Geschäftsmodell Pflegefamilie: Wie ein syrischer Migrant (23) mit fünf Flüchtlingskindern über 13.000 Euro vom Staat kassiert – Einzelfall oder erneutes systematisches Versagen im Zuständigkeitsbereich von Ministerin Josefine Paul?

Kleine Anfrage
vom 05.11.2024

Kleine Anfrage 4726

der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD

Geschäftsmodell Pflegefamilie: Wie ein syrischer Migrant (23) mit fünf Flüchtlingskindern über 13.000 Euro vom Staat kassiert Einzelfall oder erneutes systematisches Versagen im Zuständigkeitsbereich von Ministerin Josefine Paul?

Wie das Nachrichtenportal NIUS berichtet, kassiert ein 23-jähriger Syrer derzeit für die Aufnahme von fünf unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern (UMA) in seiner Wohnung über 13.000 Euro im Monat.1

Auch die Jugendträger, die die Kinder vermitteln, verdienen gutes Geld. Im vorliegenden Fall handele es sich exemplarisch um den freien Jugendträger „kinego gGmbH“ aus Bochum. Am 21. Dezember 2023 unterschreiben das zuständige Jugendamt Gladbeck und der freie Jugendträger kinego gGmbH einen ersten Vertrag mit dem Syrer, der anfangs zwei Kinder aufnahm.

Die Jugendämter spielen die UMA freien Trägervereinen wie der kinego gGmbH zu, die wiederum die Jugendlichen an Gastfamilien vermitteln.

Aus eine dem Nachrichtenportal vorliegenden Abrechnung geht hervor, dass die kinego gGmbH für die Vermittlung der Kinder monatlich 937,15 Euro pro Kind kassiert. Als „Gegenleistung“ müsse man für mindestens drei Stunden pro Woche „betreuenden Kontakt mit den jungen Menschen bzw. mit den Gast- und/oder Herkunftsfamilien“ unterhalten.

Dem 23-jährigen Syrer zahlte das Jugendamt für zwei Kinder sogar 4.074 Euro im Monat aus: 1.530 Euro für den Grundbedarf und 2.544 Euro als Kostenerstattung für die Erziehung.

Am 3. Januar 2024 schloss der Syrer dann angeblich den nächsten Vertrag ab, diesmal mit dem Jugendamt Remscheid sowie erneut mit dem freien Projektträger kinego. Offenbar konnte der Syrer dank der neuen finanziellen Möglichkeiten in der Zwischenzeit in eine größere Wohnung ziehen.

Am 16. Februar bringt dann auch noch das Jugendamt Paderborn einen weiteren Jugendlichen bei H. unter.

Weiter ging es am 15. März mit dem Jugendamt Kamen – und erneut über kinego mit dem fünften Kind.

Bedingt durch eine Erhöhung der „materiellen Aufwendungen für Pflegekinder“ seit dem 01.01.2024 erhöhten sich auch die Zuwendungen an den Syrer. „Die Pauschalen liegen seit dem 1. Januar dieses Jahres je nach Alter zwischen 1.151 und 1.445 Euro.“ Doch die „Kosten der Erziehung“ können durch das Jugendamt in schwierigen Fällen auch vervierfacht werden. H. gelingt es, einen entsprechenden Antrag durchzubringen. Demzufolge erhält er in einigen Fällen eine Gesamtsumme von 2.705 Euro pro Kind.

Insgesamt bezieht der Syrer nun angeblich Monat für Monat für die fünf Kinder über 13.000 Euro!

Eine langjährige Mitarbeiterin eines Jugendträgers in Nordrhein-Westfalen sagte NIUS auf die Frage, ob es sich um einen Einzelfall handelt: „Mittlerweile hat sich bei muslimischen Familien das ‚Projekt‘ herumgesprochen, die Nachfrage ist groß“. Denn das Amt zahlt gutes Geld. „Die meisten Familien nehmen drei bis fünf Kinder auf.“ Sie zählt die zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler auf: „Möbelgeld, Schulausstattung, diverse Extras. Ebenso erhalten sie Kindergeld!“ Auch Ausländer, die Bürgergeld beziehen, könnten minderjährige Kinder bei sich aufnehmen.“ Weiter schildert sie im Gespräch mit NIUS, wie sorglos die Jugendträger die Kinder verteilen: „Es fragt niemand nach Alter der Gastfamilie, der Herkunft oder ob sie überhaupt finanziell in der Lage sind, so ein Kind zu stemmen. Die angestellten Sozialpädagogen/Erzieher entscheiden, wer Kinder bekommt und wie viele das sind. Das allein ist schon ein Skandal, finde ich.“2

