Gesetzentwurf vom 18.4.2018 der Fraktion der AfD
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A Ausgangslage
Das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW) ist am 6. Juli 2013 in Kraft getreten. Es ermöglicht anerkannten Tierschutzvereinen, gegen eine Genehmigung nach 8 Abs. 1 Tierschutzgesetz vor dem Verwaltungsgericht eine Feststellungsklage zu erheben. Mit dem vorgeschalteten Informationsanspruch hat die zuständige Behörde auf Antrag den Verein über die Anzahl und den Gegenstand aller laufenden Verfahren zu informieren. Darüber hinaus besteht ein Recht, dass auf Verlangen des Vereins diesem in einem konkreten Verfahren Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird. Wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht (Drs. 17/1950), wurden mit den ministeriellen Erlassen vom 12. Dezember 2014 Hinweise zum Vollzug des TierschutzVMG NRW an die mit dem Gesetz befassten Behörden herausgegeben. Mit diesen Erlassen wurden das LANUV und die zuständigen Kreisordnungsbehörden gebeten, Angaben zu den Informationsanträgen der Vereine nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Tier-schutzVMG NRW zu erfassen. In den Jahren 2015 und 2016 haben die Vereine insgesamt 106 Informationsanträge nach § 2 Abs. 5 Satz 1 gestellt. Die Vereine machten insgesamt drei Mal von ihrem Mitwirkungsrecht Gebrauch und erhielten Einsichtsnahmen in Antrags- bzw. Verfahrensunterlagen.
Auch geht aus der Antwort der Landesregierung hervor, dass für bauordnungsrechtliche als auch immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszecken bisher kein einziger erhobener Rechtsbehelf vorliegt. Das zeigt deutlich, dass der im Bundesgesetz verankerte Tierschutz funktioniert und die zuständigen Kreisordnungsbehörden bei tierschutzrechtlichen Verwaltungsverfahren stets vorbildlich handelten.
B Lösung
Aufhebung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen.
C Alternativen
Keine.
D Kosten
Keine.
E Zuständigkeiten
Zuständig ist das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.
Begründung
Das deutsche Verwaltungsprozessrecht ist seit 1949 und bis 2001 uneingeschränkt von einem subjektiv-rechtlichen Individualrechtsschutz geprägt. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt, ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).
Über ein halbes Jahrhundert haben deutsche Verwaltungsgerichte den Begriff des subjektiven Rechts – im Sinn der Schutznormtheorie – sehr eng interpretiert. So waren bei umweltgefährdenden Industrieanlagen nur jene Personen klagebefugt, welche in unmittelbarem kausalen Zusammenhang zu den Emittenten standen und in ihren Rechten verletzt wurden (s. Großfeu-erungsanlagen-VO, internationale Abkommen über großräumigen Transport von Luftverschmutzung (LRTAP)).
Dem gegenüber steht das Verbandsklagerecht als eine neue Form der Klage, bei der Vereine oder Verbände die Klagebefugnis zugesprochen erhalten, welche als juristische Personen in den streitgegenständlichen Fällen nicht unmittelbar selbst in ihren eigenen Rechten verletzt sind. Die ausgeprägte prokuratorische Rechtsstellung, der uneingeschränkte Zugang zu Gerichten und die Degradierung der Verwaltungsgerichte zu übergeordneten Aufsichtsbehörden nach dem europäischen Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit stellen einen Bruch mit dem traditionellen deutschen Modell der Verwaltungsgerichte dar.
Der Paradigmenwechsel vom Individualrechtsschutz zur objektiven Verwaltungskontrolle wurde mit der sogenannten Århus-Konvention am 25. Juli 1998 begonnen. 47 Staaten, darunter alle EU-Mitgliedsstaaten, und die Europäische Union haben den internationalen Vertrag unterzeichnet.
Die Århus-Konvention ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz einräumt. Das erklärte Ziel war in erster Linie eine Weiterentwicklung der Informa-tions- und Mitwirkungsrechte, nicht jedoch der Klagerechte.
Die Staaten, welche die Århus-Konvention nicht unterzeichnet haben, wie die USA, China, Indien oder Japan, haben alle Kompetenzen, über ihre Rechtsinstrumente eigenständig zu befinden.
Unter der rot-grünen Bundesregierung wurde 2002 in der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), welches in seiner ursprünglichen Fassung vom 20. Dezember 1976 das bis dahin geltende Reichsnaturgesetz von 1935 ablöste, erstmalig eine Mitwirkungsmöglichkeit und ein Mitwirkungsrecht für Interessensverbände unter strengen Gesichtspunkten eingeführt. Im Rahmen von Planfeststellungsverfahren mussten die Interessensverbände angehört werden, das sogenannte Verbandsklagerecht wurde im deutschen Recht geschaffen (§§ 63 und 64 BNatSchG).
Noch vor der deutschen Ratifizierung der Århus-Konvention haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union am 26. Mai 2003 die Richtlinie 2003/35/EG beschlossen und damit die Århus-Konvention in Unionsrecht umgewandelt. Mit der EG-Richtlinie wurde die Århus-Konvention für alle Mitgliedsstaaten rechtsverbindlich. Seither ist die Richtlinie 2003/35/EG eine Rechtsnorm für die Abnahme nationaler Souveränität sowie ein Machtausbau von Interessensverbänden im Umweltrecht.
Deutschland hat mit dem sperrigen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) in seiner ursprünglichen Fassung vom 07. Dezember 2006 die Richtlinie 2003/35/EG in deutsches Recht umgesetzt. Damit erhielten die Interessenverbände das erweiterte Klagerecht zu dem bereits bestehenden und weiterhin gültigen Verbandsklagerecht im BNatSchG. Mit dem UmwRG wurde nun sehr deutlich mit dem deutschen Grundsatz des Individualrechtsschutzes gebrochen.
Seither kann ein Interessensverband eine Klage erheben, der durch die angegriffene Handlung nicht in eigenen Rechten verletzt wird, sondern gleichsam selbst für andere oder die Allgemeinheit im Bereich Umwelt- und Klimaschutz handelt. Die vermeintliche objektive Verwaltungskontrolle hat eine Welle an Popularklagen ausgelöst, die nach Entscheidungen des EuGHs in Verfahrens- und Rechtsfragen stets zu Gunsten der Interessensverbände und stets zu Ungunsten bisheriger deutscher Rechtsakte entschieden wurde. Aus allen genannten Gründen ist daher ein jedes Verbandsklagerecht abzulehnen und auch aus dem hier in Rede stehenden Gesetz zu streichen.
Markus Wagner
Dr. Christian Blex
Andreas Keith
und Fraktion