Geldwäscheskandal im Auswärtigen Amt – Wird das „Hawala“-System auch für Geldtransfers zwischen NRW und Afghanistan genutzt?

Kleine Anfrage
vom 06.06.2024

Kleine Anfrage 3924

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias, AfD

Geldwäscheskandal im Auswärtigen Amt – Wird das „Hawala“-System auch für Geldtransfers zwischen NRW und Afghanistan genutzt?

Wie aus einer umfangreichen Recherche der WELT1 hervorgeht, nutzt die Bundesregierung im Rahmen der Entwicklungshilfe bei zahlreichen geförderten Projekten offenbar das in Deutschland illegale „Hawala“-System. Das gehe aus dem internen Finanzplan des Auswärtigen Amts hervor. Das „Hawala“-System steht weltweit in der Kritik, weil es zur Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt wird. Allein im Rahmen des Projektes „Ernährungssicherung durch Geldleistungen in Afghanistan“, das die Welthungerhilfe im Auftrag des Ministeriums durchführt, flossen angeblich 245.000 Euro an die beteiligten „Hawala-Agenten“ – also mehr als sechs Prozent der gesamten Projektsumme.

Zur Rechtfertigung wird angegeben, dass es in Teilen Afghanistans angeblich keine andere Möglichkeit des Geldtransfers gäbe, was allerdings nichts an der Illegalität dieses Systems hierzulande ändert. Die am Projekt des Auswärtigen Amts beteiligte Welthungerhilfe erklärte auf Anfrage, dass es bei der Auswahl der Hawala-Agenten ein Anti-Terror-Screening gäbe. Somit wurde die Überprüfung der Agenten offensichtlich an nicht-staatliche Stellen ausgegliedert.

Unklar ist bisher noch das gesamte Ausmaß der Nutzung des „Hawala“-Systems. Neben weiteren Projekten auf Bundesebene ist beispielsweise auch eine Nutzung des Systems durch Unternehmen in NRW denkbar. Insbesondere aber auf privater Ebene ist von einer Nutzung des Systems durch in NRW ansässige afghanische Staatsbürger auszugehen. Das würde einer bewussten, unerwünschten Zweckentfremdung von Steuermitteln gleichkommen. Denkbar ist auch die Nutzung für kriminelle oder terroristische Zwecke.

Die WELT führt in diesem Zusammenhang eine Studie des Büros der UN für Drogen- und Verbrechensbekämpfung an. Danach sei das „Hawala“-System in Afghanistan kriminalitätsbelastet. Rund jeder fünfte dafür befragte „Hawala-Agent“ gab an, dass Mitglieder des Berufsstandes auch in den Opiumhandel involviert seien. Weiter heißt es: „Zudem kam die Studie zu dem Schluss, dass „Hawala-Agenten“ wissentlich und unwissentlich Menschenhandel begünstigen würden, indem sie für die illegale Migration wichtige Dienstleistungen anbieten und Migranten mit Schmugglern bekanntmachen würden.“2

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche in NRW ansässigen Unternehmen und NGOs verfügen nach Kenntnis der Landesregierung über Kontakte nach Afghanistan?
  2. An welchen Projekten mit Afghanistan-Bezug (inkl. Programmen auf Bundes- und EU-Ebene) ist die Landesregierung derzeit beteiligt?
  3. Mit welchen Maßnahmen wird bei Spenden, Fördermitteln des Landes sowie sonstigen Geldtransfers an afghanische Stellen durch in NRW ansässige Unternehmen, NGOs sowie durch das Land NRW selbst die Nutzung des „Hawala“-Systems überwacht und ggf. unterbunden? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, inwiefern es Erkenntnisse gibt, dass diese Geldtransfers zur Finanzierung von Schleusern oder sonstigen illegalen Aktivitäten verwandt werden.)
  4. Insbesondere seit 2015 sind zahlreiche Afghanen im Rahmen der Grenzschutzkrise nach Deutschland gelangt. Welche Erkenntnisse bezüglich möglicher illegaler Geldtransfers aus diesem Personenkreis mit Hilfe des „Hawala“-Systems liegen der Landesregierung vor? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, inwiefern es Erkenntnisse gibt, dass diese Geldtransfers zur Finanzierung von Schleusern oder sonstigen illegalen Aktivitäten verwandt werden.)
  5. Mit welchen Maßnahmen versucht die Landesregierung diese illegalen Geldtransfers so weit wie möglich zu unterbinden?

