Kleine Anfrage 4811
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Geschäftsmodell Flüchtlingsunterkunft? – Traum-Renditen auch bei den durch den Serco-Konzern betreuten Landesunterkünften in NRW?
Recherchen des WDR-Magazins MONITOR zusammen mit dem ZDF-Magazin Royale und der SZ haben ergeben, dass Unternehmen hohe Gewinne mit dem Betrieb von Unterbringungseinrichtungen für Asylbewerber erzielen – auch in NRW.1
Im Rahmen der Recherchen ist insbesondere der Serco-Konzern aufgefallen. Dieser hat im Jahr 2022 ein für die Betreuung von Asylsuchenden tätiges Unternehmen (ORS) übernommen.2 Im März 2024 folgte die Übernahme der European Homecare GmbH, einem Anbieter von Migrationsdiensten für den öffentlichen Sektor in Deutschland.3 Da die Serco Group auch im Rüstungssektor tätig ist, kommt es zu Kritik von diversen Menschenrechtsorganisationen.
Eine durchaus berechtigte Frage lautet, warum sich ein weltweit agierender Konzern in Deutschland um Unterbringungseinrichtungen kümmert, sprich: welches Geschäftsmodell dahintersteckt und wie hoch die Gewinnmargen sind. „So präsentiert sich die Firma in Imagevideos, 50.000 Mitarbeiter, ein Dienstleister für Regierungen, die staatliche Aufgaben privatisieren. Global agierend zwischen Saudi-Arabien, Australien und Großbritannien, spezialisiert auf Grenzschutz, Gefängnisse, und Militäraufträge.“4
Aus internen Dokumenten geht hervor, dass die Gewinnmarge in einer Unterkunft am Flughafen Hahn (Rheinland-Pfalz) enorm ist: Die Bruttomarge beträgt dort angeblich 66,8 Prozent! Menschen, die in der Unterkunft in Hahn gearbeitet haben, berichten angeblich von massivem Kostendruck. Serco spare an allen Ecken und Enden, auch an der Qualität. So werde der Schlüssel der Sozialarbeiter nicht erfüllt, ebenso fehle das Fachpersonal.
Ehemalige Mitarbeiter gewährten den Journalisten Einblicke in das Geschäftsmodell:
„Erster Mitarbeiter: „Die Motivation ist reich werden mit Flüchtlingen. Also der Flüchtling wird ja gar nicht als Mensch wahrgenommen, der wird ja eigentlich nur als abrechenbarer Posten wahrgenommen.“
Zweiter Mitarbeiter: „Geld, Geld, Geld ist das Interesse, der Geschäftsführer sieht einfach nur den Profit. Profitabel muss es sein!“
Mitarbeiterin: „Ich habe gesagt, wir können solches Essen nicht anbieten. Die sind Menschen, die sind keine Tiere. Und da wurde gesagt, och, die gewöhnen sich dran.““5
Angeblich ist der Serco-Konzern in 130 Unterkünften in Deutschland aktiv – in NRW angeblich in jeder dritten Einrichtung.
Monitor mutmaßt in seinem Bericht, dass „Serco wisse, dass die Politik zunehmend auf den Preis statt auf die Qualität schaue.“ Ein Professor der Universität Duisburg-Essen kommentiert: „Und das bedeutet, wenn der Preis bei Vergaben eine große Rolle spielt, dass Serco – beziehungsweise die Unternehmen, die zu Serco gehören – die Aufträge bekommt.“6 Auch für weitere Unterkünfte ergeben sich laut monitor-Recherchen angeblich erhebliche Gewinnmargen: 21,4 Prozent Gewinn in Berlin, 45,1 Prozent in Meßstetten, 49,8 Prozent in Bernkastel-Kues.
Ich frage daher die Landesregierung:
- In welchen Unterbringungseinrichtungen des Landes NRW ist der Serco-Konzern oder eine seiner Tochtergesellschaften aktiv?
- Inwiefern ist in diesen Einrichtungen der Betreuungsschlüssel sowie der Einsatz von ausgebildetem Fachpersonal sichergestellt?
- In welchem Bereich ist der Serco-Konzern in den unter Frage 1 erfragten Einrichtungen tätig, also beim Betrieb der Einrichtung bzw. als Betreuungs-, Versorgungs- und Sicherheitsdienstleister?
- Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden verursachen enorme Kosten, die der Steuerzahler zu tragen hat. Mit welchen Maßnahmen schließt die Landesregierung bei der Auftragsvergabe aus, dass durch enorme Gewinnmargen die Kosten unnötig in die Höhe getrieben werden?
