Gesetzentwurfder AfD-Fraktion vom 10.12.2020
Gesetz zur Änderung des § 58 der Gemeindeordnung und des § 41 der Kreisordnung des Landes Nordrhein-Westfalen
A Problem
Gemäß der Gemeindeordnung sowie der Kreisordnung des Landes Nordrhein-Westfalen wird bei der Verteilung der Vorsitze in den Ausschüssen entweder das Einigungsverfahren oder, soweit eine Einigung nicht zustande kommt, das Zugriffsverfahren herangezogen.
Jedes dem jeweiligen Ausschuss angehörende Ratsmitglied kann den Ausschussvorsitz inne haben.
Das Einigungsverfahren kommt zur Anwendung, wenn sich die Fraktionen über die Verteilung der Ausschussvorsitze geeinigt haben und wenn dieser Einigung nicht von einem Fünftel der Ratsmitglieder widersprochen wird.
Das Zugriffsverfahren kommt hingegen dann zur Anwendung, wenn keine Einigung vorliegt. Gemäß § 58 Absatz 5 Satz 2 der Gemeindeordnung bzw. § 41 Absatz 7 Satz 2 der Kreisordnung des Landes Nordrhein-Westfalen werden die Ausschussvorsitze den Fraktionen gemäß dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren zugewiesen.
Nach dem D’Hondt-Verfahren werden die Mitgliederzahlen der Fraktionen durch eins, zwei, drei etc. dividiert, um die Reihenfolge der Ausschussvorsitze gemäß den sich ergebenden Höchstzahlen zu vergeben. Bei gleichen Höchstzahlen entscheidet gemäß Absatz 5 Satz 3 das Los.
Das D’Hondtsche Höchstzahlverfahren ist in der Systematik des Kommunalrechts insofern eine Besonderheit, da es nach der Kommunalrechtsreform aus dem Jahre 2007 durch das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 09. Oktober 2007 (GV.NRW. Ausgabe 2007 Nr. 21 vom 16.10.2007 Seite 373 bis 404) als gängiges Zuteilverfahren weitestgehend durch das Hare-Niemeyer-Verfahren abgelöst wurde, allerdings nicht im Bereich der Zuteilung der Ausschussvorsitze.
Im Gegensatz zum Hare-Niemeyer-Verfahren neigt das D’Hondt-Verfahren dazu größere Parteien in der Auszählung zu bevorzugen. Diese Problematik ergibt sich vor allem auch dadurch, dass sich mehrere Fraktionen zum Zweck eines gemeinsamen Zugriffs auf die jeweiligen Ausschussvorsitze zusammenschließen können, um ihr Auszählungsgewicht zu verstärken. Während bei der Besetzung der Ausschüsse der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt, soll dies für die Besetzung der Vorsitze nicht gelten; dieser Grundsatz besagt, dass die Ergebnisse der Kommunalwahl sich unverändert in der Besetzung des Rates und seiner Ausschüsse wiederfinden, also „spiegeln“ müssen. Begründet wird der Unterschied im Vorgehen bei der Besetzung von Ausschuss und Ausschussvorsitz damit, dass es sich hierbei um organisatorische Funktionen handele.1 Die Heranziehung des D’Hondt-Verfahrens bringt aber die Misslichkeit, dass auf der einen Seite das Verfahren in seiner Systematik größere Parteien bevorzugt und somit generell die größeren Ressourcen der größeren Fraktionen im Verfahren beachtet werden, auf der anderen Seite aber dann noch Listenverbindungen diese Systematik verstärken.
B Lösung
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Streichung der Grundlage des Zusammenschlusses zur Zugriffsgemeinschaft durch eine gemeinsame Liste der Fraktionen vor. Damit würde das D’Hondt-Verfahren bei dem Zugriffsverfahren nach § 58 Absatz 5 zum Tragen kommen, ohne dass zukünftig eine Zugriffsgemeinschaft durch mehrere Fraktionen das Ergebnis dieses Verfahrens beeinflussen kann.
C Alternativen
Beibehaltung des bestehenden Rechts.
D Kosten
Dem Land entstehen keine zusätzlichen Kosten.
E Zuständigkeit
Die Zuständigkeit liegt beim Landtag.
F Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände
Die Selbstverwaltung der Gemeinde wäre nur in organisatorischer Hinsicht betroffen.
G Finanzielle Auswirkungen auf die Unternehmen und privaten Haushalte Keine.
H Geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Auswirkungen des Gesetzes
Das Gesetz entfaltet keine Auswirkungen, die eine geschlechterdifferenzierte Betrachtung erforderlich machen würden.
I Befristung
Keine.
Gegenüberstellung
— (siehe PDF) —
Begründung
A Allgemeiner Teil
Die Kommunalrechtsreform hat durch das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 09.10.2007 (GV.NRW. Ausgabe 2007 Nr. 21 vom 16.10.2007 Seite 373 bis 404) die Zuteilung nach dem D’Hondt-Verfahren weitestgehend durch das Hare-Niemeyer-Verfahren abgelöst. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht vor allem im neutralen Verhalten bezüglich der Größe der Parteien. Dadurch bleibt vor allem der notwendige Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zwischen Rat und Ausschüssen gewahrt, so, wie es im „Tönisvorst-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2003 festgestellt wurde (BVerwGE 119, 305).
Obwohl das Hare-Niemeyer-Verfahren diesen Grundsatz beachtet, wird das D’Hondt-Verfahren bei der Zuteilung der Ausschussvorsitze weiterhin angewandt, da deren Verteilung das politische Kräfteverhältnis im Rat nicht streng spiegelbildlich darstellen muss. Dieses Vorgehen wird unter anderem damit begründet, dass der Vorsitz eines Ausschusses vor allem eine Funktion organisatorischer Art darstelle und deshalb vorrangig die praktische Durchführbarkeit und somit auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Ratsfraktionen in den Fokus zu stellen seien. Allerdings wird diese Vorgabe allein schon durch die mathematische Begünstigung von größeren Fraktionen durch das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren sichergestellt, sodass eine zweite Variable in Form der möglichen Zugriffsgemeinschaften das Kräfteverhältnis des Rats noch weiter verzerrt.
B Artikel 1
Zu Nr. 1
Die Änderung bezieht sich auf die Regelung des § 58 Absatz 5 Satz 2 zweiter Halbsatz der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, welche die Zugriffsgemeinschaften normiert.
Der Wegfall dieser Regelung schließt die aktuelle Möglichkeit der Bildung von Zugriffsgemeinschaften aus. Denn dem Umkehrschluss, dass Zugriffsgemeinschaften somit generell zulässig wären, wurde schon im „Tönisvorst-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen.
Zu Nr. 2
Die Änderung bezieht sich auf die Regelung des § 41 Absatz 7 Satz 2 zweiter Halbsatz der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, welche dort die Zugriffsgemeinschaften normiert. Es stellt das auf Kreisebene bestehende Äquivalent des § 58 Absatz 5 Satz 2 zweiter Halbsatz der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen dar.
C Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.
Thomas Röckemann
Markus Wagner
Andreas Keith
und Fraktion
1 Kallerhof in Dietlein/Heusch; § 58 Rn. 54; 1. Auflage; C.H. Beck; 2020