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Welche näheren Informationen liegen der Landesregierung zum geschilderten Fall des 23-jährigen Syrers vor? (Bitte in diesem Zusammenhang auch eine Aussage dazu treffen, inwiefern die durch das Nachrichtenportal ermittelten Auszahlungsbeträge stimmen)
  2. Wie viele unbegleitete Minderjährige Ausländer (UMA) haben Jugendträger in NRW ähnlich wie im geschilderten Fall die kinego gGmbH in den Jahren 2022, 2023 sowie bisher im Jahr 2024 an Privatpersonen vermittelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Jugendträger, Anzahl der vermittelten UMA sowie der Höhe der in diesem Zusammenhang ausgezahlten Entschädigung an die jeweiligen Träger listen)
  3. Welche finanziellen Leistungen gingen in den Jahren 2022, 2023 sowie bisher im Jahr 2024 an Privatpersonen, die einen oder mehrere UMA aufgenommen haben? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl der UMA und den insgesamt ausgezahlten Beträgen listen)
  4. Wie viele Pflegefamilien haben derzeit mehrere UMA als Pflegekinder aufgenommen? (Bitte differenziert nach Anzahl der aufgenommenen Kinder und Anzahl der Pflegefamilien mit mehreren Kindern listen)
  5. Inwiefern ist es zutreffend, dass auch Personen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. ohne eigenes Einkommen UMA aufnehmen und die entsprechenden Entschädigungssummen erhalten können? (Bitte, soweit entsprechende Daten vorliegen, die Anzahl der Fälle benennen)

Enxhi Seli-Zacharias

 

MMD18-11286

 

1 Vgl. https://www.nius.de/gesellschaft/news/geschaeftsmodell-pflegefamilie-wie-ein-syrischer-migrant-23-mit-fuenf-fluechtlingskindern-ueber-13-000-euro-vom-staat-kassiert/155ab2b6-546f-4cd2-85ce-8e60a9a5a23f

2 Ebd.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4726 mit Schreiben vom 6. Dezember 2024 namens der Landesregierung be­antwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Das SGB VIII unterscheidet nicht danach, ob ein junger Mensch die deutsche oder eine andere Staatsangehörigkeit besitzt oder eine Fluchtgeschichte aufweist. Bei der Unterbringung eines Kindes oder Jugendlichen bei einer Pflegeperson handelt es sich in der Regel um eine Leis­tung der Hilfe zur Erziehung in Form einer Vollzeitpflege im Sinne des § 33 SGB VIII. Das Gesetz kennt den Begriff der „Gastfamilie“ nicht. Es handelt sich bei den vorliegenden Unter­bringungen um Pflegeverhältnisse nach § 33 SGB VIII, für die alle gesetzlichen Regelungen und fachlichen Standards gelten.

Die Entscheidung, welche Form der Leistung im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die Be­darfe des Kindes oder Jugendlichen geeignet und notwendig ist, trifft der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Bei der Fremdunterbringung hat das Jugendamt im Zu­sammenwirken mehrerer Fachkräfte zu entscheiden, ob die Unterbringung in einer stationären Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe oder bei einer Pflegeperson notwendig und am besten geeignet ist. Dies hängt insbesondere von den individuellen erzieherischen Bedarfen des Kin­des oder Jugendlichen ab.

Die Voraussetzungen, die Pflegepersonen erfüllen müssen, sind gesetzlich im SGB VIII und im 1. Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes NRW (1. AG KJHG NRW) beschrieben. Insbesondere werden die Ausschlussgründe nach § 17 1. AG-KJHG angewen­det, wonach beispielsweise nachzuweisen ist, dass die finanzielle und häusliche Situation der Pflegeperson geordnet ist.

Die finanzielle Ausstattung von Pflegepersonen obliegt dem öffentlichen Träger der Jugend­hilfe gemäß §§ 33, 39 SGB VIII. Demnach erhalten Pflegepersonen eine vom Ministerium jährlich festgesetzte, pauschalierte Geldleistung zur Deckung des notwendigen Unterhaltes der Pflegekinder gemäß § 39 SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe (vgl. Runderlass „Pauschal­beträge bei Vollzeitpflege und Barbeträge gem. § 39 SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe“ vom 10. Oktober 2000 (MBl. NRW. S. 1412), der zuletzt durch Runderlass vom 8. Dezember 2023 (MBl. NRW. 2023 S. 1420) geändert worden ist). Die Leistungen umfassen zwei Pauschalen: Die nach Alter des Pflegekindes gestaffelte Pauschale „Kosten für den Sachaufwand“ soll die materiellen Aufwendungen der Pflegeperson für das Pflegekind decken. Die Pauschale „Kos­ten zur Erziehung“ dient als Anerkennung der erzieherischen Leistung der Pflegeperson. Die Pauschale für die Kosten zur Erziehung kann das Jugendamt je nach Erziehungsaufwand im Einzelfall auch erhöhen.

Die Aufnahme von Pflegekindern und die damit verbundenen Geldleistungen, die Pflegeper­sonen pauschal erhalten, dienen explizit nicht der Sicherung des Lebensunterhalts der Pfle­geperson, sondern vielmehr der Deckung des notwendigen Unterhaltes des untergebrachten jungen Menschen. Die Aufnahme von Pflegekindern in die eigene Familie ist für die Pflege­personen eine herausfordernde erzieherische Aufgabe, die unter keinen Umständen ein „Ge­schäftsmodell“ darstellen darf.