- In diversen Anfragen (u. a. in den Fragen zum Haushalt 2025) gibt sich die Landesregierung sehr bedeckt, wenn es um die konkreten Kosten im Zusammenhang mit den Unterbringungseinrichtungen geht. Das betrifft die Mietkosten, die Kosten für die Betreiber und die Kosten für die Betreuungs-, Versorgungs- und Sicherheitsdienstleister. Inwiefern trifft es zu, dass auch hohe Gewinnmargen diese Geheimhaltung begründen?
Enxhi Seli-Zacharias
5 Ebd.
6 Ebd.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4811 mit Schreiben vom 20. Dezember 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- In welchen Unterbringungseinrichtungen des Landes NRW ist der Serco-Konzern oder eine seiner Tochtergesellschaften aktiv?
- In welchem Bereich ist der Serco-Konzern in den unter Frage 1 erfragten Einrichtungen tätig, also beim Betrieb der Einrichtung bzw. als Betreuungs-, Versor-gungs- und Sicherheitsdienstleister?
Die Fragen 1 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
In den Landeseinrichtungen zur Unterbringung von Geflüchteten sind als Dienstleister u.a. auch die zum Serco-Konzern gehörenden Unternehmen ORS Deutschland und European Ho-mecare (EHC) Vertragspartner. In welchen Einrichtungen diese jeweils mit welcher Dienstleistung unter Vertrag stehen, kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden.
Unterbringungseinrichtungen mit Vertragsbeziehungen zu ORS Deutschland | Vertragsart |
EAE Bonn | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
ZUE Sankt Augustin | Verpflegungsdienstleister |
ZUE Wegberg | Verpflegungsdienstleister |
Unterbringungseinrichtungen mit Vertragsbeziehungen zu European HomeCare (EHC) | Vertragsart |
EAE Köln | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
ZUE Kreuzau | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
ZUE Schleiden | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
EAE Unna | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
EAE Essen | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
ZUE Rees I + II | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
ZUE Rheinberg | Betreuungsdienstleister (inkl. Verpflegung) |
NU Düsseldorf-Süd | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
NU Krefeld-Forstwald | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
NU Ratingen-Breitscheid | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
NU Remscheid | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
NU Wuppertal-Elberfeld | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
NU Finnentrop | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
ZUE Weeze I | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
ZUE Weeze II | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
ZUE Marl | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
ZUE Schöppingen | Betreuungsdienstleister (exkl. Verpflegung) |
Verpflegungsdienstleister | |
Sanitätsdienstleister |
- Inwiefern ist in diesen Einrichtungen der Betreuungs-schlüssel sowie der Einsatz von ausgebildetem Fachpersonal sichergestellt?
Die Überwachung der Einhaltung der vertraglichen Konditionen erfolgt grundsätzlich durch die jeweils örtlich zuständige Bezirksregierung, der auch die Leitung der Landeseinrichtungen obliegt. U.a. der Umfang und die Qualifikation des eingesetzten Personals wird anhand durchgängig vorzulegender Übersichten nachgehalten.
Im Falle von Unterschreitungen des vereinbarten Personalschlüssels wird dieses mit vertraglich vereinbarten Strafen geahndet.
Darüber hinaus finden Überprüfungen sog. mobiler Kontrollteams statt, die in unregelmäßigen Abständen in sämtlichen Landeseinrichtungen Kontrollen, auch hinsichtlich des eingesetzten Personals, durchführen.
- Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden verursachen enorme Kosten, die der Steuerzahler zu tragen hat. Mit welchen Maßnahmen schließt die Landesregierung bei der Auftragsvergabe aus, dass durch enorme Gewinnmargen die Kosten unnötig in die Höhe getrieben werden?
Die Dienstleistungen für die Landeseinrichtungen zur Unterbringung von Geflüchteten werden entsprechend dem geltenden Vergaberecht vergeben. Im Regelfall erfolgt dabei in Abhängigkeit der Volumina eine europaweite Ausschreibung der Dienstleistungen Betreuung und Verpflegung.
- In diversen Anfragen (u. a. in den Fragen zum Haushalt 2025) gibt sich die Landesregierung sehr bedeckt, wenn es um die konkreten Kosten im Zusammenhang mit den Unterbringungseinrichtungen geht. Das betrifft die Mietkosten, die Kosten für die Betreiber und die Kosten für die Betreuungs-, Versorgungs- und Sicher-heitsdienstleister. Inwiefern trifft es zu, dass auch hohe Gewinnmargen diese Geheimhaltung begründen?
Die Nennung von konkreten Kosten können – wie bereits mehrfach ausgeführt – aus rein wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht genannt werden.