfalen angezeigt worden? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl sowie Krei­sen und kreisfreien Städten)

Die Verfahren zur Einschätzung des Kindeswohls nach Kreisen und kreisfreien Städten in den Jahren 2012 – 2020 in Nordrhein-Westfalen können Anlage 1 entnommen werden (Quelle: IT.NRW).

  1. Wie viele Fälle, bei denen von der Gefahr einer Kindeswohl-gefährdung durch weibliche Genitalbeschneidung ausgegangen wurde, sind in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2012 durch Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer oder andere mit dem Kin­deswohl beauftragte Geheimnisträger angezeigt worden? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl sowie Kreisen und kreisfreien Städten)

Im Rahmen der Statistik zu § 8a SGB VIII wird das Merkmal „weibliche Genitalbeschneidung“ nicht gesondert erfasst. Hierzu liegen daher keine Daten vor.

  1. Wie häufig wurden Minderjährige durch hoheitlichen Akt aus Familien genommen, weil eine Kindeswohlgefährdung durch eine weibliche Genitalbeschneidung drohte? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl sowie Kreisen und kreisfreien Städten)

Im Rahmen der Statistik zu den vorläufigen Schutzmaßnahmen der NRW-Jugendämter für Kinder und Jugendliche (Inobhutnahmen) wird das Merkmal „weibliche Genitalbeschneidung“ nicht gesondert erfasst. Hierzu liegen daher keine Daten vor.

  1. Wie wird mit Minderjährigen weiter verfahren, wenn diese, auf Grund der Gefahr einer weiblichen Genitalverstümmelung, aus ihrer Familie bzw. ihrem sozialen Um­feld genommen wurden?

Die Entscheidung über die Auswahl und die Gewährung geeigneter Hilfen nach SGB VIII ob­liegt dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe in Form der Einzelfallentscheidung. Dies gilt auch für den Fall, dass Minderjährige auf Grund der Gefahr einer weiblichen Genitalbeschneidung aus ihrer Familie bzw. ihrem sozialen Umfeld genommen wurden.

 

Antwort samt Anlage als PDF