Die Jugendämter erfüllen die Aufgabe der Pflegekinderhilfe, wie auch alle anderen Aufgaben nach dem SGB VIII, im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbst­verwaltung in eigener Verantwortung. Hierbei wirken sie oft mit Trägern der freien Jugendhilfe zusammen. Die Möglichkeit, die Leistungserbringung an anerkannte Träger der freien Jugend­hilfe zu delegieren, sieht das SGB VIII ausdrücklich vor. Die Gesamtverantwortung – und damit auch die Verantwortung, dass die rechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden und das Kindeswohl im Einzelfall gesichert ist – verbleibt immer beim Träger der öffentlichen Jugend­hilfe. Das Land hat keine Möglichkeit, hierauf Einfluss zu nehmen oder die Einhaltung der Regularien zu überprüfen.

  1. Welche näheren Informationen liegen der Landesregierung zum geschilderten Fall

des 23-jährigen Syrers vor? (Bitte in diesem Zusammenhang auch eine Aussage dazu treffen, inwiefern die durch das Nachrichtenportal ermittelten Auszahlungs­beträge stimmen)

Der Landesregierung liegen keine näheren Informationen zum geschilderten Fall vor.

  1. Wie viele unbegleitete Minderjährige Ausländer (UMA) haben Jugendträger in NRW ähnlich wie im geschilderten Fall die kinego gGmbH in den Jahren 2022, 2023 sowie bisher im Jahr 2024 an Privatpersonen vermittelt? (Bitte differenziert nach Jahr, Jugendträger, Anzahl der vermittelten UMA sowie der Höhe der in diesem Zusammenhang ausgezahlten Entschädigung an die jeweiligen Träger listen)

Es wird davon ausgegangen, dass danach gefragt wird, wie viele unbegleitete Minderjährige über öffentliche oder freie Träger der Jugendhilfe in eine Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII – ähnlich des in der genannten Berichterstattung erwähnten Falles – vermittelt wurden. Diese Daten werden im Rahmen der amtlichen Kinder und Jugendhilfestatistik nicht erhoben.

  1. Welche finanziellen Leistungen gingen in den Jahren 2022, 2023 sowie bisher im Jahr 2024 an Privatpersonen, die einen oder mehrere UMA aufgenommen haben? (Bitte differenziert nach Jahr, Anzahl der UMA und den insgesamt ausgezahlten Beträgen listen)

Dies wird im Rahmen der amtlichen Kinder – und Jugendhilfestatistik nicht erfasst, so dass hierzu keine Daten vorliegen.

  1. Wie viele Pflegefamilien haben derzeit mehrere UMA als Pflegekinder aufgenom­men? (Bitte differenziert nach Anzahl der aufgenommenen Kinder und Anzahl der Pflegefamilien mit mehreren Kindern listen)

Dies wird im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht erfasst, so dass hierzu keine Daten vorliegen.

  1. Inwiefern ist es zutreffend, dass auch Personen ohne dauerhaftes Aufenthalts­recht bzw. ohne eigenes Einkommen UMA aufnehmen und die entsprechenden Entschädigungssummen erhalten können? (Bitte, soweit entsprechende Daten vorliegen, die Anzahl der Fälle benennen)

Wie in der Vorbemerkung bereits dargestellt ist für die Gewährung von Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt) zuständig, der diese kommunale Selbstverwaltungsaufgabe in eigener Verantwortlichkeit wahrnimmt. Die Voraussetzungen, die Pflegefamilien erfüllen müssen, sind gesetzlich im SGB VIII und im 1. Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes NRW (1. AG KJHG NRW) defi­niert. Ein unbefristeter Aufenthaltstitel ist dort nicht als zwingend erforderlich definiert.

Die finanzielle Ausstattung von Pflegepersonen obliegt dem öffentlichen Träger der Jugend­hilfe gemäß §§ 33, 39 SGB VIII. Demnach erhalten Pflegepersonen, wie ebenfalls in der Vor­bemerkung dargelegt, eine vom Ministerium jährlich festgesetzte, pauschalierte Geldleistung zur Deckung des notwendigen Unterhaltes der Pflegekinder gemäß § 39 SGB VIII – Kinder-und Jugendhilfe. Die Aufnahme von Pflegekindern und die damit verbundenen Geldleistungen, die Pflegepersonen pauschal erhalten, dienen explizit nicht der Sicherung des Lebensunter­halts der Pflegeperson, sondern vielmehr der Deckung des notwendigen Unterhaltes des un­tergebrachten jungen Menschen. Die Aufnahme von Pflegekindern in die eigene Familie ist für die Pflegepersonen eine herausfordernde erzieherische Aufgabe, die unter keinen Umständen ein „Geschäftsmodell“ darstellen darf.

 

MMD18-11980