Gesetzliche Ansprüche ukrainischer Staatsangehöriger – Vermögensstatus bei ALG II-Bezug

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 916
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 21.12.2022

Gesetzliche Ansprüche ukrainischer Staatsangehöriger Vermögensstatus bei ALG II-Bezug

Für ukrainische Geflüchtete wurde am 01.06.2022 der Übergang vom Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in die Grundsicherung (SGB II oder SGB XII) vollzogen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwiefern es Kenntnisse über das jeweilige (grundsätzlich zuvor aufzubrauchende) Vermögen der ukrainischen Staatsangehörigen gibt bzw. ob die Vermögensverhältnisse bei der ALG II-Bewilligung überhaupt – nach den allgemein gültigen Anforderungen – geprüft wurden und relevant waren.

Flüchtlinge aus der Ukraine haben nicht nur Anspruch auf Grundsicherung vom Jobcenter, also auf Arbeitslosengeld II. Ukrainer können auch Kindergeld oder die BAföG-Ausbildungsförderung bekommen. Zudem erhalten Ukrainer (verglichen mit den Leistungen nach dem AsylbLG) eine bessere gesundheitliche Versorgung und Absicherung, da sie in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden.

Alleine schon, um unberechtigte Anschuldigungen zu vermeiden, ist es erforderlich zu untersuchen, ob die pauschale Berechtigung zu ALG II-Leistungen in der Hauptsache auch tatsächlich mehrheitlich wirklich hilfsbedürftigen Kriegsflüchtlingen zugutekommt und dem vom Gesetzgeber intendierten Zweck entspricht. Dies lässt sich durch eine Vermögensüberprüfung klären.

Seit dem 29. April 1996 ist das „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ in Kraft. Damit müssen die rechtlichen und praktischen Voraussetzungen für einen behördlichen Datenabgleich und eine Überprüfung der Vermögenslage an beweglichem und unbeweglichem Vermögen von ALG II-Antragstellern im Herkunftsstaat als gegeben angesehen werden, denn Artikel 26 dieses Abkommens etabliert den zwischenstaatlichen Informationsaustausch der zuständigen (Steuer-)Behörden in Steuersachen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. In welcher Form wird eine Vermögens- bzw. Einkommensüberprüfung (seit dem 1. Juni 2022 und bis heute) gegenüber ukrainischen ALG II-Antragstellern angewandt?
  2. Welche (Gesamt-)Erkenntnisse (z. B. in Form eines Durchschnittswertes des Vermögens, das die ALG II-Antragsteller aus der Ukraine besitzen) haben die Überprüfungen ergeben?
  3. Inwiefern muss der Lebensunterhalt durch Ukraine-Flüchtlinge selbst bestritten werden, wenn die aus der Ukraine stämmige Person sich nach ihrer Vermögenslage als zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in der Lage erweist?
  4. Wie werden im Zuge der Kriegshandlungen nach Deutschland gekommene ältere ukrainische Staatsangehörige, die nach ukrainischem Recht das Renten- oder Pensionseintrittsalter bereits erreicht haben, rechtlich und finanziell gestellt?
  5. Nach welcher Berechnungsgrundlage wird bei diesen Personen festgestellt, ob sie (noch) in Arbeit vermittelt werden oder unmittelbar ALG II beziehen können?

Enxhi Seli-Zacharias

 

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Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 916 mit Schreiben vom 17. Januar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. In welcher Form wird eine Vermögens- bzw. Einkommensüberprüfung (seit dem 1. Juni 2022 und bis heute) gegenüber ukrainischen ALG II-Antragstellern ange­wandt?

Der Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) setzt unter anderem Hilfebedürftigkeit voraus (vgl. § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr.3 SGB II).

Hilfebedürftig ist gem. § 9 Absatz 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht aus­reichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern ande­rer Sozialleistungen, erhält.

Nach § 67 Absatz 2 SGB II (in der bis 31.12.2022 gültigen Fassung) wird Vermögen für die Dauer von 6 Monaten nicht berücksichtigt. Die Aussetzung der Vermögensprüfung gilt nicht, wenn das Vermögen erheblich ist. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhan­den ist, wenn dies im Antrag erklärt ist.

Einkommen und Vermögen sind im Rahmen der dargestellten gesetzlichen Vorgaben in jedem Einzelfall – also auch bei aus der Ukraine geflüchteten Personen – anhand der Antragsunter­lagen und der Angaben der antragstellenden Person zu prüfen. Die Grundsätze der Amtser­mittlung gem. § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gelten uneingeschränkt.

  1. Welche (Gesamt-)Erkenntnisse (z. B. in Form eines Durchschnittswertes des Ver­mögens, das die ALG II-Antragsteller aus der Ukraine besitzen) haben die Über­prüfungen ergeben?

Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.

  1. Inwiefern muss der Lebensunterhalt durch Ukraine-Flüchtlinge selbst bestritten werden, wenn die aus der Ukraine stämmige Person sich nach ihrer Vermögens­lage als zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in der Lage erweist?

Soweit der Lebensunterhalt aus eigenen vorhandenen Mitteln bestritten werden kann, besteht mangels Hilfebedürftigkeit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Ob dann andere staatliche Leistungen bzw. Hilfen anderer bezogen werden können, ist eine Frage der Um­stände des jeweiligen Einzelfalls.

  1. Wie werden im Zuge der Kriegshandlungen nach Deutschland gekommene ältere ukrainische Staatsangehörige, die nach ukrainischem Recht das Renten- oder Pensionseintrittsalter bereits erreicht haben, rechtlich und finanziell gestellt?

Die Altersgrenze (vgl. § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB II) richtet sich unabhängig von dem in der Ukraine geltenden Renteneintrittsalter nach § 7a SGB II.

Personen, die eine Rente wegen Alters beziehen, sind von Leistungen nach dem SGB II aus­geschlossen (§ 7 Absatz 4 SGB II). Das gilt auch für den Bezug einer Altersrente nach ukrai­nischem Recht, wenn diese in Funktion und Struktur der deutschen Altersrente entspricht und sie tatsächlich bezogen wird. Im Übrigen ist die Rentenbewilligung unter Berücksichtigung vor­gelegter Nachweise anhand der Kriterien der Rechtsprechung wie beispielsweise in der Ent­scheidung des Bundessozialgerichts vom 16.05.2012 (Az.: B4 AS105/11 R) festzustellen.

Besteht ein Leistungsausschluss nach dem SGB II, könnte ein Anspruch nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestehen. Es gilt § 19 Abs. 1 und 2 SGB XII.

  1. Nach welcher Berechnungsgrundlage wird bei diesen Personen festgestellt, ob sie (noch) in Arbeit vermittelt werden oder unmittelbar ALG II beziehen können?

Die Vermittlung in Arbeit und der Bezug von Leistungen nach dem SGB II stehen gerade nicht in einem alternativen Verhältnis zueinander.

Auch bei diesen Personen gelten die allgemeinen Regelungen des SGB II zur Hilfebedürftig­keit (siehe Antwort zur Frage 1).

 

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