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-9528

 

1 Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/plus251803078/Staatshilfe-per-Geldkurier-Bundesregierung-nutzt-das-umstrittene-Hawala-System.html

2 Ebd.


Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 3924 mit Schreiben vom 11. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen üb­rigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.

  1. Welche in NRW ansässigen Unternehmen und NGOs verfügen nach Kenntnis der Landesregierung über Kontakte nach Afghanistan?

Die Landesregierung hat hierüber keine Erkenntnisse.

  1. An welchen Projekten mit Afghanistan-Bezug (inkl. Programmen auf Bundes- und EU-Ebene) ist die Landesregierung derzeit beteiligt?

Der Landesregierung sind keine Förderungen bekannt.

  1. Mit welchen Maßnahmen wird bei Spenden, Fördermitteln des Landes sowie sons­tigen Geldtransfers an afghanische Stellen durch in NRW ansässige Unterneh­men, NGOs sowie durch das Land NRW selbst die Nutzung des „Hawala“-Systems überwacht und ggf. unterbunden? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, inwiefern es Erkenntnisse gibt, dass diese Geldtransfers zur Finanzierung von Schleusern oder sonstigen illegalen Aktivitäten verwandt werden.)

Die Durchführung des sogenannten „Hawala-Bankings“ stellt strafrecht-lich einen Verstoß ge­gen das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zah-lungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichts-gesetz – ZAG) dar, wenn die handelnden Personen ohne entsprechende Erlaubnis Finanz-transfer-dienstleistungen erbringen und gewerbsmäßig handeln. Die Zuständig-keit für die Überwachung von Verstößen gegen das ZAG liegt bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-tungsaufsicht (BaFin). Sofern Hinweise auf die Durchführung von „Hawala-Banking“ der Poli­zei zur Kenntnis gelangen, werden entsprechende strafrechtliche Ermittlungsverfahren einge­leitet. Verdachtsmomente hierzu können sich auch aus anderen Straftaten, wie zum Beispiel der Geldwäsche oder der Bildung und bzw. oder mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kri­minellen Vereinigung ergeben.

  1. Insbesondere seit 2015 sind zahlreiche Afghanen im Rahmen der Grenzschutz-krise nach Deutschland gelangt. Welche Erkenntnisse bezüglich möglicher illega­ler Geldtransfers aus diesem Personenkreis mit Hilfe des „Hawala“-Systems lie­gen der Landesregierung vor? (Bitte in diesem Zusammenhang auch angeben, in­wiefern es Erkenntnisse gibt, dass diese Geldtransfers zur Finanzierung von Schleusern oder sonstigen illegalen Aktivitäten verwandt werden.)

Erkenntnisse im Sinne der Anfrage liegen nicht vor.

  1. Mit welchen Maßnahmen versucht die Landesregierung diese illegalen Geldtransfers so weit wie möglich zu unterbinden?

Die Landesregierung geht gegen das Phänomen des Hawala Bankings und gegen die dahin­terstehenden kriminellen Organisationen entschieden vor – wobei hier keine Erfassung jewei­liger Nationalitäten erfolgt. Die Bekämpfung des Hawala-Bankings stellt einen Themenschwer­punkt der Arbeit der Task Force zur Bekämpfung von Finanzierungsquellen Organisierter Kri­minalität und Terrorismus des Landes Nordrhein-Westfalen dar. In dieser Task Force arbeiten Kolleginnen und Kollegen des Innen-, des Justiz- und des Finanzressorts nach dem Prinzip der „zusammengeschobenen Schreibtische“ eng zusammen. Die Task Force stellte hier in den vergangenen Jahren erfolgreich Ermittlungen an, die in mehreren Fällen u.a. zu Haftstrafen führten.

Darüber hinaus setzt sich die Task Force NRW auch grundsätzlich mit Möglichkeiten der ef­fektiven Bekämpfung von Hawala Banking auseinander. Gemeinsam mit dem Landeskriminal­amt Nordrhein-Westfalen wurde ein internationales Projekt zur Bekämpfung und tiefergehen­den Analyse des Hawala Bankings eingerichtet. Im Rahmen dieses Projektes wird der Bereich aus kriminalfachlicher, rechtlicher und operativer Sicht analysiert. Daneben sind nationale und internationale Partner aus verschiedenen Zuständigkeitsbereichen im Kontext der Bekämp­fung des Hawala-Bankings beteiligt.

 

MMD18-9931